Konjunktur:Gefährliche Krisenherde

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: Dimitrov)

In der deutschen Wirtschaft läuft es noch gut, aber die Furcht vor neuen Turbulenzen ist groß. Immerhin brauchen sich die Firmen bei der Kapitalbeschaffung keine allzu großen Sorgen zu machen.

Von Norbert Hofmann

Der Sommer ist vorbei, doch Italien bleibt ein Thema. Statt schöner Strände rücken wieder finanzielle Sorgen in den Vordergrund. "Nachlassendes Wachstum, niedrige Inflation und steigende Zinssätze verbinden sich zu einer explosiven Mixtur für die öffentlichen Finanzen Italiens", warnen die Analysten der internationalen Vermögensverwaltung Amundi. Die beiden Regierungsparteien wollen nun noch mehr Geld ausgeben. Wie viel genau, wird am 20. Oktober bei der Budgetvorlage im Parlament klar sein. Doch allein die Ankündigung höherer Ausgaben hat die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen seit Mai auf rund drei Prozent steigen lassen. Es ist ein Niveau, das den Abbau von Schulden zusätzlich erschwert. Das verunsichert die Partner in der EU ebenso wie Anleger.

"In unserer hoch verschuldeten Welt braucht es nicht viel, damit die Märkte Angst bekommen", sorgt sich Anleihemanager Jon Day von BNY Mellon Investment Management. Italien ist mit etwa 132 Prozent seines Bruttosozialprodukts verschuldet. Nur Griechenland steht noch schlechter da. Dass die EU die griechische Staatsschuldenkrise vorerst bewältigt hat, ist da nur ein schwacher Trost. Denn jetzt geht es um die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone. "Italien ist eine tickende Zeitbombe, deren Risiken mit all ihren potenziellen Dominoeffekten häufig unterschätzt werden", sagt Max Leitterstorf von der WHU - Otto Beisheim School of Management. Er steht mit seiner Warnung vor gefährlichen Krisenherden nicht allein. Gerade erst hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) gewarnt: Lockere Finanzierungsbedingungen, Überbewertungen und hohe globale Schulden machen weitere heftige Kursbewegungen an den internationalen Märkten wahrscheinlich. Zu den Auslösern von Turbulenzen, so die BIZ, könnte auch die protektionistische Politik der USA bis hin zur Eskalation ihrer Handelsdifferenzen mit China gehören.

Deutsche Firmen sind sich solcher Risiken bewusst. "Familienunternehmen nehmen einen Handelskrieg mittlerweile als realistisches Krisenszenario wahr", sagt Leitterstorf. Global agierende Firmen bauen das in ihre Investitionsplanung ein. Wer kann, so Leitterstorf, kommt Trump nicht selten ein Stück weit entgegen und produziert für den US-Markt mehr vor Ort. Wer es nicht kann, sollte Störfaktoren für betroffene Exportanteile in seiner Absatzplanung berücksichtigen.

Der eingetrübte Geschäftsklimaindex zeigt, dass die Unsicherheit steigt

Wie schnell es ernst werden kann, zeigt sich bei Deutschlands Autobauern. BMW hat die Märkte gerade erstmals nach zehn Jahren mit einer Gewinnwarnung erschreckt. Neben zahlreichen Rückrufen und dem harten Wettbewerb in Europa werden dafür auch neue Zölle auf die vom US-Werk in Spartanburg nach China exportierten SUV als Gründe genannt. Während die Automobilindustrie insgesamt stagniert, hoffen der Maschinenbau, die Elektroindustrie und der Pharmasektor laut den jüngsten Erhebungen des Ifo-Instituts zwar weiter auf steigende Auslandsexporte. Der eingetrübte Geschäftsklimaindex im September zeigt aber auch, so Ifo-Präsident Clemens Fuest, dass die Unsicherheit steigt.

Um die Kapitalbeschaffung brauchen sich deutsche Unternehmen immerhin noch keine allzu großen Sorgen machen. "Sie finden nach wie vor traumhaft gute Finanzierungsbedingungen", sagt Martin Faust von der Frankfurt School of Finance & Management. Banken müssen an die Europäische Zentralbank (EZB) für ihre Geldvorräte einen Negativzins zahlen und sind deshalb sogar über Kredite mit knappen Margen froh. Versicherer und andere institutionelle Investoren aus dem In- und Ausland investieren gerne in Unternehmensanleihen, wenn sie nur etwas mehr Rendite als die derzeit mit 0,5 Prozent verzinste Bundesanleihe bieten. Sie legen zudem immer mehr Geld in Kreditfonds ("Corporate Private Debt Funds") an, die größere Wachstumsschritte, Übernahmen oder Unternehmensnachfolgen im gehobenen Mittelstand finanzieren.

Was aber ist, wenn ein exzessiver Handelskrieg, die Lira-Krise in der Türkei, ins Wanken geratende Schwellenländer oder Probleme der EU mit Italien an den Finanzmärkten Turbulenzen auslösen? Verunsicherte Investoren, so Faust, verabschieden sich dann auch möglicherweise schnell wieder. Das gilt insbesondere für die Kreditfonds, die auf der Suche nach Rendite eher die höheren Risiken in ihre Portfolios nehmen. Auch Kreditinstitute mit knapper Kapitaldecke würden wohl vorsichtiger werden. Sie sind angesichts drastisch rückläufiger Insolvenzen in Zeiten der guten Konjunktur risikofreudiger geworden und dürften angesichts des harten Wettbewerbs auf den einen oder anderen halben Prozentpunkt Zins für die Risikorücklage verzichtet haben. "Solche Institute könnten bei größeren Ausfällen die Kreditvergabe einschränken", sagt Faust. Leiden würden als erstes Unternehmen mit schwächerer Bonität.

Turbulenzen infolge der enorm gewachsenen Verschuldung in großen Teilen der Welt könnten auch von den Anleihemärkten ausgehen. "Viele Banken haben Risiken aus Krediten an Unternehmen oder öffentliche Schuldner in Schwellenländern wie Argentinien, Venezuela und der Türkei in ihren Portfolios", sagt Faust. Zahlungsausfälle würden ihnen zu schaffen machen, einen regelrechten Flächenbrand aber erwartet er nicht. Allerdings seien auch diese Probleme ein Zeichen dafür, dass die globale Konjunktur ihren Höhepunkt überschritten hat.

Die EZB dürfte im Falle einer größeren Krise zwar nicht tatenlos zusehen. Ihr steht es frei, etwa den geplanten Stopp ihrer Anleihekäufe wieder aufzuheben und so die Zinsen niedrig zu halten. "Investoren und Banken würden im Krisenfall aber wahrscheinlich höhere Risikozuschläge für Unternehmenskredite und -anleihen fordern", sagt Leitterstorf. Wie groß diese Spreads dann sind, hängt von der Bonität des Schuldners ab. Der Wissenschaftler weiß, dass einzelne Banken das Handelskrieg-Senario im Firmenkundengeschäft ansatzweise schon jetzt bei der Kreditvergabe berücksichtigen. Ob es künftig eine noch größere Rolle spielt, hängt nicht zuletzt von den im November anstehenden Kongresswahlen in den USA ab. Dann entscheiden die Amerikaner auch darüber, ob sie die protektionistische Handelspolitik ihres Präsidenten unterstützen.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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