Krise bei Merckle und LBBW:Dunkle Wolken über dem Musterländle

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Bislang blieb Baden-Württemberg von der Finanzkrise weitgehend verschont. Nun taumelt Unternehmer Merckle - und die scheinbar krisenfeste LBBW braucht offenbar Hilfe.

Die Finanzkrise erfasst das Musterländle. Immer stärker gerät Baden-Württemberg in den Sog der Turbulenzen auf den Geldmärkten. Während der milliardenschwere schwäbische Familienunternehmer Adolf Merckle um den Fortbestand seines Firmenkonglomerats bangt und über Finanzhilfen mit der Stuttgarter Landesregierung verhandelt, verliert nun auch Merckles Hausbank den Nimbus der Unantastbarkeit.

Die Landesbank Baden-Württemberg braucht offenbar finanzielle Unterstützung. (Foto: Foto: AP)

Ausgerechnet die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die sich bislang gegen die Turbulenzen bestens gewappnet sah, muss sich nun offenbar eingestehen: Die Krise ist alleine nicht mehr zu bewältigen. Informationen aus Finanzkreisen zufolge muss die Bank die Politik um Hilfe bitten.

Einspringen sollen der Bund sowie die Eigner, zu denen das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und die Sparkassen gehören. Die größte deutsche Landesbank schlüpft nach Informationen aus Finanzkreisen unter den staatlichen Rettungsschirm.

Die LBBW wird demnach sowohl eine Kapitalspritze der Eigner bekommen als auch Bundesgarantien für Kredite in Anspruch nehmen. Bis zu sechs Milliarden Euro könnten die Eigner zuschießen. Damit soll die Eigenkapitalquote von 7,3 Prozent auf neun bis zehn Prozent erhöht werden. Zur Absicherung von Krediten könnte die Bank außerdem Garantien des Bundes von bis zu 30 Milliarden Euro beanspruchen.

"Langfristig wetterfest"

Damit wolle sich die LBBW in Zeiten der Finanzkrise und Konjunkturflaute "langfristig wetterfest" machen, hieß es. Es sei sinnvoll "lieber einen ordentlichen Schluck aus der Pulle zu nehmen" und eine "strategisch sinnvolle Lösung zu finden", die die Bank für schwierige Entwicklungen wappne. Mit den Hilfen könne die Liquiditätsbasis der Bank gesteigert werden. Damit könne das Institut verhindern, dass es Kredite künftig zu schlechteren Konditionen vergeben müsse als andere Banken, die Hilfen in Anspruch nehmen.

Offiziell gibt sich die Stuttgarter Landesbank diesbezüglich zugeknöpft. "Kein Kommentar", sagte ein LBBW-Sprecher auf Anfrage von sueddeutsche.de.

Die größte deutsche Landesbank hatte ihre Gewinnprognose für das laufende Jahr wegen der Zuspitzung der Finanzkrise zurückgezogen und noch keinen neuen Zielwert für 2008 genannt. Im ersten Halbjahr schrieb die LBBW rote Zahlen, der Konzernverlust belief sich auf 144 Millionen Euro.

Sollte die Bank tatsächlich Geld von ihren Eignern benötigen, müsste ein ordentlicher Brocken von der Stuttgarter Landesregierung gestemmt werden; das Land hält 35,61 Prozent an dem Institut.

Dabei verlangt in diesen Tagen noch ein anderer Krisenfall aus dem Ländle die Aufmerksamkeit von Ministerpräsident Günther Oettinger.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie das Imperium des Milliardärs Adolf Merckle ins Taumeln kam - und wie dem Unternehmer nun geholfen werden soll.

Adolf Merckle, zu dessen Firmenimperium unter anderem der Generika-Hersteller Ratiopharm gehört, braucht dringend frisches Geld. Am Dienstag hatte der Unternehmer ein Gespräch mit Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP); danach hieß es, der Milliardär habe keinen Antrag auf eine Bürgschaft gestellt. "Wir sind zuversichtlich, dass die Banken und das Unternehmen allein eine tragfähige Lösung finden", hieß es aus dem Ministerium.

Ganz vom Tisch ist eine Hilfe des Landes jedoch offenbar nicht. Denn prompt äußerte sich der Generalsekretär der baden-württembergischen CDU, Thomas Strobl, und betonte, man lehne eine Landesbürgschaft um jeden Preis ab. Eine "PR-Show" werde es in Baden-Württemberg nicht geben", sagte Strobl. "Wir sind immer an einer nachhaltigen Politik und langfristigen Sicherung von Unternehmen und Arbeitsplätzen interessiert", so der Politiker. Daher müsse auch in jedem Einzelfall geprüft werden, ob und was die Politik machen könne.

Merckle hat laut Finanzkreisen bei Spekulationen mit VW-Aktien mehr als eine Milliarde Euro verloren. Wie es heißt, erwägt er auf Druck der Banken Ratiopharm zu verkaufen. Der schwäbische Milliardär ist neben Ratiopharm auch an der hochverschuldeten Heidelberg-Cement und an dem Pharmahändler Phoenix beteiligt. Die zu Merckle gehörende VEM Vermögensverwaltung hatte Liquiditätsprobleme eingeräumt. Merckle selbst wird wird vom Wirtschaftsmagazin Forbes als der fünftreichste Deutsche eingestuft.

Merckles Hausbank ist ausgerechnet die Stuttgarter LBBW - damit spielt die Landesbank eine gewichtige Rolle, wenn es um Hilfen für das schwäbische Unternehmen geht. Erst einmal jedoch muss sich das Institut offenbar selbst helfen.

Auslandsgeschäfte zurückgefahren

Am Freitag kommen die Träger der LBBW zusammen, um über die angespannte Finanzsituation der Bank zu beraten. Die derzeitige Geschäftslage sei nicht rosig und habe sich auch im Oktober nicht verbessert, hieß es in Finanzkreisen. Die Krise habe "sehr deutliche Spuren" hinterlassen. Bereits zur Jahresmitte war das Stuttgarter Institut nach Steuern mit 144 Millionen Euro in die roten Zahlen gerutscht.

In diesem Halbjahresverlust waren die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers und der Beinahe-Bankrott von Island noch nicht berücksichtigt. Die LBBW stelle sich auf eine länger andauernde Finanzkrise und eine deutlich schwächere Konjunktur ein. Die Auslandsgeschäfte würden zurückgedreht. Auch der Interbanken-Markt sei noch nicht wieder in Schwung gekommen, da die meisten Banken ihr Geld bunkerten. Auf diese Geschäftslage müssten die Kapitalerfordernisse abgestellt werden.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hatte der LBBW bereits in den vergangenen Tagen Hilfestellungen zur Bewältigung der Finanzkrise in Aussicht gestellt. Regierungschef Oettinger hatte betont, dass die LBBW die stärkste deutsche Landesbank bleiben solle.

Die Eigentümer müssten auf die Erhöhung der Kapitaldecke von Banken in Großbritannien oder den USA reagieren, mahnte er. Bei der nächsten Eigentümerversammlung soll seinen Worten zufolge auch darüber beraten werden, ob mit anderen Landesbanken Gespräche über eine Zusammenlegung der Institute aufgenommen werden sollen.

Dabei schien es bis vor nicht allzu langer Zeit, dass die LBBW im Kreis der kriselnden Landesbanken das stärkste Institut sei. Die aktuelle Krise nimmt auch diese Gewissheit.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/AP/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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