Kolumne: Das deutsche Valley:Die Weihnachtshelden

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(Foto: Bernd Schifferdecker/Bernd Schifferdecker)

Das Corona-Jahr war auch das Jahr, in dem die Digitalisierung in Deutschland ganz praktisch bei den Bürgern angekommen ist. An den Feiertagen ist sie ein besonderer Segen.

Von Marc Beise

Weihnachten kommt, natürlich auch in dieser Digitalkolumne, was denn sonst. In Berlin wurden diese Woche "Digitale Weihnachtshelden" ausgezeichnet, berichtet die Katholische Nachrichten-Agentur KNA. Das ist ein Sonderpreis der Initiative "Digital für alle" von 28 Organisationen, darunter der Deutsche Caritasverband, die Diakonie, der Deutsche Kulturrat sowie die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Die Initiative hatte im Juni den ersten bundesweiten Digitaltag ausgerichtet, schon während der Corona-Pandemie also. Corona und Digitalisierung, das ist ein prägendes Themenduo dieses Jahres.

Digitale Technologien ermöglichten während der Pandemie zwischenmenschliche Kontakte, erklärte Anna-Lena Hosenfeld von "Digital für alle" bei der Preisverleihung, das zeichne die "Digitalen Weihnachtshelden" aus. Es ging um Angebote wie "Weihnachtssingen zuhause", die "Kindertrauergruppe online", den "Digitalen Chor für alle" und den "Bewegungskalender für die Adventszeit", von "Nikolaus goes digital" ganz zu schweigen. Um Techniken also, die gemeinschaftliche Begegnungen in der besinnlichen Zeit des Jahres mit Hilfe der neuen Technik möglich machen, trotz der coronabedingten Einschränkungen.

Das klingt wie kleines Karo und ist doch wirkmächtig. Wenn der direkte Kontakt noch etwas zählt, dann ja in der Weihnachtszeit, wenn traditionell Alt und Jung im Wortsinne und körperlich zusammenkommen, die Neugierigen und die Verzagten und selbst die, die sich übers Jahr kaum für einander interessiert haben. Und zugleich sind besonders viele der Menschen involviert, die dieser schrecklichen Digitalisierung, über die man immer so viel hört, weiter mit Skepsis begegnen, mit Unsicherheit oder sogar offener Ablehnung.

In vielen Pflegeheimen gibt es kein Wlan

Corona hat in diesem Jahr die Digitalisierung in Deutschland vorangetrieben, das ist allgemein bekannt, in den Schulen, in der Verwaltung, zu Hause. Die Bundesrepublik steht immer noch nicht an der Spitze der Erneuerung, wirklich nicht, aber die Digitalisierung kommt gut voran - an Weihnachten werden wir es erleben.

Überall im Land bekommen Menschen, die sich gerade mal ans Handy gewöhnt haben, von ihren Kindern oder Enkeln das Smartphone erklärt oder das Tablet. Es geht nicht anders, denn die Großeltern bleiben besser zu Hause oder im Heim: In diesem Jahr unterbricht Corona viele Besuchstraditionen - das ist die Stunde der virtuellen Technik.

Dabei neigen Digitalprofis dazu, die Möglichkeiten von Anfängern zu überschätzen. Ausführlich wird über Anbieter wie Zoom, Teams oder Skype berichtet, die Videotreffen zu einem fast schon sinnlichen Erlebnis machen. Wenn Zoom das 40-Minuten-Zeitlimit über die Feiertage aufgehoben hat, jubelt die Community. Nur: Die Einrichtung der Software und selbst nur das Einwählen kann unerfahrene Menschen an ihre Grenzen bringen. Alltagserfahrung zeigt, dass alles, was, sagen wir, über Video per Whatsapp hinausgeht, eher Frust produziert. Und nicht mal das ist, mit Blick auf die Älteren, die in diesem Jahr wegen Corona allein bleiben, immer hilfreich. In rund zwei Dritteln der Pflegeeinrichtungen gibt es kein Wlan, es geht also nicht ohne mobiles Datenvolumen - aber ist daran gedacht worden?

Was die Unerfahrenen von den (meist jungen) Digital natives lernen können: Locker bleiben, auch wenn es mit der Technik mal nicht klappt. Ein wenig rumprobieren, immer lächeln, nicht verzweifeln. Und notfalls zum guten alten Telefon zu greifen, das ist ja weiterhin nicht verboten.

"Stille Nacht" war vor 100 Jahren die erste Übertragung im Radio

Am Ende, man wird es sehen, wird nach diesem Weihnachten trotzdem die digitale Durchdringung des Lands vorangekommen sein. Und das ist so wichtig, denn niemand darf abgehängt werden, wenn gesellschaftliche Teilhabe noch funktionieren soll. Was einerseits schwierig genug ist angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Rechnerleistung gerade wächst. Und andererseits aber eben kein Anlass zur Furcht sein soll. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass eine revolutionäre Technik Kommunikation verändert.

Auch das Radio hat klein angefangen, in Deutschland vor gerade mal 100 Jahren, übrigens ganz genau auf den Tag, ebenfalls kurz vor Weihnachten. Entsprechend besinnlich war der Start, wie die Deutsche Presseagentur DPA meldet: mit einer kleinen Ansprache und dem Lied "Stille Nacht". Am 22. Dezember 1920 versammelten sich Postbeamte auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen bei Berlin zu einem Weihnachtskonzert - die Live-Übertragung ihrer Musik gilt als erste deutsche Rundfunksendung.

Schon wenige Jahre später wird die neue Technik Massenmedium. Anfang 1924 zählte das Amt 1580 Rundfunkteilnehmer, am Jahresende waren es beinahe 550 000, ein Jahr später war die Millionengrenze geknackt. Heute hören mehr als 50 der mehr als 80 Millionen Menschen in Deutschland Radio, an einem normalen Werktag.

In diesem Jahr wurden laut dem zuständigen Branchenverband GFU 3,6 Millionen Empfangsgeräte verkauft. Mehr als 90 Prozent aller Haushalte haben mindestens ein Radio, bereits ein Viertel verfügt über ein digitales DAB+-Radio, und 15 Prozent über eine Möglichkeit für Webradio.

Fernsehen, Netflix, alles gut und schön - Audio ist weiter gefragt, Podcast sogar der neue Trendkanal. Und alles hat mit Digitalisierung zu tun. Schöne Weihnachten!

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