Kommentar:Tortur ohne Ende

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Viele Tiertransporte sind eine Quälerei. Nun fordern die Bundesländer den Bund auf, die Vorschriften zu verschärfen. Ob sich dadurch etwas ändert?

Von Silvia Liebrich

Es ist nicht viel Vorstellungskraft nötig, um sich die Tortur vorzustellen: bei Minus 15 Grad Außentemperatur auf dem zugigen Anhänger eines Lastwagens, der erst quer durch Deutschland, dann nach Ungarn und von dort nach Kasachstan und andere ferne Ziele weit im Osten fährt. Und das ohne regelmäßige Stopps zum Aufwärmen, geschweige denn mit ausreichend Nahrung und Trinkwasser. Tausende Tiere, vor allem Rinder, werden so selbst in den Wintermonaten über Tausende Kilometer verfrachtet. Jüngster Fall ist ein Transport, der von Brandenburg aus abging und Empörung auslöste.

Nun hat auch der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, sich für mehr Tierschutz bei langen Transporten in Länder außerhalb der EU einzusetzen. Unter anderem verlangen die Länder ein Transportverbot bei Außentemperaturen von unter fünf Grad und über 25 Grad. Zudem sollen Behörden einen Echtzeit-Zugang zu den GPS-Daten der Transportfahrzeuge bekommen, damit sie prüfen können, ob vorgeschriebene Stopps zum Abladen und Versorgen der Tiere eingehalten werden. Entlang der Routen sollen zudem von der EU zertifizierte Versorgungsstationen eingerichtet werden.

Der Handel mit der Ware Tier ist ein Milliardengeschäft

Das vermittelt erst einmal den Eindruck, dass sich endlich etwas tut. Doch dieser Eindruck täuscht. Das Problem steht seit vielen Jahren auf der politischen Agenda, sowohl in Brüssel, als auch in Berlin. Das EU-Parlament hat im vergangenen Jahr sogar einen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Doch getan hat sich kaum etwas.

Diese Hinhaltetaktik hat auch wirtschaftliche Gründe. Der Handel mit der Ware Tier wuchs in den vergangenen Jahren stetig. Mehr als 40 Millionen Rinder, Schafe und Schweine werden pro Jahr quer durch Europa gefahren, hinzu kommen noch einmal mehr als 1,5 Milliarden Hühner. Viele Transporte führen über die Grenzen der EU hinaus, per Lastwagen und Schiff geht es in Drittländer wie die Türkei, den Libanon oder Usbekistan. Ein Milliardengeschäft.

Deutschland spielt dabei eine maßgebliche Rolle als Rinderexporteur und ist führend in der Schweine- und Geflügelhaltung. Dabei wird gern übersehen: Die hohen deutschen Ausfuhrzahlen sind Ergebnis einer Überproduktion, die nicht nur zu Lasten von Tieren, sondern auch von Umwelt und Klima geht. Selbst mit Tieren, die im heimischen Erzeugersystem als unbrauchbar gelten - etwa männliche Kälber oder ältere Kühe mit sinkender Milchleistung -, lässt sich im Ausland Geld verdienen. Sie landen häufig gleich nach der Ankunft am Zielort in der nächsten Schlachterei.

Es fehlt der Wille, bestehende Gesetze auch durchzusetzen

Tierschützer haben in den vergangenen Jahren viele Verstöße auf Tiertransporten genau dokumentiert, auch in den Medien wird regelmäßig berichtet. Zwar gibt es Gesetze, die Transporte unter tierquälerischen Bedingungen verhindern sollen. Doch diese werden häufig missachtet, sowohl von Behörden, die solche Fahrten überwachen sollen, als auch von Viehhändlern und Transportunternehmen. Schuld daran sind vor allem mangelhafte Kontrollen und Ignoranz. Die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie nicht durchgesetzt werden können.

Zwar hat die EU-Kommission die Vorschriften für Tiertransporte seit 2005 deutlich verschärft. Exporteure müssen demnach eine ordentliche Behandlung der Tiere bis zur Ankunft an ihrem Bestimmungsort sicherstellen. Dass diese Regeln eingehalten werden, darum müssten sich die Mitgliedstaaten kümmern, was die wenigsten wirklich tun. Entlang der Routen mangelt es bis heute an geeigneter Infrastruktur. Es gibt zu wenige und zu kleine Auslaufplätze, Wasser- und Futterversorgung sind oft mangelhaft.

Alles Missstände, die hinlänglich bekannt sind und auch vonseiten der Politik immer wieder beklagt werden. Doch in der Regel bleibt es bei Absichtserklärungen. Was fehlt, ist der Wille, bestehende Gesetze durchzusetzen, auch vonseiten der Gerichte. Immer wieder verweigern Behörden der Bundesländer und deren Tierärzte Exportgenehmigungen, weil geplante Fahrten gegen Vorschriften und Tierschutzauflagen verstoßen. Um dann die Erfahrung zu machen, dass ein Richter diese Transportverbote aus schwer nachvollziehbaren Gründen wieder aufhebt. Amtstierärzte fühlen sich zu Recht im Stich gelassen.

Vermutlich wird auch die Initiative des Bundesrates erst einmal nichts ausrichten. Wann sich die Bundesregierung mit schärferen Transportregeln befasst, ist unklar. Beobachter erwarten zumindest vor der anstehenden Bundestagswahl keine rechtskräftige Entscheidung mehr - und wie es danach aussieht, scheint völlig ungewiss zu sein. Das Thema wird wieder einmal auf die lange Bank geschoben.

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