Kolumne: Das deutsche Valley:Im Studio

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(Foto: Bernd Schifferdecker/Bernd Schifferdecker)

Konferenzen in Corona-Zeiten sind online, ist ja klar. Aber die Sehnsucht wächst, andere Menschen auch mal wieder "in echt" zu sehen und zu sprechen - auch bei Angela Merkel.

Von Marc Beise

Wer sich in diesen Tagen zu einer Konferenz anmelden möchte, hat es einfach: Er weiß, dass seine Teilnahme nur online möglich ist, denn den Veranstaltern sind enge Grenzen gesetzt, wie viele Menschen in einem Raum erlaubt sind. Und alle Veranstalter halten sich daran, aus Verantwortungsbewusstsein für die Gesundheit aller Beteiligten, aber auch im eigenen Interesse, denn sie wollen die Mitwirkenden schützen und nicht in den Ruf geraten, das tückische Virus weiterverbreitet zu haben. Nur wenn man bei der AfD und von allen guten Geistern verlassen ist, trifft man sich mit Hunderten von Menschen in einer Halle, darunter viele, die die Maske murrend und halbherzig aufziehen, wenn überhaupt. Davon abgesehen: Ohne PC, Laptop oder Smartphone wird das derzeit richtigerweise nichts mit der Teilnahme an einem Kongress.

So einfach die Sache also für Teilnehmer ist, so kompliziert wird es für die Veranstalter. Mal abgesehen davon, dass die Branche in ganz besonderer Art und Weise von den derzeitigen Einschränkungen betroffen und ihr Geschäft regelrecht zusammengebrochen ist und übrigens viele der Mitarbeiter - weitgehend unbeachtet - immer noch in Kurzarbeit sind, stellen sich auch grundsätzliche organisatorische Fragen: Wie kriegt man so eine Konferenz am besten auf die Bühne?

Und sie muss ja auf die Bühne, mehr denn je. Konferenzen sind ja kein Selbstzweck, keine Kür im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, wissenschaftlichen Leben. Nett, wenn es sie gibt, es geht aber auch ohne? Eben nicht! Konferenzen sind Teil des gesellschaftlichen Diskurses, und wann, wenn nicht jetzt in diesen merkwürdigen und so beängstigenden Zeiten, braucht es diesen Diskurs.

Digital nachhaltiger leben - ein Anfang ist gemacht

Die Bundesregierung hat Anfang dieser Woche den jährlichen Digitalgipfel veranstaltet, eine zweitägige Großveranstaltung, bei der der Stand der Digitalisierung in Deutschland vermessen wird und die üblicherweise durch die Bundesländer tingelt und ganz bewusst auch außerhalb der Millionenmetropolen Station macht, in Dortmund etwa, in Nürnberg und in Ludwigshafen. 2020 war eigentlich Jena in Thüringen an der Reihe, aber daraus wurde nichts. Erstmals war der Digitalgipfel im Wortsinne und tatsächlich, ja, was wohl: digital.

Das Thema lautete diesmal: Digital nachhaltiger leben, und das war eine kluge Botschaft. Sie zeigt: Derzeit geht es nicht nur darum, die Krise zu bewältigen, was schwer genug ist. Sondern es geht immer noch auch um Klima- und Umweltpolitik, denn die Zerstörung der Erde hat ja nicht haltgemacht, nur weil einige Aktivitäten für einige Monate runtergefahren worden sind. Die gute Nachricht ist: Beide Trends, Digitalisierung und Nachhaltigkeit, finden in der Wirtschaft immer mehr zueinander, Unternehmen entdecken hier lockende Geschäftsmodelle, und so ergänzen sich Moral und Geschäft. Oder etwas vorsichtiger formuliert: Es entwickelt sich hier etwas, und beim Digitalgipfel wurden Mut machende Beispiele gezeigt.

Aber viel fehlt halt noch, das muss man auch sagen, und die Rolle des Dränglers übernahm der Präsident des Technologieverbands Bitkom, Achim Berg. Die Corona-Krise zeige nicht nur, dass etwas geht, sagte er, sondern auch, was nicht geht. Noch vor einem Jahr hätten sich 39 Prozent der Firmen als Vorreiter gesehen, in diesem Jahr seien es nur noch 27 Prozent gewesen. Andere Staaten seien bei der Digitalisierung deutlich weiter als Deutschland. Dabei habe man wirklich genug Zeit gehabt, die Erfordernisse frühzeitig erkannt und auch das nötige Geld für die Umsetzung gehabt.

Berg erinnerte Bundeskanzlerin Angela Merkel, sozusagen fernmündlich von Studio zu Studio, daran, dass sie beide schon vor zehn Jahren gemeinsam auf der Bühne Probleme angesprochen hätten, die immer noch nicht vom Hof seien. (Fehlende) Geschwindigkeit sei das große Thema. "Einverstanden", sagte Merkel, die im Jahr 2013 mit dem berühmten Satz "Das Internet ist für uns alle Neuland" den Startschuss zu einer Digitalisierungsoffensive hatte geben wollen - das ist aber auch schon wieder sieben Jahre her, bei dieser Technologie eine halbe Ewigkeit.

"Ich komme nicht mehr raus", sagt die Kanzlerin

Dennoch übernahm die Kanzlerin eher den optimistischen Part: Klappt doch schon viel, aber man muss die Bürger auch mitnehmen. Sogar dem Arbeiten in Zeiten der Pandemie gewann sie Positives ab. Klappt doch schon viel, aber man muss die Bürger auch mitnehmen. Sogar dem Arbeiten in Zeiten der Pandemie gewann sie Positives ab. Viele Reisen fallen weg, Digitalkonferenzen funktionieren besser als erwartet.

Aber die Kanzlerin sagte auch: "Ich komme nicht mehr raus." Meistens sei sie ja im Kanzleramt, mit einem extrem verdichteten Kalender. Rein ins Studio, raus aus aus dem Studio, was fehlt: Gespräche mit den Mitarbeitern, Weiterbildung, auch mal Momente des Durchschnaufens.

Das war - Achtung, Werbeblock - auch eine Erfahrung des Wirtschaftsgipfels der Süddeutschen Zeitung. Der hatte Mitte November natürlich auch ohne Gäste getagt, aber die Rednerinnen und Redner an den üblichen Veranstaltungsort im Hotel Adlon in Berlin gebeten. Und das Spannende: Die weit überwiegende Zahl der Angesprochenen kam sehr bewusst auch tatsächlich in Person, und wer sich doch lieber zuschalten ließ, tat sich schwer mit der Absage.

Es ist halt so: Menschen sind - Ausnahmen bestätigen die Regel -soziale Wesen, sie suchen den Kontakt, sie wollen sich treffen, sehen, spüren. Das ist nämlich einer der großen Irrtümer bei der Digitalisierung: dass deren Protagonisten sich nicht mehr sehen müssen und das auch nicht mehr wollen. Wollen sie eben doch - und das ist dann mal eine gute Nachricht in trüben Zeiten.

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