Lebensmittel:Sehen, was drin ist

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Viele Deutsche essen zu viel Fett und Zucker, warnen Mediziner. Verbraucher sollen nun über vier mögliche Nährwert-Logos abstimmen, die über Inhaltsstoffe informieren. Gute Chancen hat ein Modell aus Frankreich.

Von Markus Balser, Berlin

Wie gesund Lebensmittel sind? Wer das im Supermarkt herausfinden will, muss sich Zeit nehmen. Die obligatorischen Nährwerttabellen auf den Verpackungen sind meist schwer zu entschlüsseln. Abhilfe schaffen soll nun ein neues Logo. Am Donnerstagabend einigten sich die große Koalition, Verbraucherschützer und Ernährungsbranche, welche vier Systeme dafür infrage kommen. Verbraucher sollen nun darüber entscheiden, welches Logo kommt.

Die Modelle werden nun im Juli und August zunächst in einer Verbraucherbefragung auf Verständlichkeit hin untersucht. Vorgesehen sind Gruppendiskussionen mit acht bis zehn Teilnehmern in mehreren Städten in Deutschland. Die Entscheidung bringen soll dann eine repräsentative Umfrage mit mindestens 1000 Befragten. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) kündigte an, für sie solle das Ergebnis maßgeblich sein. "Wir haben keine Präferenz."

Gute Chancen hat das aus Frankreich stammende Modell Nutri-Score, für das sich Verbraucherschützer und Teile der großen Koalition aussprechen. Es bezieht neben dem Gehalt an Zucker, Fett und Salz auch empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe oder Proteine in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an - auf einer fünfstufigen Skala von dunkelgrün bis rot. Große Lebensmittelkonzerne arbeiten bereits mit dem System. Getestet werden sollen außerdem das "Keyhole"-Modell aus Skandinavien mit einem weißen Schlüsselloch auf grünem Grund, das eine positive Nährwertbewertung anzeigt. Teil der Befragungen sind daneben zwei noch nicht in der Praxis eingesetzte Modelle: Ein vom bundeseigenen Max-Rubner-Forschungsinstitut entwickeltes Logo, das genauere Informationen über einzelne Inhaltsstoffe liefert und ein Label, das der Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft BLL vorgeschlagen hat. Ernährungsforscher fordern dringend eine klarere Kennzeichnung. Wer etwa zu viel Zucker isst, nimmt mit großer Wahrscheinlichkeit zu und steigert das Risiko für Herzkreislauferkrankungen wie Bluthochdruck, Schlaganfälle und Herzinfarkte. Auch das Diabetes-Risiko steigt. Ärzteverbände warnen vor den Folgen. Sie kosteten das Gesundheitssystem etwa 63 Milliarden Euro im Jahr.

Fachleute werfen Klöckner vor, nicht entschieden genug vorzugehen und fordern statt des geplanten freiwilligen Logos eine Verpflichtung. Die Erfahrung aus Ländern mit freiwilligen Systemen zeige, dass sie höchstens auf 25 Prozent der Produkte landen - und nur selten auf problematischen. Klöckner verweist dagegen darauf, dass ein verpflichtendes nationales System europarechtlich nicht möglich sei. Das Max-Rubner-Institut für Verbraucherschutz fordert deshalb, wenigstens schnell mit dem freiwilligen Label zu beginnen. Man könne es sich nicht leisten, nichts zu tun, sagte Präsident Pablo Steinberg.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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