Loewe:Fortsetzung folgt

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Manfred Baron von Ardenne (hier im Jahr 1931) entwickelte Elektronenröhren für Loewe. (Foto: Imago)

100 Jahre Tradition - doch vor einem Jahr war Schluss bei Loewe. Eine russische Unternehmerfamilie versucht sich nun an einem überraschenden Comeback. Kann das gelingen?

Von Uwe Ritzer, Kronach

Das Ende war nicht überraschend. Zwei Jahrzehnte lang kämpfte Loewe bereits ums Überleben, und es war klar, dass die Sache irgendwann schiefgehen würde. Auch wenn sich immer wieder neue Eigentümer und Investoren fanden, die Geld in den latent angeschlagenen Fernsehgerätehersteller steckten. Loewe - der Name hat schließlich Klang. Vor fast 100 Jahren in Berlin gegründet, verdanken die Deutschen der Firma immerhin die erste Radio- und die erste Fernsehübertragung.

Doch im Sommer 2019 war Sendeschluss. Loewe war ausgelaugt, die Kassen waren leer und Reserven nicht mehr vorhanden. Der wichtigste Geldgeber, der Finanzinvestor Riverrock, weigerte sich, zusätzlich zu bereits investierten 30 Millionen Euro weitere neun Millionen in Form eines Massedarlehens nachzuschießen. Loewe gelang es immer schlechter, Fernseher "Made in Germany" zu verkaufen, die ein Mehrfaches dessen kosten, was die asiatischen Marktführer Samsung, Panasonic, LG oder Sony für ihre Geräte verlangen. Am 1. Juli 2019 sperrte der Insolvenzverwalter den Betrieb am Firmensitz im fränkischen Kronach zu und machte sich an die Abwicklung. Die letzten 400 Beschäftigten erhielten ihre Kündigungen.

Dann aber tauchten kurz vor Weihnachten plötzlich Aslan Khabliev und sein Vater Vladislav auf der Bildfläche auf. Mit ihrer auf Zypern registrierten Sytec Group Ltd. übernahmen die russischen Geschäftsleute mit Wohnsitz in der Schweiz und familiären Wurzeln in Nordossetien im Kaukasus Loewe. In der Branche und in Kronach glaubten viele, den Grund zu kennen: den Markennamen. Der sei das wertvollste Überbleibsel, hieß es. Ein echtes Comeback konnte sich niemand vorstellen.

Loewe beschäftigt wieder 130 Menschen, Tendenz steigend

Doch zehn Monate später werden wieder Loewe-Fernseher in Kronach produziert. Einige Dutzend Arbeiter montieren besonders aufwendige und entsprechend teure Geräte mit hochauflösender OLED-Technologie. 100 000 pro Jahr ist vorerst das Produktionsziel. Auch Entwickler, Vertriebs-, Marketing- und Verwaltungspersonal ist zurück in den Büros und Werkhallen unterhalb der mächtigen Stadtfestung, alles in allem zählt Loewe wieder 130 Beschäftigte, Tendenz steigend.

"Die Verkäufe legen aktuell zu", sagt Aslan Khabliev. "Wir werden dieses Jahr trotz der schwierigen Umstände mit Corona eine schwarze Null schreiben." Wir, das ist die neu gegründete Loewe Technology GmbH. Von 50 Millionen Euro Umsatz 2020 ist die Rede, in fünf Jahren sollen es 300 Millionen sein. "Die gehen mit breiter Brust voran", sagt ein Brancheninsider. "Und vor allem der Fachhandel ist froh, dass es Loewe als Alternative zu den asiatischen Marken wieder gibt."

Ein bis zwei Wochen im Monat ist Aslan Khabliev in Kronach, um sich vor Ort um die Neuerwerbung zu kümmern. Dem Vernehmen nach hat er mit seiner Skytec bei der Übernahme den chinesischen Hisense-Konzern überboten, von dem Loewe allerdings, ebenso wie von LG, Teile bezieht. Für den Neustart haben die Khablievs viele Loewe-Veteranen wie Christian Alber zurückgeholt, der für seinen Job als operativer Geschäftsführer 24 Jahre Erfahrung in der Firma mitbringt. Aber auch ein paar neue Leute wie Verkaufschef Jose Barreiro Lopez wurden angeheuert. Der Brite hat ein Vierteljahrhundert in anderen Elektronik-Firmen wie Sony, Siemens, Ericsson und zuletzt Bang & Olufsen hinter sich.

Nach eigenen Angaben haben Aslan Khabliev und seine Familie bereits 40 Millionen Euro in den Neustart von Loewe investiert. Über ihren geschäftlichen Hintergrund gibt es nur spärliche Informationen. Einer Schweizer Journalistin erzählte Vladislav Khabliev einmal, er habe in der Sowjetunion eine der größten Tabakproduktionen geleitet und nach der Wende unter anderem als Berater des Tabakkonzerns Philipp Morris gearbeitet. Seit 1996 in der Schweiz ansässig, betrieben die Khablievs später eine Produktionsfirma für CDs und DVDs, sowie Fernsehgerätefabriken in der Slowakei und in Polen. Letztere verkauften sie 2017 und 2019 an Sharp; für den japanischen Elektronikkonzern hatten die Khablievs obendrein jahrelang exklusive Vertriebsrechte in Europa.

Nach wie vor kosten Loewe-Geräte zumeist mehr als die von asiatischen Massenherstellern

"Ich bin lange genug mit großem Erfolg in diesem Geschäft und kenne es von allen Seiten her", sagte Aslan Khabliev bei einem Videotelefonat Anfang November. Allerdings klingen die Pläne, mit denen er Loewe zurück ins Geschäft bringen will, kaum anders als jene der früheren Eigentümer: Hohe Qualität in Sachen Technik, hohe Ansprüche beim Design. Aber nach wie vor kosten Loewe-Geräte im Durchschnitt deutlich mehr als solche asiatischer Massenhersteller. Fertigung im Ausland (von den in Kronach montierten Top-Modellen abgesehen) soll sie allerdings günstiger machen. Für Anfang 2021 haben die neuen Eigentümer eine neue Marke angekündigt: "We. by Loewe" soll mit niedrigeren Preisen jüngere Käufer anlocken.

Jünger, günstiger - das hat man schon öfter gehört bei Loewe. Warum sollte ausgerechnet den Khablievs das Comeback gelingen? Vor der Übernahme habe er sich "die Zahlen genau angesehen", sagt Aslan Khabliev. Er glaubt zu wissen, woran seine Vorgänger gescheitert sind. "In der Vergangenheit hat meines Erachtens die Kostenstruktur nicht gestimmt. So hat die Firma nicht überleben können."

Zumindest im Handel hat er Vertrauen zurückgewonnen; bei einer Roadshow kamen die Geräte und seine Pläne bei Teilnehmern und Fachmedien gut an. Die Versorgung mit neuen Geräten und Ersatzteilen, die schon vor dem zeitweisen Aus im vorigen Jahr immer schlechter funktioniert hatte, klappt wieder. In die Karten spielt Khabliev auch, dass der TV-Gerätemarkt (auch dank Corona) wächst - in den ersten drei Quartalen wurden hierzulande 4,6 Millionen TV-Geräte verkauft, 5,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Macht ein Umsatzplus von 5,5 Prozent. Mit der Stadt Kronach verhandelt Khabliev gerade über den Ankauf des Werksgeländes, in das er 25 Millionen Euro investieren will. Denn eines sei klar, sagt er: "Unsere Pläne für Loewe sind langfristig und nachhaltig ausgelegt."

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