Kaufhäuser in der Krise:Der große Ausverkauf

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Jede achte Mark gaben die deutschen Konsumenten vor 30 Jahren in Kaufhäusern aus. Jetzt laufen ihnen die Kunden davon. Die Geschichte einer Trennung.

Stefan Weber

"Der große Bellheim" war das Fernsehereignis des Jahres 1993. Mario Adorf spielt in dem Film den Gründer und ehemaligen Chef eines Warenhausunternehmens, der sein Pensionärsdasein in Spanien genießt. Als er von Missmanagement und Liquiditätsnöten seiner ehemaligen Firma hört, kehrt er nach Deutschland zurück, trommelt ehemalige Top-Manager zusammen, die sich, wie er selbst, als Rentner langweilen. Sie wollen es der neuen Manager-Generation noch einmal zeigen.

Karstadt-Warenhaus in Leipzig: Neuer "Bellheim" gesucht. (Foto: Foto: ddp)

Was in dem Streifen von Dieter Wedel glückt, wird in Wirklichkeit kein Happy End finden. Die Warenhausunternehmen in Deutschland stecken in einer Krise, aus der sie auch ein "großer Bellheim" nicht befreien wird. Zumindest würde er es nicht schaffen, sie in der jetzigen Zahl und mit ihren Konzepten in die nächsten Jahre zu retten. Der Grund: Den Kaufhäusern der alten Generation laufen die Kunden davon.

Hertie ist kein Einzelfall

In den siebziger Jahren landete noch jede achte Mark, die im deutschen Einzelhandel umgesetzt wurde, in den Kassen von Karstadt, Kaufhof und Co. - ihr Marktanteil summierte sich auf mehr als zwölf Prozent. Heute sind es nur noch gut drei Prozent, mit weiter fallender Tendenz. Womöglich geht es mit rasender Geschwindigkeit in Richtung Bedeutungslosigkeit: Biner Bähr, der Insolvenzverwalter der seit Mittwoch vergangener Woche zahlungsunfähigen Hertie-Gruppe, hat bereits angedeutet, dass es möglicherweise nur für gut die Hälfte der 72 Häuser eine Zukunft geben wird.

Konkurrent Kaufhof steht mit seinen 114 deutschen Filialen zwar ungleich besser da; im vergangenen Jahr verdiente die Tochter des Metro-Konzerns zumindest wieder die Kapitalkosten. Aber das ist dem Eigentümer zu wenig. Obendrein passt der Kaufhof nicht in das Konzept von Metro-Chef Eckhard Cordes. Der investiert lieber in die Internationalisierung der Töchter Media Markt/Saturn oder Cash & Carry, denn dort locken höhere Renditen. Somit will sich Metro vom Kaufhof trennen - komplett.

Auch Arcandor sucht mit Hochdruck nach Partnerschaften für seine mit höchst unterschiedlichen Renditen aufwartenden Karstadt-Warenhäuser. So spannend für Finanzanalysten die Frage ist, wer am Ende zu welchen Bedingungen den Zuschlag erhalten wird, bleibt für die Verbraucher die Frage: Werden Warenhäuser wieder interessanter, wenn nur der Eigentümer wechselt?

Das ursprüngliche Geschäftsmodell der Warenhäuser hat sich überlebt - der Anspruch, alles unter einem Dach zu bieten. Das funktionierte bis in die siebziger Jahre bestens. Damals boten die Flaggschiffe des Einzelhandels auf mehreren tausend Quadratmetern alles, was ein durchschnittlicher Haushalt benötigte: Lebensmittel, Stoffe, Elektroartikel, Möbel, Spielwaren und selbst Waschmaschinen.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie die Warenhäuser in Not gerieten - und warum Luxuskaufhäuser von der Krise nichts spüren.

Auf individuelle Kundenwünsche mussten die Firmen keine Rücksicht nehmen: Angebot und Nachfrage waren stark standardisiert. Die Verbraucher gingen zu Kaufhof, Karstadt, Hertie oder Horten, um ihren Bedarf zu decken. Sie suchten nicht nach Anregungen für eine neue Tischdekoration und wollten auch nicht aus 25 Marmeladensorten wählen.

Mit dem immer umfangreicher werdenden Warenangebot und dem Aufkommen neuer Konkurrenten gerieten die Allrounder in Nöte. Vor den Toren der Städte siedelten sich riesige Fachmärkte für Heimwerkerartikel und Möbel an, SB-Warenhäuser auf der grünen Wiese lockten mit großem Lebensmittelangebot. Und Parkplätze vor der Tür gab es auch. Stark preisorientierte Kunden kauften immer häufiger bei Discountern, die mit hoher Schlagzahl ihr Filialnetz ausbauten. Die Warenhäuser reagierten auf diese ihre erste Krise, indem sie ihr Sortiment ausdünnten und enger zusammenrückten. Kaufhof schluckte Horten, und Karstadt übernahm Hertie. Das hat sie eine Zeitlang über Wasser gehalten.

Doch nun geht es an die Substanz. Die Frage wird drängender: Hat das Warenhaus überhaupt eine Zukunft? Ja, behaupten die Chefs von Kaufhof und Karstadt. Sie verweisen auf die wieder größer werdende Anziehungskraft der Innenstädte, also der Region, in der ihre Häuser oft in bester Lage angesiedelt sind. Allerdings bekommen die Dinosaurier des Einzelhandels auch hier starke Konkurrenz - von Shoppingcentern, die das Angebot von Spezialisten verschiedener Branchen unter einem Dach bündeln. Etwa 400 solcher Center gibt es derzeit in Deutschland; weitere 15 sind nach einer Studie des Handelsforschungsinstituts EHI bis Anfang 2009 in Planung.

Im Luxus liegt die Zukunft

Dennoch gibt es möglicherweise eine Nische, in der zumindest eine überschaubare Zahl von Warenhäusern gedeihen kann: im Luxussegment. Häuser wie das KaDeWe in Berlin oder das Hamburger Alsterhaus spüren die Krise kaum. Karstadt sieht in Deutschland Platz für acht solcher Premiumhäuser. Hinzu kommen nach Einschätzung von Marktkennern 20 bis 30 Karstadt-Filialen, die vor allem aufgrund ihrer guten Lage mit einem klaren Konzept auch künftig florieren können. Nicht viel anders bewerten Branchenfachleute die Dinge bei Kaufhof.

Aber was wird aus den übrigen Warenhäusern? Allein Kaufhof und Karstadt verfügen über gut 200 Standorte - ein heterogenes Geflecht, für das sich eine gemeinsame Positionierung nur schwer finden lässt. Schließungen sind teuer, und Käufer stehen nicht gerade Schlange. "Man muss sich konsequent von den Standorten trennen, die als Kaufhaus nicht mehr zu betreiben sind. Je nach finanziellen Ressourcen kann damit ein Kern des Unternehmens gerettet werden", meint Joachim Stumpf, Geschäftsführer der Handelsberatung BBE. Einen anderen Rat hätte wahrscheinlich auch der "große Bellheim" nicht gewusst.

© SZ vom 08.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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