Ratiopharm-Patron Adolf Merckle:Milliardär mit leeren Taschen

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Der Familienunternehmer Adolf Merckle hat sich so sehr mit VW-Aktien verzockt, dass er derzeit 40 Banken um Kredite anbetteln muss. Nun verhandelt er mit dem Land Baden-Württemberg über eine Bürgschaft.

Kristina Läsker

Der Extrem-Bergsteiger Adolf Merckle hat in jungen Jahren etliche Sechstausender bezwungen. Doch selten dürfte der als besonnen geltende Familienunternehmer aus Blaubeuren so sehr in der Klemme gesteckt haben wie jetzt: Der 74-Jährige ist das jüngste Opfer der Kapriolen an den Finanzmärkten: Bis zu einer Milliarde Euro soll Merckle zuletzt durch spekulative Geschäfte mit Aktien von Volkswagen und anderen Dax-Titeln verloren haben.

Verzockt: Adolf Merckle verliert wahrscheinlich das Herzstück seines Familienunternehmens. (Foto: Foto: dpa)

Die Lage ist so angespannt, dass Merckle nun mit der Regierung des Landes Baden-Württemberg über die Möglichkeit einer Bürgschaft diskutiert, erfuhr die SZ aus Regierungskreisen.

Die Verluste brächten Merckles Firmenimperium so ins Wanken, dass der verschwiegene Clan - Merckle hat mit seiner Frau Ruth drei Söhne und eine Tochter - auch den Notverkauf der Pharmafirma Ratiopharm aus Ulm erwäge und darüber noch diese Woche entscheiden wolle, verlautete aus Branchenkreisen.

Bislang ein Gespür für solide Investments

Zudem soll Merckle auch knapp 40 Bankhäuser um Notkredite angegangen haben. "Die Verhandlungen mit den Banken zur kurzfristigen Stabilisierung der Situation sind weit fortgeschritten", sagte Merckles Sohn Ludwig am Montag.

Der eher bescheidene Rechtsanwalt und Selfmade-Milliardär Adolf Merckle hatte bislang ein Gespür für solide Investments, aber nun hat er sich offenbar verzockt. So soll Merckle in großem Stil VW-Optionen gekauft haben.

Dabei hat er angeblich auf fallende Kurse gesetzt für den Fall, dass der Autobauer Porsche bekanntgeben würde, genügend Aktien für eine geplante Übernahme von Volkswagen beisammenzuhaben. Dann geschah das Unerwartete: Porsche erklärte, indirekt bereits über 74 Prozent der VW-Aktien zu verfügen, woraufhin sich der Kurs der VW-Aktie innerhalb von zwei Tagen knapp verfünffachte. Er kletterte kurzzeitig auf mehr als 1000 Euro.

Beraten von der LBBW

In Finanzkreisen wird gerätselt, wer Adolf Merckle geraten haben mag, wie ein Hedgefonds hochspekulative Leerverkäufe zu tätigen. Es sei dem Mann aus Blaubeuren zwar zuzutrauen, die riskante Entscheidung allein getroffen zu haben, wahrscheinlicher sei es aber, dass Merckles Investmentfirma VEM Vermögensverwaltung dabei intensiv beraten wurde, hieß es.

In dem Zusammenhang fiel der Name der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), zu der Merckle seit vielen Jahren enge Geschäftsbeziehungen pflegt. Die Bank lehnte einen Kommentar dazu ab.

Die Kurs-Kapriolen zwingen die Familie nun offensichtlich dazu, mit der Pharmafirma Ratiopharm ein Herzstück des Imperiums herzugeben. Zum Firmenkonglomerat gehören außerdem 80 Prozent des Baustoffkonzerns Heidelberg-Cement und der Pharmagroßhändler Phoenix.

Das Ziel, die 1881 gegründete Gruppe künftig als unabhängige und selbständige Familienfirma zu führen, scheint für den verschwiegenen schwäbischen Clan nicht länger haltbar zu sein.

Ratiopharm mit seinen 5400 Mitarbeitern an einen Konkurrenten zu verkaufen, dürfte dem traditionsbewussten Merckle schwerfallen: Seit gut zwei Wochen würden Banken wie Goldman Sachs und Sal. Oppenheim bei möglichen Interessenten vorstellig, um Ratiopharm anzubieten, heißt es aus der Branche. "Das Ganze ist in einem sehr frühen Stadium", sagte ein Insider.

Nummer zwei im deutschen Generika-Markt

Ratiopharm produziert nachgeahmte Medikamente (Generika) und setzte 2007 1,8 Milliarden Euro um, die Hälfte im Inland. Mit 20 Prozent Marktanteil ist die Ulmer Firma Nummer zwei im deutschen Generika-Markt nach Sandoz-Hexal.

Der Zeitpunkt für eine Übernahme ist schlecht, weil die Vergabe großer Kredite zuletzt entweder sehr teuer oder unmöglich geworden ist. In der Branche halten es viele Berater für unwahrscheinlich, dass Merckle für sein Medikamentengeschäft mehr als das Doppelte des Umsatzes des Jahres 2007 als Preis erhält. Das entspräche 3,6 Milliarden Euro. Vor der Finanzkrise wurde in der Generika-Branche häufig das Drei- bis Vierfache des Umsatzes gezahlt.

Als Interessenten kommen weniger Private-Equity-Firmen als vielmehr finanzstarke Pharmakonzerne in Betracht. So will der israelische Wettbewerber Teva sein Deutschlandgeschäft ausbauen. Interessiert soll auch der US-Konzern Pfizer sein, der damit ins Generika-Geschäft einsteigen würde. Auch der französische Arzneimittelhersteller Sanofi könnte eine Übernahme stemmen.

Deutschlandchef Martin Siewert lehnte einen Kommentar ab. Der mögliche Verkauf von Ratiopharm zeigt, dass Adolf Merckle die hohen Verluste nicht aus eigener Tasche zahlen kann. Dabei zählt er zu den 100 reichsten Menschen der Welt. Im Ranking des US-Magazins Forbes liegt er mit etwa 7,3 Milliarden Euro auf Rang 94.

© SZ vom 18.11.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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