Luftverkehr:Enttäuschte Hoffnungen

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Der 19. März war ein schwarzer Tag für die österreichische Fluggesellschaft Austrian Airlines. Denn der Flugbetrieb wurde wegen der Corona-Pandemie bis auf Weiteres gestoppt. (Foto: picture alliance/dpa)

Nach drei Monaten am Boden wollte Lufthansa-Tochter Austrian Airlines wieder richtig durchstarten. Es ist bislang anders gekommen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Es gibt zwei Tage in den vergangenen Monaten, die sind Alexis von Hoensbroech besonders in Erinnerung geblieben. Der eine ist der 19. März. Eine Stunde nachdem die Maschine aus Chicago gelandet war, gab der Chef der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines bekannt, dass der Flugbetrieb wegen Covid-19 bis auf Weiteres gestoppt wird. Der andere ist der 15. Juni, als Austrian mit großen Hoffnungen wieder zu fliegen begonnen hatte. Hunderte von Mitarbeitern standen den Passagieren auf dem Weg zum Erstflug nach Innsbruck jubelnd Spalier.

"Der emotional schwierigste Moment war der 19. März. Da haben wir den Betrieb vollständig eingestellt, ohne zu wissen, für wie lange", sagt Hoensbroech mehr als ein halbes Jahr danach. Doch auch der 15. Juni hat sich mittlerweile nicht als der große Wendepunkt zum Besseren herausgestellt. "Die Aufbruchstimmung beim Neustart ist eine der enttäuschten Hoffnungen. Wir haben zwei Monate später gemerkt, dass der Plan so erst mal nicht mehr aufgehen wird."

Vor gut zwei Jahren ist Hoensbroech von Frankfurt nach Wien umgezogen. Er war dort bei Lufthansa für Netzplanung und Verkauf verantwortlich, dann Vertriebsvorstand bei Lufthansa Cargo. Viele im Unternehmen sagen, der Posten in Wien sei für den 50-jährigen promovierten Physiker nur ein weiterer Zwischenstopp auf dem Weg in den Konzernvorstand, wenn dort in den nächsten Jahren ein passender Posten frei wird. Doch zunächst muss Hoensbroech Austrian retten, die wie die Branche in der größten Krise ihrer Geschichte steckt.

Austrian war schon vor der Corona-Krise unter erheblichem wirtschaftlichen Druck

Denn: "Die Tendenz geht eindeutig in die falsche Richtung", so Hoensbroech. Die Airline war von den Einschnitten sowieso noch mehr betroffen als manche ihrer Schwestergesellschaften, denn sie ist drei Monate lang überhaupt nicht geflogen. Außerdem war Austrian anders als Lufthansa oder Swiss schon vor der Krise unter erheblichem wirtschaftlichen Druck: Selbst im rückblickend guten Jahr 2019 machte die Sparte nur einen minimalen Gewinn. Und Konzernchef Carsten Spohr machte deutlich, dass sie nur dann damit rechnen könne, Geld für Investitionen aus Frankfurt zu bekommen, wenn sie deutlich profitabler geworden ist.

Alexis von Hoensbroech ist Chef von Austrian Airlines. Vor gut zwei Jahren ist er von Frankfurt nach Wien umgezogen. Er war dort bei Lufthansa in verschiedenen Funktionen tätig. Viele im Unternehmen sagen, der Posten in Wien sei für ihn nur ein weiterer Zwischenstopp auf dem Weg in den Lufthansa-Konzernvorstand. (Foto: Oliver Roesler/picture alliance)

Von Profiten kann aber bis auf Weiteres in Zeiten der Pandemie nicht die Rede sein. Eher stellt sich die Frage, wie lange das Geld noch reicht. Lufthansa und der österreichische Staat haben Austrian im Sommer mit 600 Millionen Euro vor der Pleite bewahrt. Doch die Annahmen, die Austrian für die Hilfen zugrunde gelegt hatte, sind längst überholt, denn zumindest kurzfristig läuft es viel schlechter als gedacht. Austrian wird wahrscheinlich im vierten Quartal bei den Passagieren weniger als 20 Prozent des Vorjahresniveaus erreichen. "Jetzt streichen wir nicht nur Frequenzen, sondern auch wieder Flugziele", so Hoensbroech - etliche Europa-Destinationen wie Prag, Nürnberg und Leipzig werden wieder eingestellt. "Wenn bis Mitte des Jahres 2021 ein Impfstoff verbreitet ist, werden wir gut durchkommen", sagt Hoensbroech. "Wenn das Sommergeschäft erneut ausfällt, wird es schwierig."

Bis dahin muss Hoensbroech Entscheidungen treffen, die er bis dahin nicht für möglich gehalten hatte. "Ich war überrascht, wie sehr man ein Streckennetz schrumpfen kann", sagt er. Und wie kreativ man dabei sein muss: Austrian fliegt etwa die wenigen übrig gebliebenen Langstrecken (Washington, New York, Chicago, Shanghai, Bangkok) an den gleichen drei Tagen und organisiert für diese Zubringerflüge. An den anderen vier Tagen gibt es die Anschlussflüge nicht. Quasi die gesamte Airbus-Flotte für die Kurz- und Mittelstrecke steht sowieso am Boden, das Europanetz bedienen jetzt Regionalflugzeuge von Embraer und de Havilland. Auch nach der Krise wird Austrian kleiner sein. Statt der bislang 80 Maschinen wird die Airline künftig nur noch 60 betreiben, neun davon auf der Langstrecke.

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