Klimaschutz:Der Billionen-Hammer

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Werner Hoyer, Chef der Europäischen Investitionsbank, spricht von "gigantischen" Herausforderungen. (Foto: Cole Burston/Bloomberg)

Die Europäische Investitionsbank soll den grünen Umbau der Wirtschaft unterstützen. Instituts-Chef Werner Hoyer wirbt um Beiträge privater Geldgeber - und verspricht Osteuropa großzügige Hilfe.

Von Björn Finke, Brüssel

Der Bankchef redet von einer "gigantischen Herausforderung", einem "ziemlichen Hammer", einem "sehr hohen Berg, der erklommen werden muss": Die Herausforderung, die Werner Hoyer meint, ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Die von ihm geleitete Europäische Investitionsbank (EIB) soll Ausgaben von einer Billion Euro für Klima- und Umweltschutz ermöglichen, in den zehn Jahren von 2021 bis 2030. Das sind 100 Milliarden Euro pro Jahr. Solche Versprechen "können einem immer um die Ohren fliegen", sagt Hoyer, ein ehemaliger FDP-Staatsminister. "Aber wir dürfen nicht aus Angst darauf verzichten, die Latte hoch zu legen."

Der Verwaltungsrat des Luxemburger Instituts, das zu den größten Geldhäusern der Welt gehört, segnete die ehrgeizigen Ziele jetzt ab. Das Investitionsprogramm ist ein wichtiger Teil der Pläne von Ursula von der Leyen, Europa zum Vorreiter beim Klimaschutz zu machen. Die designierte Präsidentin der EU-Kommission verkündete schon im Sommer, sie wolle die EIB in die "Klimabank Europas" verwandeln und eine Billion Euro grüne Investments anstoßen. Eigner des 1958 gegründeten Instituts sind die EU-Mitgliedstaaten. Die EIB fördert mit günstigen Darlehen den Bau von Kraftwerken, Straßen oder Datenleitungen. Kleinen Unternehmen stellt die Bank ebenfalls Geld zur Verfügung, außerdem ist sie bereits der bedeutendste Finanzier von Klimaschutz-Projekten weltweit.

Doch deren Anteil an den ausgegebenen Krediten soll sich nun bis 2025 fast verdoppeln, auf 50 Prozent, damit die Bank am Ende die magische Billionen-Marke knackt. Das Billionen-Ziel sei im Austausch mit von der Leyen entstanden, erinnert sich Hoyer: "Wir hatten Kontakt und darüber gesprochen, welche Größenordnung man sich vorstellen kann." Der 68-Jährige kennt die CDU-Politikerin noch aus gemeinsamen Regierungszeiten in Berlin, als er Staatsminister im Auswärtigen Amt war und sie Familien- und Arbeitsministerin. Seit 2012 ist Hoyer Präsident der EIB.

Dass der neue Fokus auf Klimaprojekte andere Förderziele an den Rand drängt, etwa die Unterstützung armer Regionen oder von kleinen Firmen, glaubt der Manager nicht. "Um die Billion zu erreichen, müssen wir uns von der Idee verabschieden, dass die Förderziele in Konkurrenz zueinander stehen", sagt er. Projekte müssten mehreren Zielen dienen, also etwa benachteiligte Gegenden voranbringen und zugleich klimafreundlich sein.

Die EIB deckt immer nur einen Teil der Finanzierung mit ihren billigen Krediten ab, der Rest stammt von anderen Banken. Von den jährlich 100 Milliarden Euro für grüne Investitionen, die Hoyer verspricht, sollen 30 bis 35 Milliarden Euro aus seiner Kasse fließen, für die Differenz "müssen wir Private zur Mitfinanzierung gewinnen", sagt er. Dass es gar nicht genügend Klima- und Umweltschutzvorhaben geben könnte, hält er für abwegig. "Wir werden Ideen finanzieren, an die jetzt noch niemand denkt", sagt er.

Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten verhandeln gerade über ein Klassifizierungssystem, das erstmals verbindlich festlegt, welche Branchen und Projekte als umwelt- und klimafreundlich gelten und welche nicht. Hoyer sagt, die Bank werde sich an diesem System orientieren, um zu entscheiden, ob ein finanziertes Vorhaben zum grünen Portfolio gehört.

"Um die Billion zu erreichen, müssen wir uns von der Idee verabschieden, dass die Förderziele in Konkurrenz zueinander stehen."

Mit der Klassifizierung will die EU das Vertrauen von Anlegern in grüne Aktienfonds und Anleihen stärken. Die einheitlichen Kriterien sollen verhindern, dass Investmenthäuser angeblich grüne Fonds verkaufen, die ihr Geld tatsächlich in wenig umweltfreundliche Industrien stecken. Hoyer hält die Regulierung für überfällig: "Die EIB war die erste Bank, die grüne Anleihen ausgegeben hat. Das ist jetzt ein milliardenschwerer Markt, auf dem sich aber auch Gestalten tummeln, deren Anleihen nur grün angemalt sind." Für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft seien hohe Investitionen nötig. "Öffentliche Mittel allein reichen da nicht", sagt Hoyer. "Wir brauchen das Geld privater Investoren, doch die kommen nicht, wenn sie nicht darauf vertrauen können, dass grüne Finanzprodukte wirklich grün sind."

Die EIB wird nicht nur drastisch mehr Klimaschutz-Projekte fördern, sondern verabschiedet sich zudem vom Gas. Kohlekraftwerke werden schon lange nicht mehr mit günstigen Darlehen bedacht; nun beschloss der Verwaltungsrat, von 2022 an keine Gaskraftwerke und -pipelines mehr zu finanzieren, da Gasmeiler ebenfalls viel klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen. Hoyer wollte sogar ein Jahr früher aussteigen, doch wichtige Aktionäre wie die deutsche und italienische Regierung forderten einen Aufschub. "Man muss eben auch Zugeständnisse machen, um die Zustimmung zu gewinnen", sagt der Bankpräsident.

Die Vertreter Polens, Ungarns und Rumäniens votierten trotzdem gegen die neue Kreditpolitik, weil ihnen das Aus fürs Gas zu früh kommt. "Es war klar, dass einige nicht zustimmen konnten", sagt Hoyer. Der Abschied von fossilen Energien sei für manche EU-Staaten, vor allem in Osteuropa, "wahnsinnig schmerzhaft".

Die künftige Kommissionspräsidentin von der Leyen will solchen Ländern und Regionen mit einem neuen "Fonds für einen fairen Übergang" beispringen, und auch die EIB verspricht Unterstützung. "Das hat absolute Priorität", sagt Hoyer. "Zu einigen Regierungschefs in Osteuropa habe ich im Moment quasi eine Standleitung. Die wollen wissen, wie die Bank beim Übergang zu grünen Energien helfen kann. Und daran arbeiten wir bereits ganz konkret." Eine weitere Herausforderung für Hoyer und seine Förderbank.

© SZ vom 23.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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