Abgewiesene Schadenersatzklage:Uruguays Sieg gegen Philip Morris ist auch ein Sieg für TTIP

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Als in Uruguay schärfere Nichtrauchergesetze in Kraft getreten sind, klagte Philip Morris dagegen - und hat jetzt vor einem Schiedsgericht verloren. (Foto: dpa)

Philip Morris klagt gegen die rigide Nichtraucherpolitik Uruguays - und verliert. Das zeigt: Auch für ein nicht-staatliches Schiedsgericht geht Gesundheit über Profit.

Kommentar von Nikolaus Piper

Manchmal kommt es vor, dass mitten in eine hitzige Debatte eine Nachricht platzt, die hilft, den Dampf aus der Diskussion zu lassen. Genau dies ist jetzt in Sachen Freihandel und Investitionsschutz passiert. Ein nicht-staatliches Schiedsgericht hat die Forderung des Tabakkonzerns Philip Morris an die Republik Uruguay zurückgewiesen, für die ungewöhnlich harte Nichtraucherpolitik des lateinamerikanischen Staates entschädigt zu werden. Das Unternehmen muss auch noch die Anwaltskosten Uruguays von sieben Millionen Dollar übernehmen. Die Aussage des Schiedsgerichts ist glasklar: Kein Investitionsschutzabkommen darf dazu führen, dass kommerzielle Interessen über dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung stehen.

Der Fall hat symbolische und politische Bedeutung. Vor allem sollte und wird er die Debatte um TTIP und Ceta beeinflussen, die beiden umstrittenen Freihandelsabkommen der EU mit den Vereinigten Staaten und Kanada. Schiedsgerichte wie jenes, das jetzt in Sachen Philip Morris gegen Uruguay entschieden hat, gehören zu den meistumkämpften Teilen der geplanten Abkommen. Sie sollen Streitigkeiten zwischen Staaten und Investoren klären.

Gegner sehen in ihnen aber Instrumente, mit denen Unternehmen die Demokratie aushebeln könnten. Mit Forderungen auf Entschädigung wäre jeder Umwelt-, Gesundheits- oder Sozialstandard zu kippen, wenn er Gewinne eines ausländischen Unternehmens beeinträchtigt.

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Der Tabakkonzern Philip Morris verliert gegen die Regierung von Uruguay

So die Befürchtung. Die Klage, die Philip Morris 2010 gegen Uruguay einreichte, schien diese Sorgen zu bestätigen. Grundlage der Klage war das Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz (das ursprünglich amerikanische Unternehmen hat heute seinen Sitz am Genfer See) und Uruguay. Ein mächtiger internationaler Konzern verklagt ein kleines Land, nur weil es rigoros gegen Tabakkonsum und Tabakwerbung vorgeht.

Konkret richtete sich die Klage dagegen, dass das Unternehmen Ekelbilder und drastische Warnungen vor dem Krebstod auf den Marlboro-Packungen drucken musste. Außerdem ging der Konzern gegen das Verbot des Vertriebs von "Lights"-Zigaretten vor. Dadurch könne Philip Morris seine Markenrechte in Uruguay nicht mehr wahrnehmen, hieß es. Profit schien über Gesundheit zu stehen. Der Jahresumsatz von Philip Morris liegt höher als das Bruttoinlandsprodukt Uruguays.

Profit steht eben nicht über Gesundheit

Und jetzt die klare Entscheidung des Panels, das unter der Regie des "Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten" (ICSID) bei der Weltbank arbeitet. Dessen Botschaft ist klar: Profit steht eben nicht über Gesundheit.

Mit Blick auf die Praxis der Schiedsgerichte in den vergangenen 60 Jahren überrascht das Ergebnis noch nicht einmal. Im Rahmen des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) wurde bisher noch nie ein Staat wegen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu Schadensersatz verurteilt.

Man kann noch darüber streiten, ob das Panel die Klage überhaupt hätte annehmen dürfen. Werden dadurch nicht so genannte "leichtfertige Klagen" ermutigt, Klagen also, mit denen Unternehmen Regierungen unter Druck setzen, auch wenn die Klage jeweils kaum Chancen hat? Aber auch hier ist Entwarnung geboten: Wenn, wie im Fall Uruguay, der Kläger dem Beklagten die Kosten erstatten muss, ist diese Gefahr nicht mehr sehr groß.

Kann man aus dem Fall Uruguay Rückschlüsse auf das Verfahren ziehen, das der schwedische Staatskonzern Vattenfall gegen die Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs angestrengt hat? Nein, das kann man wohl nicht.

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Bei dem Verfahren geht es darum, ob die Energiewende 2011 beschlossen wurde, weil das Atomunglück in Fukushima neue Erkenntnisse über die Gefahren der Kernenergie brachte. Dann bekäme die Regierung recht. Oder aber, ob die Energiewende nur dazu diente zu verhindern, dass Angela Merkel wegen Fukushima die nächste Bundestagswahl verlor. In diesem Fall müsste Berlin zahlen.

Auch was der Schiedsspruch am Ende für TTIP bedeutet, weiß man nicht, schließlich ist das Abkommen noch nicht einmal abgeschlossen. Sicher ist nur dies: Die Schiedsgerichte, wie sie bei TTIP vorgesehen sind und welche die Gegner so bekämpfen, funktionieren in einem der international wichtigsten Fälle genau so, wie die Befürworter behauptet haben: Sie hebeln nicht die Demokratie aus, sie verhindern nicht den Gesundheitsschutz und sie sorgen für Rechtssicherheit.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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