Kommentar:Corona sozial abfedern

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In der Pandemiekrise verlieren jene am meisten, die schon vorher wenig hatten. Das muss die Regierung stoppen, sonst droht ein Rechtsruck.

Von Alexander Hagelüken

In der menschlichen Geschichte wirkten Katastrophen oft gleichmacherisch. Gestorben sind bei Seuchen oder Kriegen Arme wie Reiche. Finanziell jedoch verringerten solche Ereignisse die Unterschiede häufig. Wer viel hatte, hatte viel zu verlieren. Nun legen Forscher nahe, dass dies bei Corona anders sein könnte.

Schon ein Blick auf den Dax zeigt, dass die gesellschaftliche Minderheit der Aktionäre unterm Strich ihr Vermögen gehalten hat. Beim Einkommen erlitten Topverdiener mit mehr als 4500 Euro netto im Monat seltener Einbußen als alle anderen Schichten. Am häufigsten verloren jene, die ohnehin am wenigsten verdienen. Sie verloren auch am meisten. Wer wenig hatte, hat jetzt noch weniger.

Dieser Wirtschaftseinbruch ist anders. Diesmal trifft es viele kontaktreiche Dienstleistungen vom Restaurant über Geschäfte bis zur Körperpflege, die besonders oft dichtgemacht werden - und ohnehin schlecht bezahlt. Die Pandemie erfordert eine neue Sozialpolitik, bevor der berechtigte Frust der Verlierer die Demokratie noch mehr beschädigt.

Insgesamt hat die Regierung ja viel richtig gemacht. Sie hat schnell reichlich Geld ausgegeben, schneller und reichlicher als andere Regierungen. Die Finanzierung der Kurzarbeit verhinderte die Massenarbeitslosigkeit, die andere Länder erleben. Nun muss die Regierung versuchen, die soziale Schlagseite von Corona in den Griff zu bekommen. Ob Alleinerziehende, Migranten, Geringverdiener mit Kindern oder Künstler ohne Ersparnisse - sie sind besonders betroffen und systemrelevanter als Tui oder Lufthansa.

Die Regierung kann an verschiedenen Stellen ansetzen. Wenn Schulen und Kitas zusperren, müssen schlecht bezahlte Verkäuferinnen oder Pfleger freinehmen und auf den Lohn verzichten, um ihre Kinder zu betreuen - ins Homeoffice können sie anders als Akademiker nicht. Staatliche Betreuung sicherzustellen ist also Sozialpolitik. Und es geht noch mehr. Ein zusätzlicher Kinderbonus würde Wenigverdienern helfen. Genauso wie eine Mindesthöhe des Kurzarbeitergeldes - bei niedrigen Löhnen ist die Lücke zum normalen Verdienst schwerer verkraftbar. Die Regierung sollte auch mehr für freiberufliche Musiker oder Kosmetikerinnen tun, die um ihre Existenz ringen.

Sobald die Regierung wieder Luft hat, sind dann grundsätzliche Reformen angesagt. Die Coronakrise legt erneut offen, wie viele Niedriglöhner es in Deutschland gibt. Mehr Tarifverträge würden das ändern. Und das Schicksal vieler Selbständiger legt nahe, dass für sie eine Art Arbeitslosenversicherung gut wäre.

Es ist gefährlich, dass die Pandemie Arm und Reich im Land weiter auseinandertreibt. Jene mit wenig Geld gehen schon bisher seltener wählen und fallen häufiger auf die AfD herein. Nun zeigt sich, dass sie empfänglicher für die Corona-Leugner sind. Solche politischen Konsequenzen schaden uns allen.

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