Kommentar:Die Richtigen entlasten

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Elisa von Grafenstein verzichtet ungern auf den Arbeitsweg. Die Fahrradfahrt ist oft der entspannteste Teil des Tages. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: Bernd Schifferdecker)

Viele arbeiten von daheim aus, werden aber nicht steuerlich entlastet. Es braucht neue Regeln - auch für die Arbeitgeber.

Von Elisa von Grafenstein

Die Pandemie hat die Arbeitswelt grundlegend verändert. Was früher vielen - und insbesondere den Arbeitgebern - unmöglich schien, ist plötzlich selbstverständlich: Seit dem Frühjahr arbeitet ein großer Teil der Deutschen im Home-Office. Ein erstes Fazit vieler: Das klappt erstaunlich gut.

Nun ist es überfällig, dass auch alle, die zu Hause arbeiten, steuerlich entlastet werden. Die bisherigen Regeln sind völlig veraltet. Ein pauschaler Freibetrag für die Pandemie-Zeit, wie ihn gerade SPD- und CDU-Politiker vorschlagen, reicht da nicht.

Es war schon vor Corona falsch, nur Arbeitszimmer steuerlich zu begünstigen, die mindestens zu 90 Prozent diesem Zweck dienten. Nur wer sich so ein reines Arbeitszimmer leisten kann, kann bisher einen Teil der Miete sowie Kosten für Strom und Heizung absetzen. Es gilt: Je größer das Heimbüro, desto größer die steuerliche Ersparnis. Alle anderen dürfen lediglich Material- sowie anteilig Telefon- und Internetkosten steuerlich geltend machen. Wenn sie damit überhaupt über die Werbungskostenpauschale kommen, die ohnehin abgezogen wird. Es ist offensichtlich, wer das Nachsehen hat: junge Leute, Geringverdiener, Menschen, die in teuren Großstädten wie München oder Frankfurt leben und wenig Platz haben. Familien, die sparen müssen.

Es wäre auch langfristig wichtig, dass der Staat Anreize schafft, damit mehr Menschen daheim arbeiten. Wenn weniger Leute morgens ins Auto steigen, um zur Arbeit zu fahren, entlastet das die Umwelt. Insbesondere die im Verkehr erstickenden Großstädte profitieren davon. Auch eine Home-Office-Pauschale ist sinnvoll, um bürokratischen Aufwand und Tricksereien zu vermeiden. Die Mehrkosten lassen sich ohnehin nur schwer quantifizieren: Der eine hatte schon einen schnellen Internetanschluss, weil er gerne streamt, die andere legte ihn sich erst zu, damit die Videokonferenzen nicht mehr ruckeln. Die Heizkosten fallen, gerade in den kalten Monaten, im Home-Office höher aus, dafür kann sich mancher das Monatsticket für Bus oder Bahn sparen oder gibt weniger an der Tankstelle aus.

Wenn konkrete Kosten entstehen, etwa weil ein neuer Bürostuhl oder eine Schreibtischlampe her muss, ist aber nicht nur der Staat in der Pflicht. Vielmehr müsste der Arbeitgeber für diese Ausgaben aufkommen. Er ist es ja, der von der räumlichen Flexibilität seiner Mitarbeiter profitiert, insbesondere dann, wenn die Arbeit im Unternehmen, etwa wegen gesundheitlicher Risiken, nicht möglich ist. Studien zeigen, dass Angestellte zu Hause oft mehr arbeiten als im Büro. Vor allem aber sparen die Unternehmen Geld, wenn ihre Mitarbeiter - mit allen dazugehörigen Widrigkeiten - einen Teil ihrer Wohnung als Arbeitsraum zur Verfügung stellen. Manche vermuten, dass in Zukunft gar 20 Prozent weniger Büroraum nötig sein werden.

Letztendlich geht die Steuer-Diskussion aber an den viel drängenderen Fragen zum Home-Office während und nach Corona vorbei: Wie lässt sich vermeiden, dass Präzedenzfälle geschaffen werden? Wer krank, aber nicht schwer krank ist, kann ja von zu Hause arbeiten, so könnte es bald heißen. Wer ein krankes Kind daheim betreuen muss, sowieso - Corona hat ja gezeigt, dass das geht. Unternehmen könnten von Angestellten verlangen, daheim arbeiten zu müssen. Nicht jeder und jede kann und möchte das. Gleichzeitig muss es, so möglich, ein Anrecht auf Heimarbeit geben. Es ist ein schlechter Witz, dass selbst ein so zögerlicher Vorschlag wie der des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil verhindert wurde. 24 Tage Anrecht auf Home-Office geht nicht weit genug - trotzdem hat Kanzlerin Angela Merkel nun eine endgültige Absage erteilt. Sie habe Verständnis, dass Unternehmer "jetzt nicht so viele neue Dinge haben wollen". Nun, die Arbeitnehmer mussten auch mit einigen neuen Dingen klarkommen: Sie haben den extremen Wandel der Arbeitswelt mitgetragen und gestaltet.

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