Linde-Chef Belloni:Linde will Fusion mit Praxair schnell durchziehen

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Stolze Tradition: Doch wie viel von Linde bleibt noch in München, wenn der Konzern aus den USA gesteuert wird und die Aktie in New York notiert? (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Vorstandschef-Chef Aldo Belloni will die Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair "bis Ende April" geregelt haben.

Von Karl-Heinz Büschemann und Caspar Busse, München

Morgens muss sich Aldo Belloni, 66, ein wenig umgewöhnen. Wenn der Italiener im vierten Stock der Linde-Hauptverwaltung aus dem Aufzug kommt, muss er jetzt links und nicht mehr rechts abbiegen, um zu seinem Büro zu kommen. Bis 2014 hatte Belloni hier als Vorstandsmitglied gearbeitet, dann ging er nach 35 Jahren in den Ruhestand. Anfang Dezember 2016 wurde er von Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, 67, zurückgeholt - und zum neuen Vorstandsvorsitzenden befördert.

Er hat eine heikle Mission. Der ruhige Linde-Rentner soll die von Reitzle geplante Fusion von Linde mit dem US-Konkurrenten Praxair durchboxen. Der Plan, der einen Weltmarktführer für Industriegase schaffen soll, war im Sommer 2016 im ersten Anlauf spektakulär gescheitert. Vorstandschef Wolfgang Büchele und Finanzchef Georg Denoke mussten gehen. Reitzle sah aus wie der Blamierte. Kurz vor Weihnachten einigten sich beide Seiten dann doch noch auf ein Eckpunkte-Papier.

Aber auch jetzt gibt es Gegenwind für den ehrgeizigen Aufsichtsratschef. Die Abschottungspolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump macht die Sache schwierig. "Es ist derzeit sicher nicht leicht vorstellbar, sich mit den USA enger zu verbinden", räumte auch Vorstandschef Belloni im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung ein. Dennoch, fügte er hinzu: "Wir halten an unserem Plan fest, wir sind von der Logik überzeugt."

Die Zeit drängt. "Unser Bestreben ist es, bis Ende April fertig zu sein und uns bis dahin auf eine bindende Fusions-Vereinbarung zu verständigen, in der alle Einzelheiten geregelt sind", betonte Belloni. Am 10. Mai soll in München die Hauptversammlung von Linde stattfinden. Bis zu diesem Treffen der Aktionäre soll alles fertig verhandelt sein. Die Zustimmung der Investoren braucht Reitzle zwar nicht, aber als Stimmungstest ist das wichtig. Abgeschlossen werde die Transaktion aber wohl erst im ersten Halbjahr 2018. So lange dauern wohl alle kartellrechtlichen Prüfungen des 60-Milliarden-Dollar-Geschäfts. Am Ende müssen mindestens 75 Prozent der Anteilseigner ihre Linde-Aktien in Papiere des neuen Konzerns tauschen, um die Fusion klarzumachen.

Gegen Chefaufseher Reitzle ermittelt die Finanzaufsicht

Beide Seiten betonen, das Zusammengehen solle "auf gleicher Augenhöhe" erfolgen. Die Hauptverwaltung des neuen Unternehmens, das den Namen Linde tragen wird, soll aber in Danbury im US-Bundesstaat Connecticut sein. Welche Funktionen in München bleiben werden, wird noch verhandelt. Praxair-Boss Stephen Angel wird neuer Vorstandschef, auch der Finanzchef wird aus den USA kommen. Reitzle soll den angesehenen Posten des Chairman erhalten, der im amerikanischen Management-System wesentlich mehr Kompetenzen hat als ein deutscher Aufsichtsratschef. Die neue Aktie wird in New York und Frankfurt notiert sein.

Institutionelle Investoren stehen dem Plan offenbar positiv gegenüber, heißt es. Auch Analysten sehen das Zusammengehen als Chance. Die wichtigste Begründung des Linde-Managements für den Zusammenschluss ist, dass Unternehmen, die an der New Yorker Börse notiert sind, in der Regel höher bewertet werden als Unternehmen, die nur in Frankfurt gelistet sind.

Doch inzwischen gibt es neuen Widerstand der Arbeitnehmer gegen den Zusammenschluss. Sie hatten dazu beigetragen, dass die Verhandlungen im Sommer scheiterten. "Linde braucht Praxair nicht", sagt jetzt Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler zu dem Geschäft. Ein gleichberechtigter Zusammenschluss erscheine zunehmend fraglich, die Sache gehe zu Lasten der 8000 Linde-Beschäftigten in Deutschland.

Ein Grund für den Widerstand der Arbeitnehmervertreter ist, dass sich Linde-Stratege Reitzle mit heiklen Ermittlungen der deutschen Finanzaufsicht Bafin herumschlagen muss. Reitzle soll im vergangenen Jahr Linde-Aktien gekauft haben, als die Gespräche über die Fusion mit den Amerikanern schon im Gange waren. Das wäre ein verbotenes Insidergeschäft, was erhebliche Folgen haben könnte. Dass die Untersuchungen der Bafin noch Monate andauern werden, halten die Arbeitnehmer für ein Risiko. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Reitzle, der sich als Garant für die deutschen Interessen empfohlen hat, für die künftige Aufgabe nicht mehr zur Verfügung stehen kann.

Linde beschwichtigt. "Die Interessen der Belegschaft werden berücksichtigt", sagt Belloni. Ein Beschäftigungspakt sehe vor, dass es "bis Ende 2021 keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird". Auch den Sorgen um den Verkauf des Anlagenbaus begegnet Belloni. "Der bleibt Bestandteil der Familie. Die Sparte wird fest in Deutschland verankert und rechtlich unabhängig." Ein Verkauf oder ein Börsengang sei nicht geplant. Ex-Ruheständler Belloni hat offenbar selbst keine Ambitionen im neuen Konzern. "Mein Vertrag läuft bis Ende 2018", sagt er, "ich habe nicht vor, länger als notwendig zu bleiben."

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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