Kommentar:Das könnt ihr besser

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Es klingt erst mal gut, wenn die EU-Kommission durchsetzen will, dass Bioware keine Spuren giftiger Pflanzenschutzmittel mehr enthalten darf. Doch die Sache hat einen Haken. Das Angebot könnte noch knapper werden.

Von Silvia Liebrich

Wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin. Darauf können sich Verbraucher beim Einkaufen im Supermarkt im Großen und Ganzen verlassen. Dass dies so ist, verdanken sie einem Umstand, der im Lebensmittelhandel eher selten vorkommt: Die Öko-Branche gehört zu den wenigen Sektoren, für die es verbindliche Regeln gibt und nicht nur freiwillige Vorgaben, die Produzenten einhalten können, wenn sie Lust dazu haben. Eine davon ist, dass Bio-Landwirte keine Pestizide einsetzen dürfen, genauso wenig wie künstlichen Dünger. Käufer von Bio-Ware legen darauf besonders großen Wert.

Da klingt es erst mal gut, wenn die EU-Kommission durchsetzen will, dass etwa Bio-Äpfel oder Bio-Weizen so gut wie keine Spuren giftiger Pflanzenschutzmittel enthalten dürfen. Viele Verbraucher würden dem wohl sofort zustimmen. Doch die Sache hat einen Haken: schärfere Grenzwerte für Pestizide würden nicht nur viele Öko-Bauern in Schwierigkeiten bringen. Sie dürften wohl auch dazu führen, dass das ohnehin schon knappe Angebot an Bio-Lebensmitteln aus EU-Produktion weiter abnimmt - und das kann nicht im Interesse der Verbraucher sein.

Versprüht ein Bauer Gift, rieselt ein Teil davon auch auf dem benachbarten Bio-Acker nieder

Die deutschen Öko-Verbände laufen seit Monaten Sturm gegen die Pläne der Kommission, die die Verantwortung für saubere Bio-Produkte allein den Öko-Bauern aufhalsen will. Auch im EU-Parlament regt sich Widerstand. Der Protest ist berechtigt. Schließlich liegt es nicht allein in deren Hand, dass die Ware giftfrei bleibt. Solange 95 Prozent der Landwirte in Europa konventionell arbeiten und große Mengen an Mengen Pestiziden einsetzen, ist das kaum möglich. Versprüht ein Bauer Gift auf seinem Feld, kann ein geringer Teil davon auch auf dem benachbarten Bio-Acker niederrieseln.

Obstbauern, die in Südtirol Bio-Äpfel anbauen, machen diese Erfahrung Jahr für Jahr. Studien zeigen, dass konventionelle Bauern ihre Plantagen bis zu 24 Mal im Jahr spritzen. Der Sprühnebel wird vom Wind oft weit über die Grundstücksgrenzen hinausgetragen und landet so auch auf Bio-Anbauflächen. Das Nachsehen haben die Ökoproduzenten, die ihre Äpfel nicht mehr als "Bio" deklarieren können. Auf dem Schaden bleiben sie sitzen.

Die große Gefahr ist, dass die Reform der EU-Bio-Regeln am Gezerre um Grenzwerte für Pestizide endgültig scheitern könnte. Seit drei Jahren wird über eine neue EU-Öko-Verordnung gestritten. Die bisherige stammt aus dem Jahr 1992, also aus einer Zeit, in der die Bio-Branche noch in ihren Anfängen steckte. Der Anbau von Bio-Karotten oder -Kartoffeln war damals vor allem etwas für Idealisten, die vom Nutzen der ökologischen Landwirtschaft absolut überzeugt waren. Das hat sich gründlich geändert. Bio hat sich zu einem Massenmarkt entwickelt, der gute Gewinnmargen verspricht. Das macht ihn aber auch anfälliger für Betrügereien.

Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln in Deutschland und im restlichen Europa ist heute größer denn je. Sie ist so stark gewachsen, dass die Erzeuger in Europa nicht genug liefern können. Immer mehr Ware muss deshalb importiert werden, teils aus weit entfernten Regionen. Sinnvoll ist das nicht. Der Transport ist teuer, und er schadet dem Klima. Die EU braucht neue Regeln für den Bio-Markt, um diese Probleme zu bewältigen.

Schärfere Grenzwerte für Pestizide zu fordern ist durchaus richtig, auch im Sinne der Verbraucher. Dafür zu sorgen, dass sie eingehalten werden, kann aber nicht allein die Aufgabe der Bio-Erzeuger sein. Dazu bedarf es umfassender Reformen, die auch die konventionelle Landwirtschaft einbeziehen. Ziel muss es sein, den Einsatz von Pestiziden insgesamt zu senken, dann landet auch weniger auf dem nächsten Bio-Acker. Verursacher müssen stärker in Regress genommen und Bio-Bauern stärker gefördert werden.

Längst überfällig sind zudem einheitliche Kontrollsysteme in den EU-Mitgliedsstaaten. Es gib zwar einheitliche Regeln, doch sie werden höchst unterschiedlich umgesetzt. In manchen Ländern sind beispielsweise staatliche Stellen zuständig dafür, Bio-Betriebe zu überwachen. In anderen Ländern, dazu gehört Deutschland, übernehmen private Firmen diese Aufgabe. Es fehlt zudem ein Überblick darüber, wie viel Bio-Ware genau in den einzelnen Länder produziert wird, weil das in den Statistiken nicht gesondert erfasst wird. Dabei wäre gerade das wichtig, um Betrügern auf die Spur zu kommen.

Nichts von allem hat die EU-Kommission in ihrem halbgaren Reformvorschlag berücksichtigt. Dass die Gespräche in Brüssel in der vergangenen Woche vorerst abgebrochen wurden, ist deshalb kein großer Verlust. Wichtig ist nur, dass es einen neuen Versuch gibt. Das geht noch besser, so viel ist sicher.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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