Luftfahrt:Boeing verliert 737 Max-Großauftrag

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Im Wartestand: Flugzeuge vom Typ stehen auf einem Parkplatz auf dem Firmengelände von Boeing in Seattle, (Foto: Stephen Brashear, AFP)

Als erste Fluggesellschaft schwenkt Flyadeal von Boeing auf Airbus um.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Der Auftrag über bis zu 50 Flugzeuge war extrem hart umkämpft. Flyadeal, der Ableger von Saudi Arabian Airlines hat schließlich vor, schnell zu wachsen und zu einem der großen Billigflieger im Nahen Osten zu werden. Als dann im Dezember 2018 Boeing den Zuschlag mit seiner 737 Max erhielt, durfte der Hersteller das als einen großen Sieg verbuchen und Airbus als eine strategisch schmerzhafte Niederlage.

Wenig mehr als ein halbes Jahr später ist jedoch alles Makulatur. Die Fluggesellschaft hat bekanntgegeben, dass sie nun doch lieber Maschinen des Typs Airbus A320neo fliegt, die die Muttergesellschaft bei der Luftfahrtmesse von Le Bourget im Juni bestellt hatte. Sie ist damit die erste Airline weltweit, welche die Konsequenzen aus dem seit Mitte März geltenden Flugverbot für die 737 Max zieht und einen Auftrag storniert.

Der Flugzeugtyp darf nach zwei Abstürzen, bei denen insgesamt 346 Menschen ums Leben gekommen sind, seit fast vier Monaten weltweit nicht mehr eingesetzt werden. Flugsicherheitsbehörden weltweit wollen die Max erst dann wieder zulassen, wenn Boeing einen Teil der Steuerungssoftware überarbeitet hat. Selbst die optimistischsten Beobachter rechnen mittlerweile damit, dass dies definitiv nicht vor Oktober stattfinden wird, wahrscheinlich sogar nicht einmal vor Anfang nächsten Jahres.

Analysten schätzen den Schaden für Boeing auf etwa 13 Milliarden Dollar, doch wahrscheinlich ist es viel zu früh, um sich auf Zahlen festzulegen, zumal immer neue Nachforderungen der Behörden auftauchen, die den Zeitplan ins Wanken bringen könnten. Für die Fluggesellschaften entwickelt sich das Flugverbot zu einem massiven Planungsproblem - und je länger es dauert, desto schlimmer wird es. Die Unsicherheit darüber, wann Boeing wie viele Max ausliefern kann, scheint auch ein Hintergrund für den Kurswechsel der saudi-arabischen Airline gewesen zu sein.

Schon im nächsten Jahr könnten nicht zu wenige, sondern zu viele Flugzeuge auf dem Markt sein

Unklar ist, wie viele weitere Max-Aufträge nun gefährdet sind. Je nach Klauseln können Airlines bei großen Verspätungen ganz aussteigen. Bislang haben die beiden indonesischen Airlines Garuda und Lion Air verkündet, die Max abbestellen zu wollen, dies aber offiziell noch nicht getan. Die vom Flugverbot betroffenen Airlines versuchen in der Zwischenzeit mit hohem Aufwand, den Flugplan im Sommer wie vorgesehen zu absolvieren, oft müssen sie dabei aber teure Mietgeschäfte mit Drittanbietern eingehen. Allein die deutsche Tuifly hätte bis zum Mai acht 737 Max bekommen sollen, im TUI-Konzern können weitere 15 schon ausgelieferte Maschinen derzeit nicht eingesetzt werden. Das Unternehmen rechnet mit einem Rückgang des operativen Gewinns um rund 300 Millionen Euro. Auch die Ferienfluggesellschaft Sun Express hätte in diesem Jahr acht Max einsetzen sollen und erwartet 2020 weitere fünf.

Im kommenden Jahr jedoch könnte ein umgekehrtes Problem entstehen - viel zu viel zusätzliche Kapazität in zu kurzer Zeit, dann nämlich, wenn das Flugverbot endlich aufgehoben ist. Schon ohne die Max sollen die europäischen Fluggesellschaften 2020 etwa 400 neue Maschinen erhalten. Hinzukommen noch knapp 150 Max, die 2019 hätten kommen sollen plus die regulär im kommenden Jahr anstehenden Max-Auslieferungen, also insgesamt weit mehr als 600 Maschinen. Bernstein Research-Analyst Daniel Röska warnt vor einer "Flut von Flugzeugen", die ausgerechnet zu einem Zeitpunkt ausgeliefert werden, zu dem die Nachfrage nach Ferienflügen nachlässt. Röska befürchtet, dass angesichts der schwächeren Wachstumsaussichten auch schwächere Zeiten bei den Geschäftsreisen nahen.

Nicht nur zu viele Flugzeuge zu haben, wird für viele ein Problem, sondern auch der Lieferzeitpunkt. Vor allem Ferienfluggesellschaften wie TUIfly wollen neue Maschinen idealerweise einige Wochen oder Monate vor der Hauptreisezeit übernehmen. Im Mai oder Juni aber, wenn alle Kräfte darauf ausgerichtet sind, den Flugplan möglichst ohne Ausfälle durchzuführen, haben sie keine Zeit, sich um neue Jets zu kümmern.

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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