Stellenabbau:In den Jobcentern geht die Angst um

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Eigentlich soll die Bundesagentur für Arbeit Menschen in Lohn und Brot bringen. Doch nun streicht die Behörde selbst massiv Stellen. Die Personalräte in den Jobcentern sind alarmiert.

Thomas Öchsner, Berlin

Viele sind schlecht qualifiziert oder krank, viele seit Jahren arbeitslos und ohne Hoffnung auf einen neuen Job: In Deutschland gibt es knapp fünf Millionen Erwerbsfähige, die von der staatlichen Grundsicherung (Hartz IV) leben. Die Hilfsbedürftigen werden zusammen mit ihren 1,8 Millionen Kindern in etwa 345 Jobcentern betreut. Doch dort haben in diesen Tagen selbst viele Mitarbeiter Angst um ihre Zukunft. Tausende Betreuer mit einer befristeten Stelle müssen fürchten, dass ihr Arbeitsvertrag in den nächsten Monaten nicht verlängert wird.

Die Bundesagentur für Arbeit sieht sich gezwungen, "als Arbeitgeber antizyklisch zu handeln", sagt eine Sprecherin der Behörde. (Foto: dpa)

Bei Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen stapeln sich derzeit "offene Briefe" besorgter Personalräte. Im Jobcenter Region Hannover sieht der Personalratsvorsitzende 180 Arbeitsverträge "in Gefahr".

In Dortmund warnt der Personalrat davor, dass bei einem Wegfall von Stellen "für die Kunden unzumutbare Wartezeiten entstehen". In München weist Ingeborg Ege, Personalratschefin der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung, darauf hin, dass 30 Prozent der Belegschaft und damit fast 300 Mitarbeiter "vom Verlust des Arbeitsplatzes durch Ende der Befristung bedroht" seien. "Das ist unzumutbar und unmenschlich", schrieb Ege an von der Leyen.

Die Bundesagentur für Arbeit gehört mit 110.000 Stellen bundesweit zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Und ausgerechnet bei der Behörde, die anderen Jobs vermitteln soll, ist die Zahl der Mitarbeiter mit Zeitverträgen besonders hoch: Etwa jeder Fünfte hat eine befristete Stelle, obwohl die BA den Anteil der Zeitverträge im Durchschnitt auf zehn Prozent senken will.

Weniger Arbeitslose - weniger Personal

Die Gründe sind vielfältig: Die Hartz-IV-Verwaltung wird mit Steuergeld finanziert. Der Bund muss sparen, die Haushaltspolitiker genehmigen deshalb oft nur befristete Stellen in den Jobcentern. Die Personalplanung war bei Einführung der Hartz-Reformen 2005 von Anfang an zu knapp bemessen, weil die Politiker mit weniger Hilfsbedürftigen gerechnet hatten. Die Mitarbeiter mit Zeitverträgen füllten die Lücken. Hinzu kommt, "dass die BA gezwungen ist, als Arbeitgeber antizyklisch zu handeln", wie eine Sprecherin sagt.

In der Krise erhält die Bundesagentur mehr Personal, weil es mehr Arbeitslose gibt. Mit dem Ende der Krise wird wieder Personal abgebaut. So stellte die BA 2009 und 2010 etwa 6300 Mitarbeiter zusätzlich befristet ein. Wie viele mit Zeitverträgen nun gehen müssen, ist offen, zumal in diesem Jahr 3200 befristete Arbeitsplätze in feste Stellen umgewandelt werden. "Das entscheidet sich bei den Haushaltsberatungen des Bundestages im Herbst", sagte die BA-Sprecherin. Sie räumt aber ein, dass sich viele Mitarbeiter vor allem in den Jobcentern "im Oktober vorsorglich arbeitslos melden müssen, wenn ihre Arbeitsverträge 2010 auslaufen".

Von der Leyen wird jedenfalls um das Personal kämpfen müssen, wenn sie ihre eigenen Ankündigungen ernst nimmt. Schließlich will die Ministerin die Betreuung von Alleinerziehenden, älteren Arbeitslosen und Jugendlichen mit einer geringen Qualifikation verbessern. Gleichzeitig darf ein Fallmanager in einem Jobcenter von 2011 an nur noch für höchstens 150 Erwachsene oder 75 Jugendliche zuständig sein. Derzeit liegt der Betreuungsschlüssel knapp darüber.

Für die Arbeitsmarktexpertin der Grünen, Brigitte Pothmer, passt das alles nicht zusammen. Sie erinnert daran, dass die Zahl der Hilfsbedürftigen, die die Mitarbeiter in den Jobcentern betreuen, zuletzt gestiegen ist. "Wie weniger Fachkräfte mehr Hilfesuchenden besser helfen sollen, bleibt das Geheimnis von Frau von der Leyen", sagt Pothmer.

© SZ vom 26.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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