Kommentar:Friede den Erben

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Selbst gewiefte und erfolgreiche Unternehmer versagen kläglich, wenn es um den eigenen Tod geht. Nichts ist geregelt. Das ist fahrlässig, denn es geht nicht nur um die Familie, sondern um Tausende von Arbeitsplätzen.

Von Elisabeth Dostert

Der Tod ist ein absehbares Ereignis. Dass er eintritt, steht von Geburt an fest, nur der Termin ist offen. Er rückt bloß jeden Tag näher.

Sich mit dem eigenen Tod zu befassen, ist für viele Menschen unangenehm. Deshalb schieben sie wichtige Entscheidungen wie eine Patientenverfügung oder ein Testament, das für Frieden unter den Nachfahren sorgen könnte, so lange wie möglich hinaus, manche, bis es zu spät ist. Sie sterben, ohne selbst etwas geregelt zu haben. Wer dann wie viel erbt, ist gesetzlich geregelt. Das geht sehr oft gut, worüber wenig öffentlich wird. Und öfters auch mal schief.

Auch in vermögenden Unternehmerfamilien, die nach Außen wirken, als sei für alle genug da, wird bis aufs Messer gestritten. Der Zoff ist systemimmanent. In Familienunternehmen prallen zwei Systeme voller Paradoxe aufeinander. Im Unternehmen geht es um die Sache und um Effizienz. In der Familie geht es vor allem um Gefühle. Schon zu Lebzeiten ist es eine Kunst, Familie und Firma zu harmonisieren. Wo das nicht gelingt, ist der Streit im Erbfall unausweichlich. Dann werden über lange Zeit aus falscher Rücksicht oder/und um des falschen Friedens Willen verdrängte und unterdrückte Konflikte hemmungslos ausgelebt - gerne unter Beteiligung der Öffentlichkeit.

Wenn es ums Erbe geht, sind alle Kesselflicker. Schlammschlachten werden medial ausgetragen. Indiskretionen über Vermögen, Managementfähigkeiten, Geschäfts- und anderes -gebaren werden gezielt gestreut, um den Kontrahenten unter Druck zu setzen, ihn als geldgierig, machtversessen und unfähig oder alles gleichzeitig darzustellen. Im Streit um die Macht im Fleischkonzern Tönnies erzählte Clemens Tönnies im Gericht im Beisein seines Neffen Robert und vor Publikum, dass sein Bruder Bernd die Mutter habe vom Hof jagen wollen. Die Verletzungen in solchen Erbstreitigkeiten gehen bisweilen so weit, dass eine Heilung kaum mehr möglich scheint.

Je größer das Vermögen, desto heftiger scheint der Zoff. Es gibt dafür einige Beispiele: die Oetkers, die Albrechts (Aldi) und nun der Tengelmann-Clan. Katrin Haub, Ehefrau des im April 2018 bei einer Ski-Tour verschollenen Karl-Erivan Haub, liegt mit ihren Schwägern Christian und Georg über Kreuz. Sie wollen ihren Bruder für tot erklären lassen. Sie will das nicht, weil sie die Erbschaftssteuer von angeblich mindestens 450 Millionen Euro nicht aufbringen kann.

Warum eigentlich? Dass eines Tages Erbschaftsteuer zu zahlen ist, ist absehbar. Ein guter Unternehmer sollte darauf vorbereitet sein. Aus ausgeschütteten Gewinnen kann die Familie privates Vermögen aufbauen, um die Steuerschuld zumindest teilweise zu tilgen. Und die Abgabenlast, jeder Steuerberater weiß das, lässt sich durch eine frühzeitige Vermögensnachfolgeplanung mildern.

Selbst gewiefte und erfolgreiche Unternehmer versagen kläglich, wenn es um den eigenen Tod geht. Sie versäumen es, frühzeitig und klar Nachfolge und Erbe zu regeln. Das ist fahrlässig und unverantwortlich, denn es geht um viel mehr als um den Reichtum einer Familie und dessen Mehrung. Es geht um beide Systeme, auch um das Unternehmen. Jeder Zoff bringt Tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr. Oft sind die Erben Jahre lang mit sich selbst beschäftigt sind, statt sich um die Firma zu kümmern. Ein solches Verhalten passt auch nicht in das von Lobbyisten und ihnen selbst gezeichnete Bild des fürsorglichen Unternehmers, der sich um seine Mitarbeiter kümmert und gesellschaftlich engagiert.

Seit Jahren beschäftigten sich Psychologen und Juristen damit, wie Familie und Firma, Erbe und Nachfolge harmonisch organisiert werden können. Gesellschafter, denen es wirklich um das Wohl von Familie und Firma geht, schicken ihre Kinder frühzeitig in Seminare, in denen sie lernen, Konflikte friedlich auszutragen und zu lösen. Familien können sich eine Verfassung geben, in der zum Beispiel geregelt ist, wie Konflikte geschlichtet werden können, in der Kriterien für die Nachfolge aufgestellt werden und vieles mehr. Das verhindert nicht jeden Streit, aber die Verfassung erhöht die Chancen auf eine geordnete Konfliktlösung. Sie ist auch bestenfalls moralisch verpflichtend, aber nicht unmittelbar rechtlich bindend. Dazu braucht es Gesellschafter- und Erbverträge. Solche zeugen nicht von Misstrauen gegenüber den Verwandten, sondern von Weitblick.

Das Wertvollste, was Unternehmer ihrer Familie vermachen können, sind klare Regeln für den Todesfall.

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