Krach zwischen Fiat-Chef und VW-Konzern:VW will Marchionne als Lobby-Chef loswerden

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Die Rede ist von einem "Blutbad" und ruiniösen Rabatten: Fiat-Chef Sergio Marchionne und der VW-Konzern liefern sich derzeit einen erbitterten Streit. Der Wolfsburger Autohersteller fordert jetzt sogar den Rücktritt des Italieners als Präsident des europäischen Branchenverbandes. Es ist nicht das erste Mal, dass Fiat und VW aneinandergeraten.

Sergio Marchionne hat eine Doppelrolle. Als Fiat-Chef kümmert er sich vor allem um das Wohl der italienischen Traditionsmarke. Als Präsident des europäischen Automobilverbandes ACEA jedoch muss er die gesamte Branche im Blick haben, im Hintergrund dezent Lobbyarbeit betreiben und für die Interessen der Autohersteller werben.

Der Fiat-Chef wird angesichts der Absatzkrise auf dem Automarkt offenbar nervös: Mit markigen Worten greift er Konkurrent VW an - und das nicht zum ersten Mal. (Foto: AP)

Den Marktführer öffentlich anzugreifen, mit deftigen Äußerungen und martialischem Vokabular, das gehört für gewöhnlich nicht zum Repertoire eines Verbandschefs. Doch genau das hat Marchionne getan und dem Volkswagen-Konzern öffentlich einen rücksichtslosen Preiswettbewerb vorgeworfen. Das geht VW zu weit - die Wolfsburger fordern den Rücktritt des Italieners.

Marchionne hatte von einem Blutbad gesprochen, das Volkswagen auf dem europäischen Automarkt anrichte. "Es ist ein Blutbad bei der Preisgestaltung und es ist ein Blutbad bei den Margen", so wird der Italiener von der New York Times zitiert.

Hintergrund der Äußerungen ist die Absatzkrise auf dem europäischen Automarkt. Marchionnes Vorwurf an VW: Der Wolfsburger Autokonzern betreibe eine rücksichtslose Preispolitik. Indem Volkswagen aggressive Rabatte gewähre, nutzte das Unternehmen die Krise, um Marktanteile zu gewinnen.

Die Reaktion aus Wolfsburg folgte prompt: Volkswagen-Kommunikationschef Stephan Grühsem forderte öffentlich den Rücktritt von Marchionne als ACEA-Präsident. Der Italiener sei als Verbandschef untragbar und müsse gehen. Andernfalls sei für VW auch ein Austritt aus dem ACEA denkbar. Der 1991 gegründete Autobauer-Verband Acea vertritt die Interessen von 18 Herstellern von Autos, Lastwagen und Bussen auf europäischer Ebene und gilt als einflussreicher Verband.

Es ist nicht das erste Mal, dass Marchionne den VW-Konzern angreift. Anfang des Jahres hatte er gesagt, Europa brauche einen zweiten starken Autohersteller und damit ein Gegengewicht zu VW. Ein Jahr vorher hatte der Fiat-Chef aus Ärger über ein angebliches Werben von VW um Alfa Romeo Interesse an den beiden VW-Beteiligungen MAN und Scania bekundet, dies aber wenig später als "Witz" bezeichnet.

Der aktuelle Streit zwischen VW und Fiat kommt zu einer Zeit, in der sich der Fahrzeugmarkt in der EU seit Monaten schwach entwickelt - vor allem in den Euro-Krisenländern Spanien und Italien, aber auch in Frankreich. Dies trifft die Hersteller hart, die von Europa abhängig sind - neben der europäischen Nummer zwei PSA Peugeot Citroën sind dies auch Opel und Fiat. So kündigte beispielsweise PSA erst am Mittwoch ein Milliarden-Sparprogramm an.

VW profitiert vom starken China-Geschäft

Der VW-Konzern dagegen ist dank seiner breiten Aufstellung und der Stärke vor allem in China und den USA auf Erfolgskurs. Im ersten Halbjahr verdiente der Konzern unterm Strich mehr als 8,8 Milliarden Euro, fast 36 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Autoindustrie steuert immer mehr auf eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu. Zu den Gewinnern zählen auch die deutschen Oberklasse-Hersteller Daimler und BMW.

Um die Kunden zu locken, sind derzeit alle Hersteller auf dem europäischen Automarkt mit Rabatten unterwegs - auch in Deutschland. Die Kundenvorteile für Autokäufer hätten ein Rekordniveau erreicht, hieß es in einer am Montag vorgelegten Studie des CAR-Centers der Universität Duisburg-Essen. Das Rabattniveau zeige, dass der deutsche Automarkt in den nächsten Monaten vor einer Rezession stehe, sagte der Leiter des Instituts, Ferdinand Dudenhöffer.

Der bisher ertragreiche Markt Deutschland werde für immer mehr Hersteller zu einem "Verlustmarkt". Die durchschnittlichen Rabatte für die 30 beliebtesten Neuwagen im Privatkundenmarkt seien im Vergleich zum Juni um einen Punkt auf 19 Prozent gestiegen. Zu Jahresbeginn lag der durchschnittliche Nachlass noch bei 15,9 Prozent. Die höchsten Preisabschläge seien für den Fiat Punto (30,6 Prozent), den Opel Corsa (31,3 Prozent) und den Opel Astra (30,9 Prozent) ermittelt worden. Auch VW biete hohe Rabatte, hieß es in der Studie. Der Preiskampf sei zudem bei den Oberklasse-Herstellern angekommen.

© dpa/Reuters/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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