Krankenkassen:Olympia-Partner und teure Fernsehspots

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Großes Buhlen um neue Mitglieder: Einige Krankenkassen werben mit fragwürdigen Mitteln - die Wettbewerbshüter sind entsetzt.

Charlotte Frank

Natürlich klingt es sportlich und dynamisch, wenn eine Versicherung von sich erklärt, sie sei "offizielle Krankenkasse der deutschen Olympiamannschaft" - so viel gesteht Christiane Köber dem Slogan zu, mit dem sich die BKK Essanelle schmückt. "Es klingt aber auch so, als wären alle Olympioniken in dieser Kasse versichert", ärgert sich Köber. Die Rechtsanwältin arbeitet in der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale, der größten bundesweiten Selbstkontrollinstitution gegen unlauteren Wettbewerb. Diese hatte im vergangenen Oktober wegen der irreführenden Aussage gegen die Kasse geklagt. Diese Woche nun teilte ihr das Landgericht Düsseldorf mit: Die BKK Essanelle muss auf ihren Beinamen verzichten.

Immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern, die zahlen: Die Krankenversicherungen. (Foto: Foto: ddp)

Der Ausgang dieses Streits ist für Köber zwar erfreulich, er bedeutet aber nur einen Etappensieg. In den vergangenen Monaten häufen sich die Fälle, in denen die Wettbewerbszentrale wegen unlauterer Werbung eingreifen muss - in diesem Jahr schon 30 Mal. Hauptgrund für diese Entwicklung ist der einheitliche Beitragssatz, der 2009 eingeführt wurde. Durch diese Angleichung fehlt den gesetzlichen Kassen nun der vormals leichteste Weg, sich über niedrige Beiträge zu profilieren. Das ist umso problematischer, als dass sie als Körperschaften öffentlichen Rechts nicht so offensiv und teuer werben dürfen wie Unternehmen.

Die Masse macht's

Besonders verbreitet ist laut Köber das Locken mit Test- und Schnuppermitgliedschaften, mit dem sich eine ganze Reihe von Kassen hervorgetan hat. Anders als in der Werbung suggeriert, kann ein Versicherter aber nicht nach einer Probephase wieder in seine alte Kasse zurückkehren. Als besonders dreist hat Köber auch eine BKK in Erinnerung, die ihre Versicherten vor einem Kassenwechsel warnte - weil sie an das neue Haus gebunden seien, sobald Zusatzbeiträge verlangt würden. Das aber ist glatt gelogen: Gerade für den Fall, dass Zusatzbeiträge fällig werden, hat der Gesetzgeber ein Sonderkündigungsrecht vorgesehen.

Nun setzen viele Kassen aber nicht nur auf aggressives Marketing, sie setzen auch auf Masse. Untersuchungen des Marktbeobachters Thomson Media Control zeigen teils drastische Steigerungen im Werbeetat. Vor allem die Barmer Ersatzkasse und die DAK haben demnach mehr ausgegeben: Steckte die Barmer 2007 noch rund 1,8 Millionen Euro in Werbung, waren es 2008 fast 6Millionen - ein Plus von 241 Prozent. Diese Steigerung, sagt Barmer-Sprecher Thorsten Jakob, liege an der Zurückhaltung, die die Kasse bis 2007 an den Tag gelegt habe. Durch die Gesundheitsreform sei aber der Wettbewerb gestärkt worden, dementsprechend müsse man vermehrt "potentielle Mitglieder von der Leistungs- und Servicestärke überzeugen". Bemerkenswert auch der Sprung bei der DAK: Sie gab 2009 bisher mit 2,4 Millionen Euro 35Prozent mehr für Werbung aus als im Vorjahreszeitraum. Die "exakte Höhe" der Zahlen will Martin Kriegel, Marketing-Chef der DAK, nicht bestätigen, wohl aber die Tendenz. "Der Preiswettbewerb ist durch den Einheitsbeitrag ausgehebelt", sagt er, darum setze die DAK auch verstärkt auf Fernsehwerbung, die relativ viel koste.

Weil gesetzliche Kassen keine normalen Wirtschaftsunternehmen sind, unterliegt ihr Marketingetat einer Höchstgrenze. Sie dürfen maximal 3,78 Euro pro Versicherten und Jahr für Werbung ausgeben. Das Bundesversicherungsamt (BVA) stellt laut seinem Sprecher Theo Eberenz aber immer wieder fest, dass Kassen diese Grenze überschreiten wollen. "Das untersagen wir", sagt er. Reagieren die Versicherer darauf nicht, könne ihnen die BVA das Geld von den Verwaltungskosten abziehen.

Auch bei der BVA haben sich zuletzt Beschwerden über das Marketing der Kassen gehäuft: Wurden im vergangenen Jahr 167 Verstöße registriert, sind es im laufenden Jahr schon 109. Was Eberenz dabei besonders zu denken gibt: "Trotz der teuren Werbeauftritte gibt es offenbar verhältnismäßig wenige Mitglieder, die wechseln."

© SZ vom 27./28.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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