Liechtenstein:Eingeschnappt

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Nummernschild mit Flagge: Liechtenstein steht wieder auf einer schwarzen Liste. Die Regierung hält das für ungerecht. (Foto: Valentin Flauraud/Bloomberg)

Die EU stellt den Kleinstaat als Steueroase an den Pranger - dabei hat das Land das Bankgeheimnis schon aufgegeben.

Von Uwe Ritzer, München

Am Freitag war Katja Gey noch in Brüssel bei der EU-Kommission und sie sagt, sie sei mit dem sicheren Gefühl zurückgeflogen, "dass wir kein Problem mit der EU haben." Gey ist seit Jahren die Chefunterhändlerin Liechtensteins in Sachen Steuerabkommen mit dem Ausland. Es sind Abkommen, die das Fürstentum vom Verruf einer Steueroase befreien sollen. Doch kaum war Katja Gey wieder zu Hause, veröffentlichte die EU eine schwarze Liste mit 30 eben solchen Steueroasen. Ländern, die sich der grenzübergreifenden Jagd nach Steuerbetrügern verweigern. Auch Liechtenstein steht darauf - und damit wieder international am Pranger.

Eine Frage ist allerdings, wie viel die Liste wert ist. So fehlt darauf die Schweiz, was absurd ist. Viele der 30 genannten juckt die EU-Liste wenig, denn bei Inselstaaten in der Karibik, dem indischen oder pazifischen Ozean hält sich der Respekt vor der Brüsseler Kommission in Grenzen. Auch in Monaco, Andorra und auf der Kanalinsel Guernsey, den anderen Europäern auf der Liste, ist die Bestürzung überschaubar. In Liechtenstein ist das anders. Denn für das Fürstentum geht es um viel.

Entsprechend reagierte die Regierung in Vaduz erschrocken und empört. "Entschieden" wies sie "den Vorwurf der fehlenden Steuerkooperation mit der EU" zurück. Gey nennt die Klassifizierung als Streueroase "völlig überraschend, absurd und unrichtig." Erst am Freitag habe sie in Brüssel über Details des automatischen Informationsaustauschs verhandelt, den Liechtenstein ab 2017 mit den EU-Staaten praktizieren werde, früher als viele andere Länder wie die Schweiz. "Wir stehen kurz vor dem Abschluss des entsprechenden Abkommens", sagt Gey. "Dieses Vorgehen der EU-Kommission gegenüber einem langjährigen und absolut zuverlässigen Vertrags- und Verhandlungspartner empfinden wir als total ungerechtfertigt."

Selbst die sonst finanzplatzkritische Opposition in Liechtenstein ärgert sich. "Wir tun seit Jahren mit der Regierung zusammen alles, um den Finanzplatz neu und transparent auszurichten", sagt Helen Konzett Bargetze von der Partei Freie Liste.

Tatsächlich hat sich viel getan seit 2008. Bis dahin war Liechtenstein ein uneinnehmbarer Schwarzgeldbunker. In speziellen Stiftungen, Briefkastenfirmen und anderen undurchsichtigen Konstrukten versteckten vor allem die Treuhänder des Landes ohne nachzufragen das Schwarzgeld und noch schmutzigere Einlagen von Anlegern aus der ganzen Welt. Aus Deutschland kamen besonders viele Kunden. Dann aber flogen 2008 nach einem Datenklau bei der Treuhandsparte der Fürstenbank LGT Tausende solcher Anleger aus vielen Ländern auf; der bekannteste hierzulande war Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel. Liechtenstein geriet unter internationalen Druck und versprach, ein sauberer Finanzplatz zu werden. Also nur noch versteuertes Geld anzunehmen und anderen Ländern Auskunft zu geben, wenn die sich nach Zinserträgen ihrer Bürger in Liechtenstein erkundigen.

Inzwischen hat Katja Gey für Liechtenstein mit mehr als 30 Staaten entsprechende bilaterale Abkommen ausgehandelt. Ab 2017 sollen die Informationen sogar automatisch fließen, was de facto das Ende des strikten Liechtensteinischen Bankgeheimnisses alter Prägung bedeutet.

"Das Vorgehen der Kommission empfinden wir als total ungerechtfertigt."

Im Fürstentum selbst ist das keineswegs umstritten. Die bürgerlich-konservative Regierung und auch die kleine Opposition ziehen die Weißgeldstrategie durch. Sie fürchten andernfalls eine internationale Ächtung, die sich das kleine Land (36 000 Einwohner) mitten in Europa nicht leisten kann. Unter den zahlreichen und einflussreichen Treuhändern allerdings rumort es. Ihr Jahrzehnte lang sehr einträgliches Geschäftsmodell geht dahin, wenn es keine Stiftungen mehr zu verwalten gibt. Deren Zahl sank binnen sieben Jahren von mehr als 50 000 auf weniger als 20 000. Dass die EU nun Liechtenstein erneut auf eine schwarze Liste setzt, trifft das Land daher in einer sensiblen Phase.

Markus Meinzer findet es trotzdem gerechtfertigt. "Liechtenstein ist nach wie vor sehr intransparent, da sehe ich noch viel Nachholbedarf", sagt der Experte vom internationalen Netzwerk Steuergerechtigkeit. Zumal sich viele Akteure am Finanzplatz als Ersatz für fernbleibende deutsche Steuerhinterzieher in Entwicklungs- und Schwellenländern neue zweifelhafte Kundschaft suchen und ihre fragwürdigen Geschäfte verlagern. Nach Panama zum Beispiel.

Mehr noch als damit dürfte das Vorgehen der EU dem Umstand geschuldet sein, dass die Mitgliedsstaaten ihrerseits schwarze Listen über Steueroasen führen. In knapp einem Dutzend dieser Länder, darunter Spanien, Portugal und Italien, steht Liechtenstein mit drauf. In der Regel, weil das Fürstentum mit diesen Staaten noch keine bilateralen Abkommen geschlossen hat wie etwa mit Deutschland. Diese nationalen Listen wurden nach Brüssel gemeldet und dort übernommen.

Doch mit rein formalen Argumenten lässt sich die Wirkung der EU-Liste nicht wieder wegwischen. Der Reputationsschaden für Liechtenstein bleibt. Die "unerfreuliche Entwicklung" zeige, "dass man in den Kooperationsbemühungen nicht nachlassen darf und nichts unversucht lässt, um solche Situationen zu vermeiden", sagt Heinz Frommelt, Ex-Justizminister und Anwalt in Vaduz.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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