Leitzinsen:Hört die Signale

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Jedes Wort zählt: Fed-Chef Jerome Powell hielt eine Rede, die viele als Hinweis deuteten, dass bald die Zinsen sinken könnten. (Foto: Mandel Ngan/AFP)

Fed-Chef Powell lässt in einer Rede ein paar Wörter weg, und die Börsen reagieren erleichtert.

Von Valentin Dornis, München

Wer in der Wirtschaft wichtig ist und etwas sagt, sollte immer vorsichtig sein. Schließlich könnten die Reaktionen dramatisch ausfallen. Besonders streng gilt diese Regel allerdings für Notenbanker: Wenn sie etwas sagen, dann achtet das Publikum auf jedes Wort - jedes gesprochene und jedes weggelassene. Insofern war es nur auf den ersten Blick eine unspektakuläre Rede, die Jerome Powell diese Woche bei einer Konferenz in Chicago hielt. Der Chef der Federal Reserve (Fed) sagte viel Bekanntes; im Zusammenhang mit den Handelsauseinandersetzungen etwa, dass die Zentralbank "angemessen reagieren" werde, um den leichten Aufschwung der US-Wirtschaft zu stützen. Und zwar mit einem "starken Arbeitsmarkt" und einer Inflation "nahe" dem Zwei-Prozent-Ziel.

Doch für Aufregung sorgte, was er nicht sagte: Anders als bei vergangenen Äußerungen verzichtete Powell in seiner Rede auf übliche Schlüsselwörter für die Zinsentwicklung. Zum Beispiel auf die Formulierung, die Fed werde bei den Zinsentscheidungen "geduldig" vorgehen. Wie wichtig das ist, zeigten die Reaktionen an der Börse: Die meisten großen Indizes legten am Dienstag ordentlich zu, der S&P 500 um 2,1 Prozent, der Index der Technologiebörse Nasdaq stieg um 2,7 Prozent. Investoren deuteten die Äußerungen Powells als Signal, dass die Fed ihre Leitzinsen künftig senken könnte. Zuletzt waren die Sorgen wegen der Handelspolitik der US-Regierung groß: Die hatte erneut hohe Strafzölle auf Waren aus China und Mexiko verhängt, zwei der wichtigsten Handelspartner der USA. Unternehmen und Investoren fürchten, dass diese Maßnahmen das Wirtschaftswachstum bremsen könnten.

Die Fed scheint nun also anzudeuten, dass sie im Notfall bereit ist, einzugreifen. Doch sie hat bei ihren Zinsentscheidungen ein grundsätzliches Problem: Sie ist formal unabhängig von der US-Regierung, doch jede Entscheidung könnte als politisches Signal gedeutet werden. Präsident Donald Trump hatte seit Monaten immer wieder gefordert, die Zentralbank solle die Zinsen senken und so versucht, Druck auf die Fed aufzubauen. Er hoffte, dass niedrigere Zinsen das Wachstum treiben und so kurzfristig seine Politik unterstützen. Passt die Fed den Zinssatz nun tatsächlich nach unten an, könnte das wie ein Nachgeben wirken - auch wenn der eigentliche Grund dafür reale wirtschaftliche Entwicklungen sind und nicht der Einfluss des Präsidenten.

Wie Trump solche Signale wiederum interpretiert und für sich nutzt, wird sich zeigen. Beobachter fürchten schon, er könne die positive Entwicklung an den Börsen als Bestätigung für seinen harten Kurs in der Handelspolitik sehen. Und nicht als Erleichterung darüber, dass die Fed mögliche negativen Folgen dieser Politik abfedern will.

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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