Steuerhinterziehung:Krach an der Kasse

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Eine historische Kasse in einem Café in Baden-Württemberg. Die Anforderungen an moderne Geräte sind höher. Sie sollen manipulationssicher sein, um Steuerbetrug zu verhindern. (Foto: imago stock&people)

Auch kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes steht nicht fest, ob die Geräte manipulationssicher aufgerüstet werden müssen

Von Michael Kläsgen, München

Gilt es nun vom 1. Oktober an oder gilt es nicht, das Kassengesetz? Müssen in wenigen Tagen Hunderttausende Bäckereien, Metzger, Friseure, Wirte, Pommesbudenbesitzer, kleine und große Händler ihre Registrierkassen mit einer manipulationssicheren Software ausgerüstet haben oder nicht?

Die Antwort: Das steht auch kurz vor dem seit Langem bekannten und mehrmals aufgeschobenen Stichtag nicht fest.

Zur Erinnerung: Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, offiziell jedenfalls nach wie vor, dass all jene, die eine Registrierkasse gewerblich bedienen, alle ihre Einnahmen versteuern, so wie das abhängig Beschäftigte auch tun. Wobei, der Gesetzgeber ist ja nett: Es gilt keine Registrierkassenpflicht, und so eine Kasse kann man auch offen stehen lassen. Jedenfalls entgehen dem Fiskus nach eigenen Schätzungen jedes Jahr etwa zehn Milliarden Euro. Sozialabgaben, Umsatz- und Lohnsteuer nicht mit einberechnet. Geld, das der öffentlichen Hand fehlt.

Man sollte daher meinen, der Staat habe ein natürliches Interesse daran, das immerhin bereits 2016 verabschiedete Gesetz endlich scharf zu stellen. Dem ist aber nicht so.

Bis zum heutigen Tag traktieren sich Bund und Länder mit Erlassen und Gegenerlassen. Brandbriefe und juristische Winkelzüge wechseln einander ab. So manch einer redet inzwischen vom "ultimativen Showdown", zu dem es kommen könnte: einer Klage Bund gegen Land oder Land gegen Bund. Sogar die Frage, welches Gericht denn dann wohl für das Verfahren zuständig wäre, wird diskutiert. So etwas hätte die Republik noch nicht gesehen, ein Eklat. Wobei: Unwahrscheinlich, dass es so weit kommt. Aber wer weiß.

Die Protagonisten sind bereit, bis an die Schmerzgrenze zu gehen.

Das belegt der schriftliche Schlagabtausch, den sich Bund und Länder seit Tagen liefern. Er gewinnt von Brief zu Brief an Schärfe, nachdem im Juli ein Bundesland nach dem anderen, außer Bremen, per Erlass das Bundesgesetz ausgrätschte. In einem Rundbrief an die Länder stellte das Bundesfinanzministerium (BMF) unmissverständlich fest: "Die technisch notwendigen Anpassungen und Aufrüstungen sind umgehend durchzuführen und die rechtlichen Voraussetzungen unverzüglich zu erfüllen." Doch die Adressaten scherten sich wenig um den Ukas. Wohl auch deshalb wurde der Leiter der Steuerabteilung des BMF in einem weiteren Brief vom 10. September an die "Damen und Herren Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter" in den obersten Finanzbehörden der Länder etwas deutlicher. Er echauffiert sich über die "Erlasse, Verfügungen, etc.", die sie "zwischenzeitlich" herausgegeben hätten. Vom Bundesgesetz "abweichende Regelungen" seien jedoch "nicht statthaft".

Nichts hinzufügen muss man der Bemerkung am Ende der Standpauke: "Der guten Ordnung halber möchte ich daran erinnern, dass unabhängig von der Art und der Bezeichnung der Regelung Rechtswirkungen nicht erzeugt werden dürfen, die im Widerspruch zum Bundesrecht stehen."

Nachhaltigen Eindruck hinterließ das allerdings nicht. Aus dem bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat folgte die Retourkutsche nur vier Tage später, allerdings nicht vom Minister oder Amtschef, sondern vom Ministerialdirigenten. Er argumentiert spitzfindig. Es gebe gar keinen Widerspruch zur Bundesregelung. Man wolle nur "unnötigen organisatorischen Aufwand von den Finanzämtern fernhalten und den Unternehmen zugleich Rechtssicherheit geben". Mit anderen Worten: Würde das Kassengesetz Anfang Oktober wirksam, würden die Steuerpflichtigen die Finanzämter mit vom Bund zugelassenen Einzelanträgen für eine Ausnahmeregelung überfluten - und davor wolle man die Finanzverwaltung bewahren. Die Beamten könnten den Unternehmen womöglich nicht schnell genug antworten, sodass die nicht wüssten, woran sie sind. Der Gedanke, dass es hier um die Bekämpfung von Steuerhinterziehung geht, scheint bei dieser Logik sehr fern.

Doch so wie Bayern argumentieren außer Bremen alle Länder. Der Handelsverband Deutschland (HDE), ein erbitterter Gegner des Kassengesetzes, kann es sich angesichts dieser komfortablen Situation sogar sparen, zum massenhaften Versenden von Einzelanträgen aufzurufen. HDE-Experte Ralph Brügelmann begnügt sich damit, auf die "Unmöglichkeit der Gesetzesbefolgung" hinzuweisen. Das Gesetz treibe Händler quasi in die "Illegalität".

Für Unternehmen und Steuerberater dürfte die Lage so kurz vor knapp ziemlich verwirrend geworden sein - oder auch belustigend. Der Autorität der deutschen Finanzverwaltung wird dadurch jedenfalls kein Furcht einflößendes Ausmaß verliehen. Es sieht, Stand heute, eher so aus, als würde der Bund am Ende als Verlierer dastehen.

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