Landwirtschaft:Dürre Zeiten

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Union und SPD hatten zum Start der großen Koalition vereinbart, die Anwendung des Unkrautvernichters Glyphosat so schnell wie möglich zu beenden. Geschehen ist bisher nicht viel. (Foto: Imago)

Deutschlands Bauern befürchten wegen der anhaltenden Trockenheit weitreichende Folgen für die Ernte. Nun verbietet Österreich den Einsatz von Glyphosat. Dadurch wächst hierzulande der politische Druck.

Von Markus Balser, Dallgow-Döberitz

Die Erde ist trocken, Wind und Schuhe wirbeln Staub auf. Bei jedem Schritt knacken trockene Halme unter den Schuhen. Landwirt Willi Groß hat auf einem Acker in Brandenburg bei Dallgow-Döberitz den Deutschen Bauernverband zu Gast. Der will zwischen Heuhaufen und Mähdreschern bei einer Pressekonferenz zeigen, was auch in diesem Jahr für eine gute Ernte fehlt: Wasser. "Das Getreide hört einfach auf, zu wachsen", sagt Groß auf seinem trockenen Acker.

Der Deutsche Bauernverband rechnete noch an seiner Ernteprognose, da kam bereits am Vorabend aus Wien eine ganz andere Schreckensnachricht für den Verband. Das österreichische Parlament, der Nationalrat, beschloss, dass Österreich als erstes EU-Land den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat komplett verbietet. "Die wissenschaftlichen Beweise für eine krebserregende Wirkung des Pflanzengifts mehrten sich, sagt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zum Antrag ihrer Partei.

Auch in Deutschland hatten Union und SPD zum Start der großen Koalition vereinbart, "die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden". Geschehen ist allerdings bislang nicht viel. Doch mit dem Votum des Parlaments im Nachbarland wächst auch in Deutschland der politische Druck, den Stoff entschlossener aus dem Verkehr zu ziehen. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) drängt nun auf einen Ausstieg bis 2023. Die Entscheidung des österreichischen Nationalrates bedeute dafür Rückenwind, sagt ein Sprecher des Ministeriums.

Die Regressforderungen der Hersteller von Glyphosat könnten hoch sein

Doch es könnte wohl auch schneller gehen. Bislang hält vor allem Ressortkollegin Julia Klöckner (CDU) aus dem Agrarministerium ein komplettes Verbot national für nach EU-Recht unmöglich. Aus Sicht des Landwirtschaftsministeriums drohten in diesem Fall hohe Regressforderungen durch Hersteller wie den Chemiekonzern Bayer. Klöckner will einige Ausnahmen für die Glyphosat-Nutzung in der Landwirtschaft vorerst erhalten. Doch kommt Österreich mit dem Verbot durch, werde sich auch die Bundesregierung dem öffentlichen Druck beugen müssen, heißt es nun aus der großen Koalition.

Zuletzt war auch in Deutschland etwas Bewegung in die zuletzt sehr zögerlichen Ausstiegsbemühungen gekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vergangene Woche im Bundestag angekündigt, dass die Regierung voraussichtlich im September ein gemeinsames Konzept zum Umgang mit Glyphosat präsentieren werde. Schließlich habe man sich im Koalitionsvertrag den Ausstieg zum Ziel gesetzt.

Deutschlands Bauern machten am Mittwoch allerdings klar, dass sie einen Ausstieg für kaum praktikabel halten. Ackerbauern brauchten auch weiterhin die Möglichkeit, Glyphosat einzusetzen, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Auch eine Verlängerung auf EU-Ebene hält Rukwied für möglich. Mehrere EU-Länder machten sich für eine weitere Verlängerung stark, sagte der Verbands-Präsident. In der EU ist das Mittel eigentlich nur noch bis Ende 2022 zugelassen.

Glyphosat ist der Wirkstoff des Pflanzengifts Roundup der US-Firma Monsanto, die Bayer im vergangenen Sommer für 63 Milliarden Dollar übernommen hatte. Der Konzern steht deshalb stark unter Druck und sieht sich in den USA mit rund 13 000 Klägern konfrontiert, die ihre Krebserkrankung auf das Herbizid zurückführen. Glyphosat zählt zu den weltweit am häufigsten verwendeten Unkrautvernichtern. Das Mittel wird inzwischen auch von anderen Chemiekonzernen vertrieben.

Im vergangenen Jahr war die Ernte besonders schlecht ausgefallen

Deutschlands Bauern warnen derweil erneut vor einer schwachen Ernte. Vor allem im Norden und Osten Deutschland kämpfen die Landwirte nach Angaben ihres Verbands erneut mit der anhaltenden Trockenheit.

Insgesamt werden in Deutschland nach der Prognose des Bauernverbands etwa 47 Millionen Tonnen Getreide erwartet - rund eine Million weniger als zwischen 2013 und 2017 durchschnittlich eingeholt wurden. Das vergangene schlechte Erntejahr rechnete der Bauernverband in die Statistik nicht ein. Es war wegen der Dürre besonders schlecht ausgefallen.

Rukwied appellierte an den Bund, mehr Möglichkeiten zur Selbsthilfe für Agrarbetriebe zu schaffen. "Wir wollen keine dauerhafte staatliche Hilfe", stellte er mit Blick auf die Millionenhilfen nach dem vergangenen Dürrejahr klar. Bauern bräuchten aber Steuererleichterungen, um Rücklagen für schwache Jahre zu schaffen. "Extreme Wetterereignisse werden zunehmen", sagte Rukwied. Auch Landwirt Willi Groß rechnet damit, dass der Klimawandel die Lage der Bauern weiter erschwert.

"An der Uni hat man uns gesagt, dass Brandenburg mal zur Wüste wird", sagte Groß, Betriebsleiter des Agrarbetriebes in Dallgow-Döberitz. "Ich habe das nicht geglaubt. Aber ich muss es wohl überdenken."

© SZ vom 04.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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