Kommentar:Handeln statt jammern

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Die Banken sind an vielem selbst schuld. Aber so gravierend die Fehler der Finanzhäuser sein mögen - sie sind auch Symptome eines Problems, das über den Einzelfall hinausgeht und Regierungen nicht kalt lassen kann.

Von Claus Hulverscheidt

Dass Sigmar Gabriel in diesem Leben wohl nicht mehr Bundeskanzler werden wird, liegt nicht zuletzt an dem Umstand, dass seine Suche nach dem rechten Wort zur rechten Zeit gelegentlich erfolglos verläuft. So wie vor Tagen: Lautstark echauffierte er sich darüber, dass die Deutsche Bank es gewagt hatte, öffentlich über gierig-fiese Finanzinvestoren zu klagen. So menschlich Gabriels Ärger über die weinerlichen Bankdirektoren sein mag - eines Vizekanzlers war das plumpe Bashing eher unwürdig.

Um nicht missverstanden zu werden: Die Deutsche Bank ist an dem Schlamassel, in dem sie steckt, selbst schuld. Sie manipulierte Märkte, verspekulierte sich und schwatzte Kunden Ramsch auf. Mitleid ist also ebenso fehl am Platz wie im Fall italienischer und französischer Häuser, die auf Bergen fauler Kredite und Regierungsanleihen sitzen. Gleiches gilt für den US-Riesen Wells Fargo, der seine Mitarbeiter so sehr unter Verkaufsdruck setzte, dass diese Millionen an Scheinkonten eröffneten. Sie alle sind ihres Unglückes Schmied und bisher nur bedingt lernfähig. Bei Wells Fargo etwa musste zwar der einst unantastbare Konzernchef John Stumpf gehen. Eine Entschuldigung bei Kunden und Mitarbeitern oder gar ein Kulturwandel aber stehen weiter aus.

Die Politik muss für fairen Wettbewerb sorgen. Manager müssen Verantwortung tragen

Und doch: So gravierend die Fehler der Finanzhäuser sein mögen - sie sind auch Symptome eines Problems, das über den Einzelfall hinausgeht und Regierungen nicht kalt lassen kann. Die Branche steckt weltweit in einer tiefen Krise, die wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Wohlstand bedroht. Schuld daran sind neben den Geldhäusern auch Politiker, Notenbanker und Regulierer.

Die Banken stehen von vielen Seiten unter Druck. Um gegen Turbulenzen gewappnet zu sein, müssen sie mehr Eigenkapital vorhalten als früher. Das ist richtig, erschwert den Instituten aber nun ihre originäre Aufgabe: die Kreditvergabe. Gleichzeitig unterminieren die Notenbanken mit ihrer Nullzinspolitik die eigentliche Geschäftsidee der Finanzhäuser. Das ist auch für die Geldpolitik gefährlich, denn Leitzinsbeschlüsse erreichen die Wirtschaft nur, wenn Geschäftsbanken sie umsetzen. Hinzu kommen das dürftige Weltwirtschaftswachstum, das die Kreditnachfrage dämpft, sowie aufstrebende Finanztechnikfirmen, die viele Freiheiten und damit große Wettbewerbsvorteile genießen.

Und schließlich: Zumindest in Deutschland steht den Geldhäusern mit Sparkassen, Genossenschafts- und Landesbanken gleich eine dreifache Konkurrenz gegenüber. Wenn die Deutsche Bank einerseits weniger zocken soll, im Geschäft mit Privat- und Firmenkunden gegen die öffentlichen Wettbewerber aber kaum eine Chance hat, wo genau ist dann ihr Platz?

Von den einst vier deutschen Bankkonzernen, die über die Grenzen hinaus Gewicht hatten - Deutsche, Dresdner, Commerz- und Hypo-Vereinsbank - ist als eigenständige Kraft nur die angeschlagene Deutsche Bank übrig geblieben. Das ist kein Zufall und im Übrigen ein Phänomen, das auch andere Teile der früheren Deutschland AG heimsucht: Während in den USA Jahr für Jahr neue Giganten entstehen - Microsoft und Apple, Amazon und Google, Uber und Snapchat -, sind in der Bundesrepublik ehemalige Riesen wie Eon, RWE, Karstadt oder HRE teils auf Zwergniveau geschrumpft. Aber das ist eine andere Geschichte.

Was die Banken angeht, bedarf es einer umfassenden globalen Strategie, die dafür sorgt, dass zusätzliche Eigenkapitalanforderungen nicht mehr querbeet verordnet werden, sondern das individuelle Risikopotenzial jeder einzelnen Bank berücksichtigen und ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe stärken. Schattenbanken und Fintechs müssen strikter reguliert werden, bei Pannen und Vergehen sollten nicht länger die Bank und ihre Aktionäre haften, sondern die verantwortlichen Manager. In den USA, wo die Großbanken heute größer als vor der Krise und teils "too big to manage" sind, muss auch über die erneute Teilung in Investment- und Geschäftsbanken nachgedacht werden.

In Südeuropa gilt es zudem die fatalen nationalen Verquickungen von Anleihe begebender Regierung und Anleihe kaufenden Banken zu durchbrechen - zur Not durch Zwangsrekapitalisierung und Teilverstaatlichung; auch sollten faule Kredite in Bad Banks ausgelagert werden. Und in Deutschland müssen die immer noch acht Landesbanken in einem einzigen Spitzeninstitut gebündelt werden, das dann mehr Dienstleister für die Sparkassen als eigenständiger Player wäre.

Es gibt also viel zu tun - für die Banken selbst, aber auch für die Politik. So viel, dass auch ein konstruktiver Beitrag von Sigmar Gabriel willkommen wäre.

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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