Kleinfeld reagiert auf Schmiergeldaffäre:Siemens setzt externe Prüfer ein

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Großes Reinemachen bei Siemens: Externe Prüfer sollen bei der Aufarbeitung des Skandals Unabhängigkeit garantieren, die Anti-Korruptionsabteilung erhält einen neuen Leiter.

Klaus Ott, Markus Balser und Harald Schwarz

Mit Hilfe externer Anwälte und Wirtschaftsprüfer sowie von Fachleuten auf dem Gebiet der Korruptions-Bekämpfung will die Siemens AG die schwere Krise bewältigen, in die der Konzern durch den Skandal um schwarze Kassen und von mehreren Beschuldigten zugegebene Schmiergeldzahlungen geraten ist.

Siemens-Boss Kleinfeld duldet "kein ungesetz- liches oder regelwidriges Verhalten von Mitarbeitern". (Foto: Foto:)

Siemens teilte nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mit, der Vorstand und das Kontrollgremium hätten ein Maßnahmenpaket beschlossen, um sich selbst an der Aufklärung der Vorfälle zu beteiligen und um das interne Kontrollsystem zu überprüfen und zu verbessern.

Dabei solle auch der Mitbegründer der weltweiten Anti-Korruptionsinitiative Transparency International helfen, Michael J. Hershman. Er werde als Berater für Siemens tätig sein. Vorstandschef Klaus Kleinfeld kommentierte die Beschlüsse mit den Worten, Siemens dulde "kein ungesetzliches oder regelwidriges Verhalten von Mitarbeitern". Kleinfeld sagte: "Hier gibt es keinerlei Toleranz."

Zeitlich unbegrenzt

Siemens gab bekannt, die international tätige Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton werde die internen Kontrollsysteme des Konzerns untersuchen und solle an der Aufklärung der bekannt gewordenen Vorfälle mitwirken. Zusätzlich werde die Kanzlei auch eine "unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft" beauftragen, die Ermittlungen zu unterstützen.

Die Kanzlei aus New York verfüge über große Erfahrung bei firmeninternen Untersuchungen und solle den vielen Vorwürfen "unabhängig und umfänglich" nachgehen. Unklar blieb zunächst, wie weit zurück der Untersuchungszeitraum reichen soll. Ein Siemens-Sprecher erklärte, das liege im Ermessen der Prüfer.

Die Aufarbeitung des Skandals wäre demnach zeitlich nicht eingeschränkt und könnte weit in die Amtszeit des vorherigen Vorstandschefs reichen. Heinrich von Pierer hatte sein Amt Anfang 2005 an Kleinfeld übergeben und leitet seitdem den Aufsichtsrat. Pierer hatte den Konzern seit 1992 geleitet.

Schwarze Kassen seit den 1990ern

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Münchner Staatsanwaltschaft waren bei Siemens in den neunziger Jahren schwarze Kassen in Österreich eingerichtet worden, durch die zeitweise 75 bis 100 Millionen Euro pro Jahr geflossen sein sollen. Ab 2002 war laut Geständnissen von Beschuldigten ein neues System von Schwarzgeldkonten in Liechtenstein und in der Schweiz installiert worden.

Konzernchef Kleinfeld sagte zu den beschlossenen Maßnahmen, man setze bei Siemens "auch das Wissen und die Erfahrung externer unabhängiger Experten ein, um konkrete Verstöße festzustellen sowie mögliche Mängel im Siemens-Regelwerk, den Strukturen oder Prozessen aufzuspüren und mit aller Konsequenz zu beseitigen". In einem Brief an die Belegschaft hatte Kleinfeld vor zweieinhalb Wochen gemeinsam mit Pieter beteuert, man werde "kompromisslos aufräumen".

Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen außerdem, einen neuen Leiter für die Abteilung Compliance zu berufen, die Korruptionsfälle verhindern und aufdecken soll. Beim neuen Chef der unternehmenseigenen Anti-Korruptionseinheit handele es sich um einen Experten aus der Justiz, der über langjährige Erfahrungen bei Ermittlungen im Bereich der Wirtschaftskriminalität habe. Den Namen des Juristen nannte Siemens nicht.

Auch Anti-Korruptionsabteilung belastet

Bei den Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft war auch die Abteilung Compliance schwer belastet worden. Eine der Schlüsselfiguren in dem Skandal, der langjährige Angestellte Reinhard S., hatte in einem umfassenden Geständnis auch behauptet, eine von ihm namentlich genannte Führungskraft aus dieser Abteilung wisse seit Jahren von schwarzen Kassen und habe deren Existenz zu vertuschen versucht.

S. sagte, eine andere Führungskraft habe ihm bei einem Gespräch Mitte des Jahres geraten, nicht auszupacken, falls er eines Tages vernommen werde. Siemens hatte sich zu diesen Vorwürfen nicht geäußert.

Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) beobachtet unterdessen die Vorgänge bei seinem größten Mitgliedsunternehmen - zugleich auch größter Beitragszahler - mit großer Aufmerksamkeit. Konkret könne er die Korruptionsvorwürfe nicht beurteilen, das Unternehmen sei aber "in einer extrem schwierigen Situation", sagte ZVEI-Hauptgeschäftsführer Gotthard Graß.

Die Elektrobranche beschäftige sich seit vielen Jahren mit der Debatte über eine effiziente und wirksame Unternehmensführung und -kontrolle. Es gebe dazu in vielen Firmen "klare und präzise Regeln". Doch sei es auf Infrastrukturmärkten oft schwierig mit Verhaltensregeln, wenn man bei der Vergabe von Aufträgen nach "Sonderzahlungen" gefragt werde. Graß hofft, dass kein Imageschaden für die gesamte Branche entsteht. Es sei aber klar, dass man sich gerade ein Problem für den Standort Deutschland schaffe.

© SZ vom 12.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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