Kritik von Wirtschaftsexperten:"Steinbrück lässt sich viel zu viel Zeit"

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Finanzminister Steinbrück will im kommenden Jahr fünf Milliarden Euro mehr ausgeben. Ökonomen rügen den Haushaltsentwurf und warnen, das Ziel eines schuldenfreien Etats könnte verfehlt werden.

Claus Hulverscheidt

Der Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) für 2009 ist bei Wirtschaftswissenschaftlern auf teils harsche Kritik gestoßen. Steinbrück lasse sich bei der Sanierung des Budgets viel zu viel Zeit und laufe damit wie sein Vorgänger Hans Eichel (SPD) Gefahr, das Ziel eines Etats ohne neue Schulden zu verfehlen, erklärten die Ökonomen nahezu übereinstimmend in Gesprächen mit der Süddeutschen Zeitung. Das gelte um so mehr, als sich die wirtschaftlichen Aussichten derzeit eher verschlechterten als verbesserten.

Finanzminister Peer Steinbrück hat die Wünsche seiner Kabinettskollegen deutlich zusammengestrichen. (Foto: Foto: dpa)

Der Finanzminister will seinen Gesetzentwurf am Mittwoch dem Bundeskabinett vorlegen. Der Haushalt sieht Ausgaben von 288,4 Milliarden Euro vor, gut fünf Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr. Die Nettokreditaufnahme soll um lediglich 1,4 Milliarden auf 10,5 Milliarden Euro sinken. Für 2010 sind noch neue Schulden in Höhe von sechs Milliarden Euro vorgesehen, 2011 soll der Etat dann erstmals seit gut vier Jahrzehnten wieder ausgeglichen sein.

Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, und der Haushaltsexperte des Münchener Ifo-Instituts, Rüdiger Parsche, bezeichneten Steinbrücks Zeitplan als viel zu anspruchslos. "Das Zieljahr 2011 ist noch in relativ weiter Ferne, außerdem liegt dazwischen eine Bundestagswahl. Damit erhält die ganze Planung ein hohes Maß an Unverbindlichkeit", sagte Straubhaar. Die Bundesregierung habe es nicht geschafft, die wirtschaftlichen Boomjahre 2007 und 2008 dazu zu nutzen, die gesamte Ausgabenstruktur des Haushalts zu überarbeiten. "Wenn jetzt 2010 und 2011 wirtschaftlich schwierigere Zeiten kommen, haben wir kein Pulver, mit dem wir schießen können", so der HWWI-Chef. Auch im Kampf gegen die Inflation stehe die große Koalition aus Union und SPD ohne Munition da, weil für Steuer- und Abgabensenkungen das Geld fehle.

Rentenerhöhung in der Kritik

Noch deutlicher äußerte sich Parsche. Die Regierung habe es nicht nur verpasst, das Konjunkturhoch für eine rasche Haushaltssanierung zu nutzen, sondern im Gegenteil noch zusätzliche teure Daueraufgaben geschaffen. "Sparen heißt in Deutschland offensichtlich, die Einnahmen zu erhöhen", sagte der Ifo-Experte mit Blick auf die sprudelnden Steuerquellen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Beginn des vergangenen Jahres. "Der Drang, alles was man einnimmt auch gleich wieder auszugeben, ist den Politikern ganz offensichtlich nicht abzugewöhnen." Als Beispiel nannte er die außerplanmäßige Rentenerhöhung in diesem und im nächsten Jahr, die wenig bringe, aber viel koste.

Ähnlich kritisch ging Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin mit der Regierung ins Gericht. "Statt die Konsumausgaben des Staats noch zu erhöhen, hätten sie gesenkt werden müssen. Wann, wenn nicht jetzt, wollen wir ein Polster für schlechtere Zeiten schaffen", sagte er. Immerhin ist Dreger im Blick auf die Konjunkturentwicklung optimistischer als viele seiner Kollegen. Zwar rechnet auch der DIW-Experte für 2009 mit einem Rückgang der Wachstumsrate, einen echten Abschwung oder gar eine Rezession erwartet er aber nicht.

Etwas milder als die übrigen Ökonomen bewertete der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Bert Rürup, die Finanzplanung der Regierung. "Gemessen an dem, was von den Fachressorts zuvor gefordert worden war, hat Steinbrück ein ordentliches Ergebnis abgeliefert", sagte er.

Kein Geld für Extrawünsche

Tatsächlich hatten die Kabinettskollegen des Finanzministers noch vor Wochen allein für 2009 überplanmäßige Ausgaben von 9,5 Milliarden Euro verlangt. Bis 2012 summierten sich die Extrawünsche auf fast 50 Milliarden Euro. Davon blieb in den regierungsinternen Verhandlungen weniger als ein Drittel übrig.

Rürup wies zudem darauf hin, dass die Regierung die Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung nicht vollständig behalten, sondern in Form von Abgabensenkungen zurückgegeben habe. In der Summe seien Bürger und Unternehmen dadurch sogar entlastet worden.

Auch der Chef des Sachverständigenrats bezeichnete Steinbrücks Zeitplan für die Haushaltssanierung aber als nicht ambitioniert genug. "Es wäre besser gewesen, wenn die Bundesregierung den Haushaltsausgleich schon ein Jahr früher geschafft hätte", sagte er. Zudem müsse bemängelt werden, dass die Etat-Sanierung allein über höhere Einnahmen und kaum über eine Begrenzung der Ausgaben gelaufen sei, sagte Rürup.

© SZ vom 01.07.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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