Klimaschutz:Falsche Richtung

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Qualmende Schornsteine eines Blockheizkraftwerkes in Berlin. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die deutsche Industrie stieß im vergangenen Jahr überraschend mehr Treibhausgase aus als 2014. Das läuft allen Zielen der Bundesregierung zuwider.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Drei Monate nach der fulminanten Klimakonferenz in Paris sieht sich die Bundesregierung ernüchternden Zahlen gegenüber. Nach neuesten Daten des Umweltbundesamtes sind die Treibhausgas-Emissionen im vorigen Jahr nicht gesunken, sondern wieder leicht angestiegen. Mit 908 Millionen Tonnen so genannter Kohlendioxid-Äquivalente liegen sie um 0,7 Prozent über dem Vorjahr. 2014 stießen Kraftwerke, Industrie und Verbraucher hierzulande 902 Millionen Tonnen aus.

Der Anstieg geht allerdings zum größten Teil auf einen höheren Erdgas-Absatz zurück und damit auf die Heizwärme. Die Zahlen spiegeln also auch einen kühlen Winter - und die immer noch schleppende Sanierung von Wohngebäuden. "Hier gibt es Handlungsbedarf", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Im "Wärmesektor" lägen enorme Potenziale. Über derlei Handlungsbedarf allerdings wird schon seit Jahren ohne große Resultate diskutiert. Auch im Verkehr wachsen die Emissionen weiter an, ungeachtet effizienterer Motoren. In der Industrie sorgten die Hersteller von Metallen und mineralischer Produkte wie Zement oder Glas für einen Anstieg.

Gemessen an 1990, dem Basisjahr der Statistik, sind die deutschen Emissionen damit um insgesamt 27,2 Prozent zurückgegangen - aber das ist noch meilenweit entfernt von jenen 40 Prozent minus bis 2020, die sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen hatten. Eines der größten Probleme sieht Hendricks in der "anhaltend hohen Produktion von Kohlestrom". Dabei werde mittlerweile fast ein Drittel des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt. "Ein schrittweiser Ausstieg aus der Kohleverstromung ist ohne Engpässe bei der Stromversorgung möglich", sagt sie. Hendricks Ministerium arbeitet gerade an einem "Klimaschutzplan 2050", der den Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft skizzieren soll. Kommenden Samstag will sie Empfehlungen von Bürgern und Verbänden dazu entgegennehmen. Schon im vorigen Jahr war ein "Klimaaktionsplan" in Kraft getreten, der unter anderem die Stilllegung erster Braunkohlekraftwerke von 2017 an vorsieht.

Unterdessen fordert der für Energie zuständige Wirtschafts-Staatssekretär Rainer Baake einen noch schärferen Kurswechsel. So sollten künftig Effizienz und erneuerbare Energien zum "Investitionsstandard" werden, forderte er in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung Die Zeit. "Investitionen in fossile Strukturen müssen zur Ausnahme werden." Dazu zählt neue Kohlekraftwerke und Tagebaue ebenso wie - langfristig - in Verbrennungsmotoren. "Wenn wir 2050 nicht immer noch mit Benzin und Diesel unterwegs sein wollen, muss die Umstellung der Antriebe von fossil auf Erneuerbare bis 2030 erfolgt sein", sagt Baake.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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