Lebensmittel:Gesund oder nicht gesund?

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Die verschiedenen Kennzeichen im Überblick: Nutri-Score (o.l.), das Modell des Max-Rubner-Instituts (o.r.), das vom Lebensmittelverband BLL (u.l.) und Keyhole aus Schweden (u.r.). (Foto: oh)

1600 Menschen entscheiden über das neue Lebensmittellabel. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) will das Ergebnis der Umfrage für ihr weiteres Vorgehen nutzen.

Von Tobias Bug, München

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) will ein Lebensmittellabel einführen, um Kunden im Supermarkt eine Orientierung zu geben, welche Lebensmittel gesund sind und welche nicht. Welches Label, das lässt sie die Verbraucher selbst entscheiden - genauer: 1600 zufällig ausgewählte Vertreter, die sich für eines der vier vorgeschlagenen entscheiden sollen. Anfang der Woche begannen Meinungsforscher der Info GmbH die Erhebung, die aufgeteilt ist in zwei Teile: Im ersten, dem qualitativen Teil, werde in zehn sogenannten "Fokusgruppen" diskutiert, welche Anforderungen an die Labels gelten sollten und wie verständlich sie sind, erklärt Holger Liljeberg, Geschäftsführer der Info GmbH. Dann werde ein Fragenkatalog erstellt für die anschließende repräsentative Erhebung. Von Ende August an sollen 1600 Menschen auf der Straße und im Internet gefragt werden, welches der Label sie favorisierten. Die Teilnehmer, zufällig ausgewählt, sollen hinsichtlich Alter, Geschlecht, Bildung und Wohnort durchmischt sein.

Klöckner hat angekündigt, das Ergebnis der Umfrage werde für ihre Entscheidung "maßgebend" sein. "Die Umfrage ist eigentlich ein Scheinreferendum", sagt deshalb Wolfgang Merkel, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Der Unterschied zur Volksabstimmung: "Das Ergebnis ist gesetzlich nicht bindend und muss noch durch eine Schleuse, das Parlament." Merkel findet es sinnvoll, die Verbraucher mitentscheiden zu lassen. Die kleine Stichprobe sei kein Problem: Die Teilnehmer würden repräsentativ ausgewählt.

Renate Künast (Grüne) hält wenig von der Befragung: "Eine Umfrage ist es nicht, denn das Ergebnis soll bindend sein. Wegen der Bindungswirkung sieht es aus wie ein Referendum, aber mit so einem niedrigen Teilnahmequorum würde die CDU es an anderer Stelle nie akzeptieren." Künasts Fazit: Die Ministerin habe Angst, selbst zu entscheiden. Uwe Engel, Professor für empirische Sozialforschung an der Uni Bremen, sagt: "Eine Umfrage zur alleinigen Basis für eine politische Entscheidung zu nehmen, ist sicherlich diskussionswürdig." Umfragen könnten zwar einen wichtigen Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung leisten, die öffentliche Meinung sollte aber nicht auf Umfrageergebnisse reduziert werden - schon gar nicht auf ein einziges. Außerdem: "Auch methodisch seriös durchgeführte Umfragen bleiben grundsätzlich fehleranfällig."

Auch Verbraucherschützer kritisieren Klöckners Vorgehen. Oliver Huizinga von Foodwatch, sagt: "Es macht den Anschein, dass Julia Klöckner die Umfrage dazu nutzen möchte, die Einführung einer verständlichen Nährwertkennzeichnung weiter zu verzögern." Seit Jahren werde die Lebensmittelampel schon gefordert. In Frankreich habe sie sich bewährt, die Menschen kauften gesünder ein. Der französische Nutri-Score, in der Umfrage auch zur Auswahl, sei wissenschaftlich gut erforscht und könne sofort eingeführt werden, so Huizinga weiter.

Ob das die 1600 Vertreter der deutschen Verbraucher auch so sehen, ist erst im Herbst bekannt. Dann nämlich soll das Ergebnis feststehen - und Klöckner das Label der Wahl einführen. Nicht verpflichtend, versteht sich, sondern auf freiwilliger Basis.

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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