Es gibt Kirchenleute, die heikle Themen mit sehr viel Diplomatie umschiffen. Und es gibt solche, die gerade bei heiklen Themen ihre Stimme erheben. Zur letzten Sorte gehört Abtprimas Notker Wolf. Er hält mit seiner Meinung nicht zurück, sondern fordert den Disput manchmal geradezu heraus. Er ist unbequem und klar im Wort, selten aber vergreift er sich im Ton. Managern, Gewerkschaftern, Arbeitslosen, ja sogar dem Papst hat der heute 70-jährige Mönch schon die Leviten gelesen. Er verschont keinen und er bricht Tabus.
Nun wird Notker Wolf mit der Ludwig-Erhard-Medaille ausgezeichnet. Er habe "die Diskussion über die Entwicklung der Sozialen Marktwirtschaft, insbesondere zu Fragen nach der Ausgestaltung von Sozialleistungen, bereichert und belebt", begründet die Ludwig-Erhard-Stiftung ihre Entscheidung. Wolf trete für eine freiheitliche Gesellschaftsordnung ein, für Eigenverantwortung der Bürger und den subsidiären Staat.
"Die Menschen müssen lernen, bestimmte Gewohnheiten zurückzuschrauben, und sie sollten überlegen, was sie an Zusatzarbeit machen können. Arbeiten, egal was, ist immer noch besser, als nur von staatlicher Stütze zu leben", sagt Wolf. Für ihn hat der Sozialstaat nichts mit Päppelei zu tun. Er selbst hat sich der Ordensregel des Benedikt von Nursia (450 bis 547) verpflichtet; sie lautet "Ora et labora" (Bete und arbeite). Der persönliche Einsatz sei es, der uns weiterbringe, nicht der Selbstbedienungsladen. Für sein Buch "Worauf warten wir?", in dem er zu mehr Verantwortung aufruft, bekam er 2007 den Wolfram-Engels-Preis der Stiftung Marktwirtschaft.
Notker Wolf ist seit September 2000 der weltweit höchste Repräsentant des Benediktinerordens, dem etwa 25000 Frauen und Männer angehören. Damit leitet er auch die Primatialabtei Sant' Anselmo in Rom, zu der die gleichnamige päpstliche Hochschule und ein Studienkolleg gehören.
Abt an der E-Gitarre
Bekannt wurde Wolf auch als rockender Abt an der E-Gitarre. Er kokettiert damit, AC/DC-Fan zu sein und "Stairway to heaven" (Treppe zum Himmel) von Led Zeppelin zu seinen Lieblingssongs zu zählen. Er wurde am 21. Juni 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu geboren. Sein weltlicher Name ist Werner Wolf. Notker OSB ist sein Ordensname, OSB steht für Ordo Sancti Benedicti und ist die Abkürzung für Benediktinermönche. Wolf trat nach dem Abitur als Novize in das Benediktiner-Kloster St. Ottilien ein und wurde 1968 Priester. Er studierte Philosophie und Theologie und promovierte zum Dr. phil.
Die Ludwig-Erhard-Medaille wird seit 1976 an Menschen verliehen, "die sich durch beispielhafte Leistungen für das Gesamtwohl und den Bestand und die Fortentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft und der sie tragenden Prinzipien besonders verdient gemacht haben". Zuletzt erhielt der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhoff diese Auszeichnung.