Kempinski: Streit um Heiligendamm:Schmutz in der Weißen Stadt

Lesezeit: 5 min

Die Hotelgruppe Kempinski zieht die Notbremse im Luxusresort Heiligendamm - und beginnt einen erbitterten Streit mit dem bisherigen Geschäftspartner.

R. Wiegand

Es ist einer dieser Tage, an denen sieht man das Hotel vor lauter Häusern nicht. "Entschuldigung, wo geht es hier denn zum Kempinski?", fragt der freundliche Mann mit Regenjacke, Hut und der Gattin an der Hand. Ausflügler sind sie, seltene Gäste zu dieser Jahreszeit an diesem Teil der Ostsee. Im Sommer kommen Touristen busweise nach Heiligendamm, an diesen abgelegenen und doch weltberühmten Ort. Der G8-Gipfel, die große Politik und die wütenden Demonstranten, das ist alles noch nicht so lange her und scheint doch eine Ewigkeit zurück zu liegen.

Dieses Schild muss ausgetauscht werden - die Kempinksi-Gruppe hat das Grand Hotel Heiligendamm aufgegeben. (Foto: Foto: ddp)

An diesem kalten Februartag stehen nur eine Handvoll Autos auf dem Parkplatz, an der Bushaltestelle wartet niemand. Aber Schaulustige gibt es immer. Also, fragt der Mann, "wie kommen wir da hin?" Ganz einfach: Sie stehen schon mittendrin. Denn das Weiße, das durch die winterkahlen Bäume scheint, ist nicht der nebelverhangene Küstenhimmel. Es sind die Fassaden der Weißen Stadt am Meer, die erhabenen Mauern des Grand Hotel Heiligendamm. "Kempinski" - das war einmal.

Sarkozy & Co. - 2007 waren alle Augen auf Heiligendamm gerichtet

Diese Woche dürfte die aufregendste im Luxusresort an der Ostsee gewesen sein seit jenem Sommer 2007, als für ein paar Tage die Welt hier eingecheckt hatte. Damals schien sich die Sache zum Guten zu wenden für das Grand Hotel im ältesten Seebad Deutschlands. Nicolas Sarkozy schäkerte galant mit Angela Merkel, verfolgt von Fotografen in Heeresstärke, für die eigens eine Tribüne errichtet worden war. Sie sandten ihre Fotos in die Redaktionen von Washington, Moskau, Paris, London, München. Welch eine Werbung! Die mehr als 300 Hotelangestellten wieselten flink über das 40.000-Quadratmeter-Areal, den Politikern der Welt stets zu Diensten.

Vergangene Woche war die Belegschaft wieder eilig unterwegs, aber diesmal nur in eigener Sache - Krisensitzungen. Am Dienstag unterrichtete die Geschäftsführung die Abteilungsleiter über die neuesten Entwicklungen, am Mittwoch versammelte Geschäftsführer Martin Smura die gesamte Mannschaft im Haupthaus. Alles werde weitergehen wie bisher, sagte er, niemand müsse sich Sorgen machen: "Wir schaffen das allein." Da war seit 24 Stunden die Nachricht auf dem Markt, dass Kempinski mit sofortiger Wirkung nicht mehr für die teure Herberge verantwortlich sein will.

Der Hotelbetreiber von Weltruf hat den Managementvertrag mit der Grand Hotel Heiligendamm GmbH & Co KG aufgelöst. Ein einmaliger Vorgang in der deutschen Hotelszene. Schon Stunden später flog die Residenz aus dem Buchungssystem - einfach abgeschaltet.

Diskretion gilt als Tugend

Es ist der vorläufige Höhepunkt eines Streits zwischen ungleichen Partnern. Auf der einen Seite die Kempinski AG, Europas älteste Luxushotel-Gruppe mit aktuell 55 Häusern, die sie entweder als Pächter betreibt oder als Management-Dienstleister führt. Im Fünf-Sterne-Segment gilt Diskretion als Tugend. Demgegenüber steht das Dürener Immobilienunternehmen Fundus, geführt von Anno August Jagdfeld, 62. Der Selfmade-Man, für die Bild-Zeitung der "Mr. Big" der Abschreibungsbranche, hat nach den Vorstellungen der Kempinski-Chefs nicht die notwendige Zurückhaltung gezeigt.

Kempinski-Vorstand Markus Semer beklagt, immer wieder hätten sich die Fundus-Leute, vor allem Jagdfeld persönlich, ins Tagesgeschäft eingemischt. Schon seit Mai vergangenen Jahres verhandelten beide Seiten über eine Trennung, erfolglos. Zuletzt spitzte sich der Konflikt zu. Die Heiligendamm-Eigentümer schulden Kempinski angeblich noch 1,1 Millionen Euro aus dem Betreiber-Vertrag. Am Ende senkte der Kempinski-Aufsichtsrat den Daumen.

Mal wieder sieht es so aus, als habe Jagdfeld hoch gepokert. Der umstrittene Fundus-Boss, der mit spektakulären Immobilien-Fonds ein Imperium aufgebaut hat, dessen Fundament niemand wirklich abzuschätzen weiß, sollte ursprünglich selbst am Mittwoch nach Heiligendamm kommen. Er hat dort eine Privatwohnung direkt über dem Restaurant. Er kam aber nicht. Im Prinzip gehört das feine Haus auch nicht ihm, sondern rund 2500 Anlegern, die den geschlossenen Immobilienfonds "34" gezeichnet haben. Sie alle sind für ihre Einlage - mindestens 25.000 Euro - Teilhaber der Grand Hotel Heiligendamm GmbH & Co. KG geworden. Lauter kleine Hoteliers also.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, worüber sich Kempinski und Jagdfeld noch streiten.

Der Hotelbau war eine teure Sache. Bisher flossen in die einst aus Treuhandbesitz erstandene Immobilie mehr als 200 Millionen Euro, 129 Millionen von Anlegern, dazu Investitionszuschüsse der öffentlichen Hand von rund 50 Millionen sowie Fremdkapital - insgesamt gut eine Million für jedes der 225 Zimmer. Dennoch blieb der Bauherr im Prospekt angekündigte Features wie ein Ayurveda- und Thalasso-Zentrum schuldig, verfallen die als Nobelresidenzen geplanten alten Villen am Strand.

"Die Weiße Stadt" - das Luxusresort Heiligendamm an der Ostsee. (Foto: Foto: ddp)

Neue Attraktionen wären aber dringend nötig: Außerhalb der Nebensaison ist das Grand Hotel kaum gebucht. Die Anwohner beschweren sich über die rigorose Einzäunung, die Betreiber wiederum über die vielen Gaffer am Gatter des klassizistischen Luxusquartiers. Die Auslastung sank auf zuletzt unter 52 Prozent, die Verluste stiegen dafür auf bis zu sieben Millionen Euro jährlich.

Die Residenz gab es schließlich zum Schnäppchenpreis bei Tchibo. Bis auf eine kostenlose Übernachtung in der Nebensaison pro 25.000 Euro Anlagekapital und einen Preisnachlass für den Golfplatz hatten die Anleger bisher nicht viel von ihrem Investment. Und eine notwendige Kostensenkung ist schwierig: Ein zu starker Personalabbau etwa würde zur Folge haben, dass Subventionen zurückgezahlt werden müssten. Der Staat will Arbeitsplätze für sein Geld.

Fundus deklariert die Trennung von Kempinski als "Neustart" - vorher wird nun erstmal schmutzige Wäsche gewaschen. Blumig erklärt Boss Smura, dass Heiligendamm auf Grund seiner außergewöhnlichen Lage und Schönheit "zum Erfolg verdammt" sei, Kempinski durch sein breites Portfolio aber "zum Mittelmaß verurteilt". Außerdem habe das Hotel selbst Schadenersatzansprüche in Millionenhöhe an Kempinski. Angeblich verlangt die Fundus-Tochter mehr als acht Millionen Euro - allein zwei Millionen für beschädigte Teppiche, vom Kempinski-Personal angeblich unsachgemäß gereinigt und verhunzt. Einem Rechtsstreit "sehen wir gelassen entgegen", kontert Kempinski-Vorstand Semer.

Streit um Hotel Adlon

Es ist ja nicht der einzige Streit zwischen Kempinski und Jagdfeld. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat Kempinski bereits im Dezember 2008 gegen Fundus Klage vor dem Berliner Landgericht in anderer Sache eingereicht. Die Adlon-Erben und Kempinski bestehen darauf, dass der Name "Hotel Adlon" einmalig sei und von Fundus nur dazu benutzt werden dürfe, ein Hotel in Berlin zu betreiben, das Adlon eben, dessen Pächter Kempinski ist.

Tatsächlich aber existieren unter dem Dach der "Adlon Collection" etwa ein Adlon Spa, Clubs und Restaurants, außerdem zählt die Adlon Holding auf ihrer Homepage vier Hotels auf: Neben dem "echten" Adlon in Berlin die drei weiteren Fundus-Immobilien Strandhotel Zingst (Steigenberger), Quellenhof Aachen (Sofitel) - und das Grand Hotel Heiligendamm. Kempinski geht davon aus, dass Anno August Jagdfeld die Einrichtung einer eigenen Adlon-Hotelkette plant: "Die Kempinski AG und die Adlon-Familie stimmen darin überein, dass der Name Adlon nicht auf eine Hotelkette ausgedehnt werden darf", heißt es als Klagegrund.

Mit den Plänen für ein Adlon Heiligendamm in der Schublade bekäme der schmutzige Streit um die Weiße Stadt am Meer plötzlich Sinn. Die Trennung nach sechs Jahren wäre vermeidbar gewesen. Stattdessen rieben sich Eigentümer und Betreiber immer wieder - an ausstehenden Investitionen, an der Berufung des Führungspersonals, der Schulung der Bediensteten.

Beim Geld hört die Freundschaft auf

Kempinski beklagte die Qualität des Interieurs, das pikanterweise Jagdfelds Frau Anna Maria ausgesucht und mit ihrer Firma amj geliefert hatte - wie in anderen Fundus-Luxushäusern auch. Die Eigner wiederum bemängelten unsachgemäßen Umgang mit dem teuren Mobiliar. Letztlich zerbrach die Freundschaft aber, wie immer, am Geld: Das Entgelt für 2008, so Kempinski, seien die Besitzer schuldig geblieben, auf Stundungsangebote hätten sie mit neuen Forderungen reagiert. Ein provoziertes Ende also, um bald die Adlon-Flagge über Heiligendamm aufziehen zu können?

Martin Smura ist nicht nur Interims-Chef in Heiligendamm - er steht auch an der Spitze der Geschäftsführung der Adlon Holding. Das Hotel in Heiligendamm, sagt er, werde ohne Partner in Eigenregie weiter geführt, über die Plattform "The Leading Hotels of the World" vermarktet, 41 Millionen Euro investiert. Auch die Trennung muss noch vollzogen werden, Kempinski will, dass sein Name getilgt wird. Er steht nicht nur, auf Hochglanz poliert, über der Tür, sondern auch auf Rednerpulten und Rechnungsbögen. Sogar in den Boden des Swimmingspools ist das geschwungene Kempinski-K mit blauen Fliesen eingelegt. "Das werden wir so lassen", sagt Smura, "jede Ära hinterlässt Spuren."

© SZ vom 07.02.2009/iko/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: