Landwirtschaft:Nährstoff für Karlsruhe

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Ein ostfriesischer Bauer will beim Verfassungsgericht erstreiten, dass er wieder mehr düngen darf. Doch von der EU-Kommission in Brüssel kommen ganz andere Signale.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Leidenschaft von Jens Soeken gilt eigentlich dem ostfriesischen Grünland, aber an diesem Dienstag wirbelt er mit Paragrafen um sich, mit Artikeln und Verordnungen. Soeken, der sich mit anderen ostfriesischen Bauern zusammengetan hat, reicht es: Er zieht vor das Bundesverfassungsgericht. Denn Soeken will wieder düngen können wie früher.

Auf der ostfriesischen Geest bewirtschaftet Soeken einen Mutterkuhbetrieb samt Biogasanlage. Letztere funktioniert vereinfacht gesagt so: Hinein kommen zu 80 Prozent Schnitt von seinem Grünland. Unter dem Kuppeldach vergärt der Grünschnitt, dabei entsteht Biogas und letztlich grüner Strom. Übrig bleiben die Gärreste. "Wenn wir die wieder auf das Grünland ausbringen, haben wir einen geschlossenen Nährstoffkreislauf", sagt Soeken. Das waren früher 300 Kilogramm und mehr. Doch die neue Düngeverordnung erlaubt ihm seit diesem Frühjahr nur noch, 170 Kilo organischen Dünger je Hektar auszubringen. Diese Begrenzung soll das Grundwasser schonen: Gerade in weiten Teilen Niedersachsens leidet es unter den Nitratlasten, die vor allem Gülle als Dünger mit sich bringt. Bei Soeken aber ist das Grundwasser in Ordnung. Und darauf richtet sich die Verfassungsbeschwerde, die er am Dienstag eingereicht hat, unterstützt von den Freien Bauern, einem noch jungen Bauernverband.

Vertreten wird er von dem Potsdamer Anwalt Konrad Asemissen. Er will über Artikel 3 erstreiten, dass Soeken wieder nach "guter fachlicher Praxis" düngen kann. Artikel 3, "alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich", enthalte schließlich auch ein "Differenzierungsgebot", argumentiert Asemissen. "Der Gesetzgeber muss unterschiedliche Dinge unterschiedlich behandeln", sagt er. Obendrein habe es Formfehler bei der Novelle der Verordnung gegeben. Karlsruhe muss nun erst einmal prüfen, ob die Richter die Beschwerde überhaupt annehmen.

Die Düngeverordnung war auf Druck aus Brüssel verschärft worden, und ausgerechnet von dort kommt zeitgleich neuer Druck. Denn am Dienstag wurden auch Empfehlungen der EU-Kommission für die deutsche Agrarpolitik bekannt, sie liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Eine davon: weniger düngen. "Der Nährstoffüberschuss ist immer noch sehr hoch", heißt in dem Papier. "Speziell die Nitratwerte sind weitgehend über dem EU-Durchschnitt."

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