Krise bei Siemens:Drei gegen einen

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Nach dem Abgang ist vor dem Neuanfang: Wie die Aufsichtsräte Ackermann, Cromme und Huber einen Nachfolger für den scheidenden Siemens-Chef Klaus Kleinfeld suchten.

Klaus Ott und Ulrich Schäfer

Muss Klaus Kleinfeld auch gehen? Seit dem vergangenen Freitag war dies die am heftigsten diskutierte Frage im Aufsichtsrat von Siemens. In der Nacht zuvor hatte Heinrich von Pierer seinen Rückzug als oberster Aufseher des Unternehmens verkündet. Jetzt stellten sich die anderen Kontrolleure die Frage: Reicht das für einen Neuanfang?

Die Fronten verliefen in den Tagen danach quer durch das 20-köpfige Gremium, es gab diesmal nicht das übliche Gegeneinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Und es gab viele, die eine Meinung hatten, aber nur wenige, die bereit waren, die Sache in die Hand zu nehmen. Drei Mitglieder des Aufsichtsrats trieben die Pläne für Kleinfelds Ablösung schließlich voran: ein Gewerkschaftsboss und zwei mächtige Manager, die sonst einen eher diskreten Führungsstil pflegen.

Die Sache mit Reitzle

Einer von ihnen war Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank. Der Schweizer, groß geworden im internationalen Investmentbanking, hat sich lange schwer getan mit der Deutschland AG, dem engen Geflecht von Wirtschaft und Politik. Mittlerweile aber weiß auch er dieses Netz zu nutzen.

Der zweite Mann, der sich in den vergangenen Tagen von Kleinfeld abgewandt hatte, war Gerhard Cromme. Der bisherige Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp hat bislang den Prüfungsausschuss geleitet, eine fünfköpfige Abteilung des Aufsichtsrats, welche die Schmiergeldaffäre aufarbeitet.

Die beiden nahmen zügig Kontakt mit einem möglichen Nachfolger auf. Wolfgang Reitzle, der Chef des Industriegaseherstellers Linde, wäre dem Vernehmen nach ihr Wunschkandidat.

Als dies am Dienstag publik wurde, ließ Reitzle zunächst dementieren, doch Insider aus dem Aufsichtsrat versichern, dass der Linde-Mann weiter im Rennen sei. Zwei Probleme gilt es vor allem zu lösen: Wer übernimmt bei Linde das Amt von Reitzle? Und wie viel soll der 58-Jährige verdienen? Reitzles Salär bei Linde belief sich im vergangenen Jahr auf 7,4 Millionen Euro und ist damit doppelt so hoch wie das des bisherigen Siemens-Chefs.

Den Anstoß für die Kleinfeld-Debatte der vergangenen Tage sollen aber, wenn man internen Stimmen bei Siemens glauben darf, weder Ackermann noch Cromme geliefert haben. Treibende Kraft war vielmehr der stellvertretende IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber.

Begrenzter Einfluss

Dieser hatte gesagt, Siemens brauche "Klarheit2, damit sich das Unternehmen auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren könne. Die IG-Metall-Spitze war offenbar frühzeitig zu der Auffassung gelangt, dass der Vertrag von Kleinfeld nicht verlängert werden sollte.

Hubers Einfluss im Aufsichtsrat war allerdings begrenzt. Letztlich zerfällt die Arbeitnehmerseite in dem Kontrollgremium in drei Lager: Die drei Gewerkschaftsfunktionäre der IG Metall verfolgen eine eher harte Linie; mehrere Betriebsräte der Metallgewerkschaft zeigten zuletzt dagegen viel Verständnis für das Siemens-Management. Hinzu kommt eine Vertreterin der von Siemens unterstützten Arbeitnehmerorganisation AUB. Offenkundig waren die Arbeitnehmervertreter am Mittwoch sogar mehrheitlich dazu bereit, Kleinfelds Vertrag zu verlängern.

Wie zerrissen dieses Lager ist, zeigte sich schon beim Rücktritt von Aufsichtsratschef Pierer, in dessen Amtszeit als Vorstandschef die Affären größtenteils fallen. Huber sprach von einem ,,überfälligen und richtigen Schritt''. Ralf Heckmann, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats und Vizechef des Aufsichtsrats, nahm Pierer dagegen in Schutz. ,,Seine Integrität steht für uns außer Zweifel.'' Der Betriebsrat bedaure den Rücktritt. In der IG-Metall-Zentrale stießen solche Äußerungen auf Erstaunen. Das ,,Unrechtsbewusstsein'' bei Siemens reiche offenbar bis in die Betriebsräte hinein.

© SZ vom 26.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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