Künstliche Intelligenz:Wenn Maschinen selbständig lernen

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Künstliche Intelligenz wird zum Erfolgsfaktor im internationalen Wettbewerb. Doch Deutschland liegt im Vergleich zu den USA und China deutlich zurück.

Von Norbert Hofmann

Illustration: Alper Özer (Foto: N/A)

Der US-Mathematiker Marvin Minsky war sich schon vor mehr als 60 Jahren sicher, dass Maschinen so manche der vom menschlichen Gehirn vollbrachten Leistungen übernehmen könnten. Er hat recht behalten. Der Stuttgarter Technologiekonzern Robert Bosch etwa plant, dass bis etwa 2025 alle seine Produkte entweder über künstliche Intelligenz (KI) verfügen oder mit ihrer Hilfe entwickelt und produziert werden.

Was steckt hinter KI? Computersysteme ahmen die menschliche Intelligenz nach, indem sie aus Informationen Handlungen ableiten. Mithilfe neuronaler Netze können sie dabei das bereits Erlernte mit stets neuen Inhalten verbinden. Experten sprechen von Deep Learning. Roboter werden so zu Mitarbeitern. Die Technik macht es möglich, dass sich Maschinen mit anderen vernetzen und Programme blitzschnell Bilder oder Texte auswerten.

Die Bundesregierung stellt jetzt bis 2025 drei Milliarden Euro zur Verfügung

Die Zahl solcher Anwendungen nimmt auch deshalb zu, weil immer mehr Daten generiert werden. "Die Verfügbarkeit von Daten ist zwingende Voraussetzung für innovative KI-Anwendungen", sagt Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des High-Tech-Gründerfonds, der Risikokapital für Start-ups bereitstellt. In Deutschland seien Innovationen durch den strengen Datenschutz oft begrenzt. In China, wo der Staat seine Bürger komplett überwacht, geht es schon mit größeren Schritten voran. Das Land liegt gemessen an den KI-Patentanmeldungen hinter dem Spitzenreiter USA.

Weil Deutschland in Sachen KI Nachholbedarf hat, stellt die Bundesregierung bis 2025 drei Milliarden Euro zur Verfügung. Die Weiterentwicklung von Kompetenzzentren und die Schaffung neuer Professuren für KI sollen damit finanziert werden. Daneben investieren die US-Internetriesen Google, Amazon und Facebook längst ebenso Milliardensummen in die KI wie ihre chinesischen Pendants Alibaba und Tencent. Deutsche Autobauer nutzen die Technik für die Entwicklung des autonomen Fahrens und immer neue Anwendungen entstehen bei innovativen Gründern. Laut Deutsche Bank Research wurden 2018 weltweit 24 Milliarden US-Dollar in KI-Start-ups investiert. Fast zwei Drittel entfallen auf US-Start-ups und ein weiteres Viertel auf chinesische Unternehmen.

"Deutschland droht im Rennen um die Anwendungen dieser Zukunftstechnologie den Anschluss zu verlieren", warnt Frankenberg. Er beobachtet aber auch, dass Gründer viele neue Ideen präsentieren und auf Interesse bei Investoren stoßen. Der High-Tech-Gründerfonds ist laut einer Analyse der Beratungsgesellschaft Appanion in Deutschland der aktivste Geldgeber. Doch auch Business Angels, private Risikokapitalgeber, sowie die der Länder investieren in KI-Projekte. Insgesamt gibt es in Deutschland 275 Start-ups mit KI als Kernelement des Geschäftsmodells. Knapp zwei Drittel davon kommen aus Berlin, München, Hamburg oder Köln. "Es tut sich bundesweit etwas - insbesondere überall da, wo an den Hochschulen die führenden Köpfe ausgebildet werden", sagt Frankenberg.

Einer Studie der Technologiestiftung Berlin zufolge wurde fast die Hälfte der deutschen KI-Start-ups in Berlin-Brandenburg gegründet. Dies macht sich auch an der Finanzierung bemerkbar. Laut der Studie sind KI-Unternehmen in Deutschland derzeit mit Risikokapital in Höhe von 505 Millionen Euro finanziert. 45 Prozent davon, also 231 Millionen Euro, entfallen auf Firmen aus der Hauptstadtregion. Das Förderungsinstitut Berlin Partner unterstützt dabei den Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. "Das ist besonders für KI-Unternehmen wichtig, damit sie ihre Innovationen schnell umsetzen und in die Anwendung bringen können", sagt Lukas Breitenbach von Berlin Partner.

Auch ausländische Firmen zieht das an. Der britische Triebwerkehersteller Rolls-Royce etwa investiert in ein neues KI-Zentrum nahe Berlin in den nächsten fünf Jahren 100 Millionen britische Pfund. Es soll sich eng mit der Start-up-Szene und den regionalen Forschungseinrichtungen austauschen. Auch in Bayern gehen viele Start-ups aus dem Hochschulumfeld hervor. "Wenn Gründer deutlich machen, wo ihre KI-Lösung sinnvoll einsetzbar ist, sammeln sie bei Investoren Pluspunkte gegenüber anderen Start-ups", sagt Carsten Rudolph, Geschäftsführer von Bay Start Up, dem bayerischen Start-up-Netzwerk. Nicht selten fehle allerdings ein tiefer gehendes Konzept.

Auch das Personal ist durch die neue Technologie gefordert. Laut einer Studie der Personalberatung Boyden fördert bereits rund ein Drittel der Unternehmen weltweit das kontinuierliche Lernen der Mitarbeiter rund um KI. Vor besonderen Herausforderungen stehen mittelständische Betriebe. "Hier muss jeder Versuch, KI zum Einsatz zu bringen, ein Erfolg sein", sagt Breitenbach. Dabei gibt es schon KI-Lösungen für die sofortige Anwendung.

Zum Beispiel von dem Würzburger Start-up Scoutbee. Firmen können mit dem Scoutbee-System gezielt und schnell neue Lieferanten und Zulieferer finden. So durchforstet das System, welche Firmen die Konkurrenz beliefert und welche sich davon am besten für die eigene Produktpalette eignen. Das System prüft auch die potenziellen Anbieter, etwa wie stabil deren Beziehungen zu Kunden sind, wie genau sie ihre Lieferverpflichtungen einhalten und wie sich ihre Umsätze entwickeln.

Das System sammelt nur Daten - aber tausendmal schneller als der Mensch

Letztlich sammelt die Anwendung Daten aus dem Internet. So wie der Mensch bestimmte Begriffe in eine Suchmaschine eingibt, nutzt auch die KI-Technologie Suchbegriffe. Nur dass sie es tausendmal schneller macht als der Mensch. Monate andauernde Ausschreibungen entfallen. Scoutbee stellt schon binnen weniger Tage infrage kommende Lieferanten bereit. Das schätzen bereits nicht nur Konzerne. "Dem Mittelstand, dem in der Regel keine großen Teams allein für den Einkauf zur Verfügung stehen, kann eine solche Lösung sogar noch einen relativ größeren Nutzen bringen", sagt Rudolph.

Dass das Start-up seit 2015 mehr als 15 Millionen Dollar Wagniskapital eingesammelt hat, ist ermutigend. Dennoch ist längst nicht genug Risikokapital da. Das liegt auch daran, dass Finanzinvestoren relativ geringe Aussichten haben, ihre Anteile später im Zuge eines Börsengangs (IPO) zu verkaufen. "In Europa konkurrieren 30 Börsen um das Geld der Anleger, sodass jede für sich zu wenig Liquidität für Tech-IPOs bietet", sagt Frankenberg. China und die USA seien da klar im Vorteil.

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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