MAN:Vertrackte Lage in München

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Der Lkw-Hersteller fährt einen hohen Verlust ein - ausgerechnet jetzt, mitten im großen Umbau innerhalb des VW-Mutterkonzerns.

Von Thomas Fromm, München

Es kann für so eine Pressekonferenz sehr wichtig sein, wer dabei ist und wer nicht. Andreas Renschler, der VW-Nutzfahrzeugvorstand, der für den Autobauer die Lkw-Töchter MAN und Scania zusammenschmieden soll, ist an diesem Dienstag nicht da. Weil dies ja eine MAN-Pressekonferenz ist und keine VW-Veranstaltung. Andererseits ist es Renschler, der in diesen Wochen entscheidet, wie es weitergehen soll mit allem. Der an einer Lkw-Holding feilt, die im Herbst nicht in Bayern und auch nicht in Schweden, sondern in Braunschweig an den Start gehen soll.

Renschler ist, wenn man so will, der von VW beauftragte Herrscher über MAN und Scania. Aber er ist eben nicht da.

Dabei ist die Lage ernst: Im ersten Halbjahr hat der Münchner Konzern unterm Strich 46 Millionen Euro verloren, das dürfte Folgen für das Gesamtjahr haben. "Das Nettoergebnis wird um die Nulllinie liegen, vielleicht leicht negativ", glaubt MAN-Finanzchef Peter Park. 2014 stand hier noch ein Gewinn von 267 Millionen Euro. Dafür ist Georg Pachta-Reyhofen hier, der MAN-Chef. Viele Fragen, die heute gestellt werden, sind eigentlich Renschler-Fragen und keine Pachta-Reyhofen-Fragen. Zum Beispiel: Was wird aus seinem Unternehmen, der MAN-SE-Holding, wenn demnächst die VW-Nutzfahrzeugholding steht? Braucht man die Münchner Holding-Gesellschaft dann überhaupt noch? Oder: Was passiert mit dem zweiten Standbein von MAN, der Maschinenbausparte Diesel und Turbo, die jetzt, vom Lkw-Geschäft losgelöst, bei VW geführt wird? Pachta-Reyhofen sagt dann Sätze wie diesen: "Es gibt keine mir bekannten Pläne, das abzugeben."

Das muss man so lesen: Dem MAN-Chef sind keine Pläne bekannt. Was aber nicht heißt, dass irgendwer im Konzern nicht doch solche Pläne haben könnte. Was soll man sagen als Chef eines ehemaligen Dax-Konzerns, der schon vor zwei Jahren einen "Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag" mit VW abgeschlossen hat? Und den VW in diesen Monaten so umbaut, dass er in den großen Nutzfahrzeugverbund mit Scania und dem VW-Nutzfahrzeuggeschäft passt. 2015, sagt Georg Pachta-Reyhofen, sei eine ziemlich "spannende Zeit". Neulich die große Jubiläumsfeier, 100 Jahre Lkw- und Bus-Bau bei MAN. Und jetzt das Renschler-Projekt. "Die Holding nimmt Fahrt auf", sagt er dazu nur.

Als noch alles im Lot war bei MAN in München: Werbefoto von 1968. Inzwischen wird woanders entschieden, wo es langgeht. (Foto: PR)

So kommt es also, dass Pachta-Reyhofen an diesem Tag eine sehr undankbare Rolle spielen muss: Er ist derjenige, der vor allem über die Halbjahreszahlen des Konzerns reden muss. Und damit ist klar: In Zeiten, in denen VW MAN umbaut, in denen an allen Ecken gespart wird und das Geschäft im einstigen Boom- und Hoffnungsmarkt Brasilien wegbröckelt, in diesen Zeiten ist Pachta-Reyhofen vor allem der Überbringer schlechter Nachrichten.

Wenn Konzerne in großem Stil sparen, wird es meistens vertrackt und teuer. MAN ist dafür ein gutes Beispiel: Weil die Lkw-Nachfrage in einigen Ländern wie Russland und Brasilien stark eingebrochen ist, müssen die Manager zusehen, dass sie ihre Werke besser ausgelastet und neu sortiert kriegen. In Brasilien haben die Münchner ihre Kosten um 60 Prozent gekappt: Jobabbau, Kurzarbeit, weniger Gehalt. Eine dramatische Kur, nicht nur für Brasilien.

In Zukunft werden die Lastwagen von MAN in Europa nur noch in drei statt in vier Werken gebaut. An die 1800 Mitarbeiter sollen freiwillig gehen; der Konzern hilft mit Abfindungen oder Regelungen zur Altersteilzeit nach. Ziel: Wenn alles vorbei ist, soll das Nutzfahrzeuggeschäft in Europa ab 2018 wieder eine Rendite von 6,0 bis 6,5 Prozent einfahren. Zum Vergleich: Der schwedische Konkurrent Volvo kam zuletzt auf 7,7 Prozent, die Truck-Sparte von Daimler auf 7,2 Prozent. Allerdings: Die Weltmarktführer der Branche sind nicht nur in Europa und Lateinamerika am Start, sondern auch auf dem großen und starken US-Markt. Hier aber spielen MAN und Scania derzeit keine Rolle.

Und so hinterlassen einige Details des zweiten Geschäftsquartals einen bitteren Beigeschmack: Der Umbau des Lkw-Geschäfts und der dazu gehörenden Verwaltungsjobs kostete in den vergangenen drei Monaten 170 Millionen Euro - damit sei ein Teil der Belastungen schon verbucht, sagt Pachta-Reyhofen. Allerdings könnte im dritten Quartal noch einmal ein zweistelliger Millionenbetrag auflaufen.

In den Vereinigten Staaten hat der alte VW-Bulli noch immer "ein hervorragendes Image"

Sparen alleine wird MAN wohl kaum nach vorne bringen, und nicht zufällig erinnerte VW-Lkw-Chef Renschler neulich intern daran, dass da noch ein Markt ist neben jenen in Europa und Lateinamerika: die USA. Er sehe für die Nutzfahrzeuge von VW "den nordamerikanischen Raum" als große Chance, sagte er. So habe gerade in den USA der alte VW-Bulli noch immer "ein hervorragendes Image". Renschler, ein Ex-Daimler-Manager, der erst seit Anfang des Jahres für die Wolfsburger arbeitet, muss schaffen, was in den vergangenen Jahren nicht richtig funktionierte: MAN und Scania sollen verstärkt zusammenarbeiten, nicht nur beim Einkauf. Entschieden ist, dass MAN und Scania gleiche Getriebe und Achsen einsetzen.

Von 2016 an sollen die Getriebe in Schweden von Scania gebaut werden; aus dem MAN-Werk in Salzgitter sollen die Achsen kommen. "Wir sind hoffnungsvoll, dass sich die Zusammenarbeit mit Scania verbessern wird", sagte Pachta-Reyhofen. Es gebe einige "sehr, sehr gute Gespräche" und eine Vielzahl von Projekten, heißt es in München. Worum es da geht? Möglich, dass man in fünf bis sechs Jahren auf einen gemeinsamen Basismotor zurückgreifen könne, heißt es aus Konzernkreisen. Tabu dagegen ist, im Vertrieb und Service zusammenzugehen. MAN soll also MAN und Scania Scania bleiben.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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