Konjunktur:Goldener Schein gegen graues Sein

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(Foto: Boerse)

Die Sorge vor einer weltweiten Rezession wächst, die Unternehmen in Deutschland sind so pessimistisch wie seit sieben Jahren nicht. Umso gefragter ist Sicherheit: Der Goldpreis liegt auf Rekordniveau.

Von  Victor Gojdka, München

Wer am späten Freitagabend den Börsensender CNBC eingeschaltet hatte, konnte sich einem Weltuntergangsszenario nahe wähnen. Der Dow Jones, der Leitindex in den USA, war zwischenzeitlich um gut drei Prozent abgerauscht, auch andere Aktienindizes waren tiefrot gefärbt. "Ausverkauf an den Märkten", hieß es da in großen roten Lettern. Und die Finanzexperten im Studio an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq waren gar so erhitzt, dass sie sich gegenseitig anschrien. Nein! Doch! Hab ich doch gesagt!

Geldprofis machen sich dann im Netz parallel oft einen Scherz aus diesen Sendungen und unken: Es werde wie so oft kommen. Wenn der Börsensender Alarm schlage, habe sich der Sturm am nächsten Morgen schon wieder gelegt. Und dieser ganz eigenen Dramaturgie folgten die Börsen auch zu Wochenbeginn am Montag.

Nach dem großen Abverkauf an den US-Börsen hatten manche mit einem großen Rutsch beim Deutschen Aktienindex (Dax) gerechnet. Doch der blieb am Montag aus, das Börsenbarometer eröffnete leicht im Minus, drehte aber bereits nach einer Stunde ins Plus, zu Handelsschluss notierte der Leitindex 0,4 Prozent im Plus. Wer allerdings ein wenig unter der Oberfläche kratzt, merkt schnell: Die grüne Zahl beim Dax ist äußerst trügerisch. "Wir sind auf dem Highway to Hell", sagt Aktienstratege Robert Halver von der Baader-Bank.

Grund für die leichte Erholung waren Äußerungen von US-Präsident Trump am Montagmorgen, China habe ihn in der Nacht angerufen. "Wir gehen an den Verhandlungstisch zurück", sagte Trump. Schon Stunden später allerdings ließen chinesische Handelsbeamte das über den Börsensender CNBC dementieren. Telefongespräche? Die habe es nicht gegeben. Die Anleger interessierte das jedoch nicht. "Wenn die Sonne nicht scheint, dann geht man halt ins Solarium", kommentiert Anlageexperte Halver die Haltung der Investoren.

Doch so lustig wie der Kommentar ist die Lage nicht. Einmal im Monat fühlt das Münchner Ifo-Institut 9000 deutschen Unternehmen den Puls. Und an diesem Montag hieß das: Der Geschäftsklimaindex, gewissermaßen das Fieberthermometer der deutschen Wirtschaft, sinkt weiter, zum fünften Mal in Folge auf den tiefsten Stand seit 2012. Nicht nur die aktuelle Lage sahen die Unternehmen im August schlechter, auch die Erwartungen für die Zukunft gehen weiter zurück. "Beim Blick auf den Ifo-Geschäftsklimaindex wird es einem angst und bang", sagt Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP-Bank. Viele Mitglieder der ersten Börsenreihe mussten bereits in den vergangenen Wochen ihre Gewinnprognosen kappen oder gar ankündigen, dass sie Stellen streichen. Viele sorgen sich schon, dass Deutschland in diesem Quartal in eine Rezession rutschen dürfte - wenn auch eine milde. Im zweiten Quartal war die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent zurückgegangen.

Die schwelende Angst der Anleger zeigt sich auch beim Goldpreis. In Euro gerechnet erreichte in der Nacht zum Montag ein Allzeithoch: 1393,22 Euro kostete eine Feinunze des edlen Metalls vorübergehend. In Dollar gerechnet ist der Goldpreis vom Höchststand aber noch weit entfernt. "Die Anleger flüchteten sich in Sicherheit", sagt Edelmetallhändler Alexander Zumpfe vom Metallkonzern Heraeus. Gerade für manche Privatanleger ist der Preisrekord eine erleichternde Nachricht, sie waren 2012 kurz vor dem Allzeithoch eingestiegen - und mussten sieben Jahre lang bangen, ob sie mit ihrem Investment jemals wieder ins Plus kommen. Jetzt allerdings verkaufen die Privatanleger nicht massenhaft aus Erleichterung, sie hoffen im Gegenteil auf weiter steigende Notierungen. 80 Prozent der Kunden beim Edelmetallhändler Pro Aurum wollen ihre Barren, Münzen und Goldketten derzeit nicht verkaufen, sondern im Gegenteil noch mehr Gold zukaufen. "Und wir sehen so viele Neukunden wie seit Jahren nicht mehr", sagt Benjamin Summa von Pro Aurum.

Mittelfristig treiben drei Faktoren den Preis des glänzenden Metalls: Erstens kaufen die Notenbanken derzeit so viel Gold für ihre Währungsreserven wie noch nie. Zweitens dürften die Leitzinsen auf absehbare Zeit weiter sinken. Dass Gold selbst keine Zinsen abwirft, fällt da immer weniger ins Gewicht. Und drittens wetten aktuell Finanzprofis mit so viel Geld wie lange nicht mehr auf weiter steigende Goldpreise. "An ein bisschen Gold im Depot ist noch niemand kaputtgegangen", sagt Halver.

Wenn nun Finanzexperten allerdings von Gold als "sicherem Hafen" sprechen, sollten Anleger das gut hinterfragen. Dass der Goldpreis ewig steigt, ist nicht in Stein gemeißelt. Am Ende ist auch das glänzende Metall nur so viel wert, wie der nächste Käufer dafür zahlt

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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