Management-Versicherungen:Der freie Fall

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Mit dem geschlossenen Rücktritt von Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund einer fehlenden Directors-and-Officers-Versicherung schrieb Lion Bioscience Geschichte.

Matthias Autenrieth

Directors & Officers-Versicherungen sind oft von einer Hülle des Schweigens umgeben, zumindest sprechen Vorstände und Aufsichtsräte diese Thematik von sich aus eher selten an. Im Oktober 2004 brachten aber die Organe von Lion Biosience die Versicherung in die Schlagzeilen, und nicht etwa, weil sie auf Schadenersatz verklagt wurden oder ihrerseits Ansprüche an die Versicherung stellten.

Vorstand und Aufsichtsrat von Lion Biosience wählten gemeinsam den Austieg aus ihren verantwortlichen Positionen - das Haftungsrisiko für das Engagement am US-Markt schien ihnen zu groß zu werden. (Foto: Foto: Photocase/symage)

Zur Meldung wurden Lion Bioscience und die Police, weil Vorstand und Aufsichtsrat des Bioinformatik-Unternehmens geschlossen zurücktraten, nachdem ab dem auf den Rücktritt folgenden Tag keine D&O-Versicherung mehr vorgelegen hätte. An diesem Tag lief der bestehende D&O-Vertrag aus, eine Verlängerung oder einen Neuabschluss zu den bis dahin geltenden Konditionen war aber nicht möglich.

Dies lag in erster Linie an dem dualen Listing an der Deutschen Börse sowie an der US-Technologiebörse Nasdaq. "Andererseits hatte der Vorstand einen vertraglichen Anspruch auf eine solche Versicherung, den die Gesellschaft jedoch unter wirtschaftlich vertretbaren Gesichtspunkten nicht mehr erfüllen konnte", fasste auf der Hauptversammlung im November 2005 Peter Willinger, der damalige Finanzvorstand, die Geschenisse zusammen. Branchenkreise sprachen von Kosten in Höhe von zehn Prozent des Umsatzes, die Lion Bioscience für den Versicherungsschutz hätte aufbringen müssen.

Die Position eines Aufsichtsrates verliert an Attraktivität

So kam es, dass der Aufsichtsrat mit den beiden Vorständen Martin Hollenhorst und Daniel Keesman Aufhebungsverträge schloss, dann deren Nachfolger bestellte und im Anschluss daran selbst zurücktrat. Rechtlich seien das Verhalten und die einzelnen Maßnahmen nicht zu beanstanden, so Willinger auf der Hauptversammlung 2005 weiter, wenn das Ganze Fragen aufwerfe, dann wohl eher "auf der persönlichen und moralischen Ebene". Welche Fragen dies auch immer gewesen sein mögen - zumindest für den Aufsichtsrat dürfte eine Spekulation über eine Panikreaktion aus Unerfahrenheit daneben liegen. Dessen Mitglieder waren bis zu ihrem Rückritt der ehemalige Aventis-Vorstandschef Jürgen Dormann, der Ex-Schering-Finanzvorstand Klaus Pohle sowie der frühere Microsoft-Deutschland-Chef Richard Roy.

Ursächlich für die konzertierte Amtsniederlegung dürfte eher das Bewusstsein über das angestiegene Haftungsrisiko auch für Aufsichtsräte gewesen sein, das sich durch das Engagement am US-Markt noch erhöhte. Eine solche Entwicklung wies eine Aufsichtsratsstudie des Beratungsunternehmens Kienbaum von Ende 2006 nach. Der zufolge hat die Bereitschaft, einen Aufsichtsratssitz zu übernehmen, deutlich nachgelassen.

Allerdings blieb der Fall Lion Bioscience bis heute eine große Ausnahme in der Geschichte der D&O-Versicherung in Deutschland. Das Unternehmen heißt heute übrigens Sygnis Pharma AG und besitzt wieder eine D&O-Police.

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