Steigende Nahrungsmittelpreise:UN: 100 Millionen Menschen werden hungern

Es droht der "stille Tsunami": Angesichts der steigenden Nahrungsmittelpreise hat das UN-Welternährungsprogramm vor einer weltweiten Hungersnot gewarnt. Südamerikanische Staatschefs geißelten die Biotreibstoff-Produktion und ihre verheerenden Folgen.

Die hohen Nahrungsmittelpreise drohen mehr als 100 Millionen Menschen in eine weltweite Hungersnot zu treiben, warnt die UN-Organisation WFP (Welternährungsprogramm). Dieser "stille Tsunami" sei die größte Herausforderung in der 45-jährigen Geschichte des Welternährungsprogramms. Schon in wenigen Tagen muss die Organisation nach eigenen Angaben ihre ersten Programme einstellen, da sie aufgrund der Preissteigerungen nicht mehr zu finanzieren seien.

Steigende Nahrungsmittelpreise: Essen ist zu teuer, der Hunger bedroht 100 Millionen Menschen, warnen die UN.

Essen ist zu teuer, der Hunger bedroht 100 Millionen Menschen, warnen die UN.

(Foto: Foto: ddp)

Die politische Stabilität ist bedroht

Mehr als 100 Millionen Menschen seien von der Krise betroffen, und die internationale Staatengemeinschaft müsse darauf genauso reagieren wie auf den Tsunami von 2004, forderte WFP-Exekutivdirektorin Josette Sheeran. Damals habe die Weltgemeinschaft insgesamt zwölf Milliarden Dollar an Hilfe zur Verfügung gestellt. "Wir brauchen erneut eine solche Großzügigkeit", sagte Sheeran.

Alle Nationen müssten dringend auf die Lebensmittelkrise reagieren, die in einigen Ländern bereits zu blutigen Unruhen geführt habe, betonte Sheeran. In Kambodscha drohe die Einstellung des Schulspeisungsprogramms, solange keine neuen Gelder bereitgestellt werden. In insgesamt 78 Ländern stünde die Organisation vor einer ähnlichen Entscheidung.

Die Bekämpfung des Hungers sei eine "moralische Herausforderung" für jeden Einzelnen und eine Bedrohung der politischen und wirtschaftlichen Stabilität in aller Welt, heißt es in einer Mitteilung des britischen Premierministers Gordon Brown vor dem Treffen mit Experten und Vertretern internationaler Hilfsorganisationen und auch Supermarktketten.

"Biosprit ist schädlich für die Armen dieser Welt"

Lateinamerikanische Staatschefs warnen inzwischen in dringenden Appellen vor den verheerenden Folgen der Biosprit-Produktion.

Boliviens Präsident Evo Morales sagte im UN-Hauptquartier in New York vor hunderten Vertretern indigener Völker aus aller Welt, die Biotreibstoff-Produktion führe zu "Armut und Hunger".

Den Kapitalismus bezeichnete er als Hauptschuldigen für den Klimawandel. Perus Präsident Alan García forderte in Lima, die Produktion von Biotreibstoffgewinnung einzuschränken. Der britische Premierminister Gordon Brown rief zu einem Aktionsplan gegen die Nahrungsmittelkrise auf.

"Biotreibstoffe sind sehr schädlich, insbesondere für die Armen der Welt", sagte Morales nach seiner Rede vor den Delegierten. Die indigenen Völker hätten eine andere Sichtweise auf das Leben, dazu gehörten auch ein stärkeres Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit und das gemeinsame Eigentum an Land und Boden: "Mutter Erde ist keine Ware. Sie lässt sich nicht kaufen oder verkaufen", sagte Morales.

Das kapitalistische System bezeichnete Morales als hauptverantwortlich für den weltweiten Klimawandel. "Wenn wir unseren Planeten ernsthaft retten wollen, müssen wir den Kapitalismus beseitigen", sagte er vor den Delegierten. Der Kapitalismus sei nicht nur verantwortlich für die Klimaerwärmung, sondern auch für "wachsende Müllberge, Konsumrausch und Verschwendung".

"Brutale Preiserhöhungen"

In einer Botschaft an die mehr als 2500 Delegierten indigener Volksgruppen begrüßte es UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, dass der Klimawandel ein Schwerpunktthema des Forums sei. Als "Hüter" der Erde hätten die indigenen Völker ein "tiefes Wissen über die Auswirkungen von Umweltschäden" angesammelt. "Sie wissen um die ökonomischen und sozialen Folgen, und sie können und sollten bei der globalen Antwort eine Rolle spielen", erklärte Ban. Die Teilnehmer des zweiwöchigen UN-Forums vertreten rund 370 Millionen Menschen weltweit.

Perus Präsident García rief angesichts der "brutalen Preiserhöhungen" für Lebensmittel wie Weizen, Mais und Soja dazu auf, die Produktion von Biotreibstoffen weltweit einzuschränken. Im Kampf gegen steigende Kraftstoffpreise seien viele Länder dazu übergangenen, große Agrarflächen für den Anbau von Pflanzen zur Biokraftstoff-Produktion umzuwidmen. Die Regierungen müssten aber andere Wege suchen, um die Energiepreise wieder zu senken. Gehe die Entwicklung so weiter wie bisher, drohe einem Viertel der Menschheit eine Versorgungskrise bis hin zu Hungersnöten, warnte García.

Die gegenwärtige Explosion der Lebensmittelpreise hat mehrere Ursachen, unter anderem die Verwendung von Getreide zur Produktion von Bio-Kraftstoff, die steigende Lebensmittelnachfrage durch die wachsende Weltbevölkerung sowie die Flut- und Dürrekatastrophen infolge des Klimawandels.

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