Krise verschont Entwicklungsländer:Afrika holt auf

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Die Wirtschaft im Süden des Kontinents wächst so stark wie seit 30 Jahren nicht. Doch die Bevölkerung hat bislang wenig davon.

Marc Steinhäuser

Viele Entwicklungsländer profitieren von den steigenden Rohstoffpreisen und zeigen sich in Zeiten der Finanzkrise wirtschaftlich robuster als große Industrienationen. Zu diesem Ergebnis kommt der Jahresbericht für Handel und Entwicklung (Unctad) der Vereinten Nationen. Vor allem Länder im südlichen Teil Afrikas und Ostasiens gelten demnach als Exporteure zu den großen Gewinnern von den stark steigenden Preisen für Öl, Gas und Metalle.

Während die Wirtschaft vieler afrikanischer Staaten dank teurer Rohstoffauslieferungen kräftigt wächst, kommt bei den einfachen Arbeitern wenig von den Gewinnen an. (Foto: Foto: Reuters)

Verlierer sind die wichtigen Industrieländer

Als geradezu "unverwüstlich" bezeichnet der UN-Bericht die wirtschaftliche Lage der Entwicklungsländer in der ersten Hälfte des Jahres 2008. Von den 49 am wenigsten entwickelten Ländern liegen nach Angaben der Vereinten Nationen 33 in Afrika und zehn in Asien. Zwar könnten diese Länder der weltweit abflauenden Konjunktur nicht gänzlich entkommen, dennoch erlebe der dortige Handel derzeit wirtschaftliche Glanzzeiten: Die Länder südlich der afrikanischen Sahara-Wüste - mit Ausnahme Südafrikas - boomen so kräftig wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr.

So soll die Wirtschaftskraft in Teilen Afrikas und Ostasiens nach UN-Berechnungen in diesem Jahr um mehr als sieben Prozent zulegen. Weltweiter Spitzenreiter bleibt 2008 aber China mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von zehn Prozent. Dies liegt anderthalb Prozent unter dem Vorjahreswert. Verlierer sind die wichtigen Industrieländer: Für die USA, Japan und die Europäische Union sagt der UN-Bericht ein Wachstum zwischen 1,4 und 1,8 Prozent in 2008 voraus.

Erhöhte Exporteinnahmen

Gründe für den Zuwachs der ökonomischen Bedeutung von ärmeren Regionen gibt es laut Unctad viele: Vor allem die steigenden Preise für Rohöl, das sich in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 180 Prozent verteuert hat. Auch die Preise für Minerale und Metalle sind insgesamt um mehr als 260 Prozent gestiegen. Die dadurch erhöhten Exporteinnahmen kurbelten die Wirtschaft in ärmeren Regionen an.

Gleichzeitig ist die Verschuldung der Entwicklungsländer zurückgegangen: Die Industrieländer haben armen Staaten zwischen 2004 und 2006 pro Jahr rund 17,5 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten erlassen.

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So positiv diese Zahlen auch sind: Für die meisten Menschen in den afrikanischen und asiatischen Wachstumsregionen verbessert sich die eigene Situation nicht. Die wirtschaftlichen Gewinne haben laut Unctad nur "einen marginalen Effekt auf die Einkommen der ärmeren Schichten".

Zum Teil wird das zusätzliche Geld in neue Infrastruktur gesteckt, bei mancher Goldmine erhöht es aber auch nur den Profit großer Unternehmen: "Die Gewinne sind dann verloren für Kapitalakkumulation in dem Land, in dem sie ihren Ursprung haben", kritisiert Unctad-Generalsekretär Supachai Panitchpakdi.

Abhängig vom Weltmarkt

Zudem sind die Kosten für landwirtschaftliche Produkte und Nahrungsmittel deutlich gestiegen - wenn auch nur ein Drittel so stark wie die Preise für minerale Rohstoffe. Daraus resultieren nach Angaben der Unctad die großen Unterschiede unter den Entwicklungsländern: Exporteure von Baumwolle und Tabak mussten in manchem Jahr seit der Jahrtausendwende große Wertverluste hinnehmen, die Kaffee und Kautschukpreise sind dagegen kontinuierlich gestiegen.

Supachai sagt dazu: "Die weitere Entwicklung in diesen Ländern hängt hauptsächlich von der zukünftigen Preisentwicklung der jeweiligen Hauptexportprodukte ab." Deshalb fordert er ungeachtet der verbesserten Wirtschaftslage vieler Länder eine Steigerung an internationaler Entwicklungshilfe um 50 bis 60 Milliarden Dollar. Damit sollen etwa die Produktionskapazitäten in der Landwirtschaft und der Industrie ausgeweitet werden. Probleme bereiten ihm die Industrieländer, weil ihre Zuschüsse seit 2002 teilweise erheblich geschwankt hätten.

Zusätzlich empfiehlt die Organisation Unctad, die in den siebziger Jahren als globalisierungskritisches Gegenmodell zur Weltbank gegründet wurde, ein verbessertes Finanzsystem für Entwicklungsländer. Während Regeln den Welthandel regulierten, sei dies auf dem Finanzmarkt nicht der Fall.

Reinvestition in eigene Produktion

Die steigenden Gewinne in armen Regionen sollen nach den Vorstellungen von Generalsekretär Supachai zum Beispiel durch nationale Fonds dauerhafter in die eigene Produktion reinvestiert werden. Dazu gehöre, dass der Bankensektor gestärkt werde. Die Zentralbanken könnten dabei mithelfen: Sie sollten ihre Zinspolitik aufeinander abstimmen. Instabile Finanzmärkte blieben "ein bedeutendes Risiko für die Entwicklungsländer", sagt Supachai.

© SZ vom 5.9.2008/kim/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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