Klagen-Rekord in Berlin:Mehr als 44.000 Klagen überfluten das Sozialgericht

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Etwa 42.000 Klagen sind derzeit noch offen beim Berliner Sozialgericht. (Foto: dapd)

Sie gehen teils im Minutentakt ein: Im größten deutschen Sozialgericht in Berlin sind 2012 mehr als 44.000 neue Klagen eingereicht worden, viele davon wegen Streitigkeiten um Hartz-IV-Leistungen. Um alle nicht erledigten Fälle zu bearbeiten, dürfte das Gericht ein ganzes Jahr lang keine Verfahren mehr annehmen.

Es ist die Instanz, die in Deutschland besonders viele Klagen von Hartz-IV-Empfängern zu bewältigen hat. Das größte deutsche Sozialgericht in Berlin hat jetzt eine Bilanz zu dort anhängigen Prozessen vorgestellt. Demnach seien im vergangenen Jahr mehr als 44.000 neue Sozialverfahren eingegangen. Das sei einer neuer Rekord, sagte Sabine Schudoma, die Präsidentin des Gerichts.

Insgesamt seien mehr als 42.000 neue Verfahren derzeit noch offen, also noch nicht bearbeitet. "Wir müssten ein Jahr schließen, um diesen Aktenberg abzubauen", so die Gerichtspräsidentin.

Die Sozialgerichte sind in Deutschland zum Beispiel dafür zuständig, über Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Sozialgesetzbuch zu entscheiden. Dazu zählen zum Beispiel die Grundsicherung für Arbeitssuchende oder Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Die Sozialgerichte urteilen auch, wenn es um Zahlungen aus der Renten-, Unfall- oder Pflegeversicherung geht.

Seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II - landläufig Hartz-IV genannt - ist die Arbeitsbelastung dieser Gerichte stark angestiegen. Besonders in Berlin habe sich seit Einführung der Arbeitsmarktreform im Jahr 2005 die Zahl der Klagen dramatisch erhöht. Seit damals seien insgesamt fast 190.000 Verfahren allein zur Grundsicherung für Arbeitssuchende geführt worden. Klagen gingen inzwischen mitunter im Minutentakt ein.

Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) hatte angekündigt, das Gericht in diesem Jahr noch einmal zu stärken. Neun neue Sozialrichter sollen hinzukommen, um den Aktenberg abzutragen. Die Zahl der Richter am Sozialgericht hat sich seit 2005 auf jetzt 129 mehr als verdoppelt.

Etwa zwei Drittel der Verfahren sind nach Angaben des Berliner Sozialgerichts Streitfragen wegen Hartz-IV-Leistungen. Die Zahl dieser Klagen sei allerdings sogar leicht rückläufig, für die Rekord bei der Zahl der Klagen seien andere Arten von Streitigkeiten ausschlaggebend.

Schudoma kritisierte außerdem, dass erhebliche Teile des Arbeitsmarkts inzwischen bewusst an der Sozialversicherung vorbei organisiert, würden. Viele Arbeitnehmer - als Beispiel nannte die Gerichtspräsidentin Toilettenfrauen - seien inzwischen nicht mehr über das klassische, beitragsfinanzierte Sozialsystem abgesichert.

© Süddeutsche.de/mit Material von Reuters/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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