Kommentar:Daten in falschen Händen

Lesezeit: 2 min

Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Die Eigentümer könnten die Schufa an einen Finanzinvestor verkaufen - sicherlich nicht zum Vorteil der Verbraucher.

Von Nils Wischmeyer

Die Schlagzeile dürfte die meisten Deutschen stutzig machen: Finanzinvestor könnte Schufa kaufen. "Was, wie soll das denn gehen?", werden sich einige gefragt haben. Schließlich ist die Auskunftei in der Wahrnehmung vieler Menschen eine Behörde wie die Führerscheinstelle oder das Finanzamt. Eine Behörde noch dazu, die viel weiß, noch mehr wissen möchte und vielen Menschen unheimlich ist in ihrer Macht. Die Auskunftei Schufa aber ist keine Behörde, sondern ein privates Unternehmen, das vorrangig deutschen Geldhäusern gehört - die nun wohl über einen Verkauf dieser mächtigen Institution an Finanzinvestoren nachdenken.

Für die Auskunftei wäre es ein logischer Schritt, den ihresgleichen schon gingen. Die Schufa aber hat eine Sonderrolle, weshalb Verbraucherinnen und Verbraucher den Verkauf bedauern dürften. Denn die Schufa hat ein Quasi-Monopol in Deutschland, hat Informationen über 68 Millionen Deutsche und damit so viel wie keine andere Auskunftei in der Bundesrepublik. Kauft ein Finanzinvestor die Firma mit all ihren Datenschätzen, wird er sich sicherlich nicht damit begnügen, die Auskunftei so weiterlaufen zu lassen. Investoren wollen Rendite, wollen Marge, wollen Gewinne - und all das kommt nicht durch den Normalbetrieb und ein paar Kostensenkungen. Politiker und auch die Eigentümer sollten sich also ganz ernsthaft fragen: Wollen wir das?

Sobald ein Investor die Kontrolle über die Auskunftei Schufa übernommen hat, wird er selbstverständlich neue Geschäftsmodelle auskundschaften. Diese werden mutmaßlich darauf abzielen, mehr Daten zu bekommen und noch viel mehr Geschäfte mit den schon vorhandenen Daten voranzutreiben. Schon in der Vergangenheit hat die Schufa versucht, neue Datenquellen zu erschließen, was Datenschützer teils heftig kritisiert haben. Vor ungefähr zehn Jahren wollte die Auskunftei etwa die Facebook-Daten der Menschen nutzen, um mehr über sie zu erfahren. Zuletzt wollte sie gern die Kontoauszüge der Deutschen durchstöbern und mit diesen Daten neue Produkte bauen - oder wie man auch sagen könnte: Sie wollte mit ihnen mehr Geld verdienen, mehr Marge machen.

Solche Projekte dürften unter einem rein renditegetriebenen Investor beileibe nicht weniger werden, und das sollte alle in Sorge versetzen. Denn Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland werden diese neue Gangart zu spüren bekommen. Bei allen wichtigen Lebensentscheidungen sind die Deutschen auf die - wenn auch nicht immer geliebte - Schufa und ihre Bewertung angewiesen. Egal ob der Abschluss eines Mobilfunkvertrags ansteht, der Kauf eines Autos oder die Finanzierung einer Immobilie: Der Schufa-Score entscheidet am Ende darüber, ob das Geschäft zustande kommt. Diese Macht ist für jeden Investor ein willkommenes Druckmittel, um noch mehr Daten einzufordern. Das werden alle merken.

Natürlich gibt es noch den deutschen Datenschutz, doch ist der in weiten Teilen ein Flickenteppich, bei dem findige Juristen gut und gerne Schlupflöcher finden können. Und auch die vielen Landesbehörden, die einen teils scharfen Blick auf die Auskunfteien haben, könnten künftig ins Straucheln geraten. Bereits in der Vergangenheit haben sie mehr als ein Projekt begraben oder nach teils öffentlicher Kritik abschwächen lassen. Doch ob sie es auch schaffen, einem Finanzinvestor mit mehr Budget, mehr Anwälten und weniger Skrupel einen Riegel vorzuschieben, ist fraglich.

Dass die Schufa also ein deutsches Unternehmen mit deutschen Eigentümern bleibt, ist eigentlich nur zu wünschen. Zu viele Risiken gäbe es, sollte ein Finanzinvestor mit großen Renditehoffnungen die Datenschätze der Auskunftei und all ihre Macht einkaufen.

Wenn es also hart auf hart kommt, gibt es für den Staat eine ungewöhnliche Möglichkeit: Er muss die Schufa selbst kaufen. Dann würde die Auskunftei doch noch eine Behörde werden - und die Daten der Deutschen müssten keine Rendite mehr bringen. Stattdessen könnten die Datensätze ihrem ursprünglichen Zweck dienen, nämlich die Bonität der Menschen beurteilen, um ihnen den nächsten Vertrag oder Kauf zu ermöglichen und andere Unternehmen vor Risiken zu schützen. Das darf den deutschen Staat ruhig auch etwas kosten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: