Japan:Ein Schnäppchen für Nissan

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Nissan rettet seinen Konkurrenten Mitsubishi mit einer Kapitalspritze von 237 Milliarden Yen, umgerechnet 1,9 Milliarden Euro. (Foto: Kiyoshi Ota/Bloomberg)

Der Renault-Partner übernimmt 34 Prozent am angeschlagenen Konkurrenten Mitsubishi. Doch die Anleger reagieren skeptisch.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nissan-Chef Carlos Ghosn sprach von einem "Win-win-Deal", so wie das bei solchen Aktionen üblich ist. In Wirklichkeit aber rettet Nissan den Konkurrenten Mitsubishi mit einer Kapitalspritze von 237 Milliarden Yen, umgerechnet 1,9 Milliarden Euro. So viel zahlt sein Unternehmen für 34 Prozent der Mitsubishi-Anteile. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig: Mitsubishi musste im April zugeben, dass seine Ingenieure die Kilometerleistung pro Liter Benzin von vier Modellen für den japanischen Markt manipuliert hatten - und das seit vielen Jahren. Am Mittwoch dann räumte Mitsubishi-Chef Osamu Masuko vor der Presse ein, womöglich seien die Daten weiterer Modelle verfälscht worden. Die Folgen sind dramatisch: Mitsubishi muss nun mit Milliarden-Strafen und Schadenersatzforderungen rechnen, die Bestellungen in Japan sind um die Hälfte eingebrochen, der Börsenkurs ebenfalls. Insofern ist es wohl eine "Win-Win-Situation": Mitsubishi bekommt Geld, das der Konzern dringend gebrauchen kann.

Und: Ghosn vergrößert sein Reich.

Carlos Ghosn ist derzeit der einzige Ausländer, der ein japanisches Großunternehmen führt. Und der einzige, der in dieser Rolle Erfolg hat. Der 62-Jährige, der die libanesische, die französische und die brasilianische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde im Jahre 2001 Nissan-Chef. Er kam als Vize-Präsident von Renault nach Yokohama, nachdem der französische Autobauer den damals beinahe bankrotten Nissan-Konzern auf ähnliche Weise rettete, wie Nissan es jetzt mit Mitsubishi versucht. Ghosn machte sich mit radikalen Kostenkürzungen in Japan bald unbeliebt. Erst recht, als er die in Japan bis dahin unantastbaren festen Zulieferketten kappte.

Aber der Erfolg gab ihm recht, Nissan war in wenigen Jahren saniert und ist heute mit dem "Leaf", einem erschwinglichen Elektro-Auto, ein Pionier der Branche. Und in Japan die Nummer 3, fast gleichauf mit Honda, der Nummer 2 hinter Toyota.

Schon Daimler hatte es mit den Japanern versucht - das Projekt scheiterte

In der Allianz mit Renault, wo Ghosn seit 2005 ebenfalls Chef ist, bilden die beiden Firmen zusammen den viertgrößten Autokonzern der Welt. Aber Ghosn will mehr, zumal Branchen-Experten der japanischen Autoindustrie eine Welle von Zusammenschlüssen voraussagen. Vor vier Jahren schnappte Ghosn für Nissan-Renault das russische Unternehmen Avtovaz. Nun hat ihm Mitsubishis Fiasko ein weiteres Schnäppchen in die Hände gespielt. Mitsubishi hat bisher Kleinwagen für Nissan produziert, und es waren Nissan-Ingenieure, die Mitsubishis Betrug an diesen Kleinwagen aufdeckten.

Die Börse in Tokio reagierte skeptisch, nach Bekanntwerden des Deals gab die Nissan-Aktie um mehr als zwei Prozent nach. An Mitsubishi hat sich vor Jahren schon Daimler die Zähne ausgebissen. Der damalige Mercedes-Chef Jürgen Schrempp wollte zusammen mit Chrysler und Mitsubishi eine "Welt-AG" formen, wie er das nannte. Aber Mitsubishi verhedderte sich auch damals in Skandalen; die Firma vertuschte wissentlich Fabrikationsfehler, die tödliche Unfälle verursachten.

Daimler stieg schließlich mit enormen Verlusten wieder aus. Der erfolgreiche Lkw- und Bus-Hersteller Mitsubishi-Fuso gehört seither nicht mehr zu Mitsubishi-Motors.

Bis zum Zweiten Weltkrieg war Mitsubishi einer der vier mächtigen Mischkonzerne, die Japan industrialisierten und aufrüsteten. Die US-Besatzer zerschlugen das Konglomerat dann in etwa 40 Einzelfirmen. Seither sind die Mitsubishi-Unternehmen unabhängig, ihre Bosse treffen sich aber einmal monatlich in ihrem "Freitagsclub". Und helfen sich, wenn nötig. Nach der Flucht von Mercedes stieg Mitsubishi Heavy bei den Autobauern ein und ist seither mit 20 Prozent ihr größter Aktionär. Dennoch konnten sie diesmal keine Hilfe vom Cousin in der Flugzeug-, Werft- und Rüstungs-Industrie erwarten. Mitsubishi-Heavy-Chef Shunichi Miyanaga sagte: "Die Marke Mitsubishi ist sehr wichtig, aber wir müssten unsere Aktionäre überzeugen können." Zudem steckt Mitsubishi Heavy ebenfalls tief in den roten Zahlen, sein Regionaljet und einige Kreuzfahrtschiffe sind um Jahre im Verzug; die Atom-Geschäfte stocken und die Hoffnung auf Rüstungsexporte ließ sich nicht realisieren. Ein guter Moment also für Carlos Ghosn.

© SZ vom 13.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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