IT-Branche:Die Green Card fehlt

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Immer weniger Fachleute aus dem Ausland kommen zum Arbeiten nach Deutschland - trotz tausender offener Stellen. Die Branche wünscht sich eine neue Kampagne.

Roland Preuß

Trotz gesetzlicher Erleichterungen sind im vergangenen Jahr deutlich weniger Fachkräfte nach Deutschland eingewandert als im Jahr zuvor. Dies geht aus Zahlen des Bundesamtes für Migration hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.

Demnach sind 2009 nur noch 2465 Fachkräfte aus der IT- und Kommunikationsbranche ins Land gekommen, für das Vorjahr verzeichnet der Migrationsbericht der Bundesregierung noch 3906 IT-Spezialisten - ein Rückgang also von mehr als einem Drittel.

Auch in den übrigen Branchen nahmen weniger qualifizierte Kräfte aus dem Ausland in Deutschland Arbeit an. Hier registrierten die Forscher des Bundesamtes etwa 67.000 Zuzügler. Im Jahr 2008 waren es noch gut 72.000 gewesen.

Zu dieser Gruppe zählen zwar auch Niedrigqualifizierte wie Saisonarbeiter oder Schaustellergehilfen, die weitaus meisten sind jedoch Akademiker und andere Fachkräfte, die mindestens für ein paar Jahre bleiben dürfen.

Zwar haben die Unternehmen im vergangenen Jahr wegen der Wirtschaftskrise auch weniger nach Fachleuten gesucht als zuvor. Dennoch herrscht in einigen Branchen weiterhin ein akuter Mangel an Mitarbeitern, die in den Informations- und Kommunikationstechnologien gut ausgebildet sind.

Das Bundesamt hat verglichen, wie viele IT-Fachkräfte seit der Green-Card-Regelung aus dem Jahr 2000 zugewandert waren. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte vor zehn Jahren auf der Computermesse Cebit diese Sonderregelung für die IT-Branche angekündigt, 2005 war die Green Card durch ähnliche Regeln im Zuwanderungsgesetz ersetzt worden.

Zahl der Arbeitsmigranten sinkt

Allerdings zeigen die Zahlen: Die Anschlussregelung war nicht so erfolgreich wie Schröders Modell. Zwischen 2006 bis 2009 kamen 12.627 IT-Fachleute, die Green Card hatten zwischen August 2000 und Dezember 2004 fast 18.000 erhalten. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Green Card ein Viertel Jahr länger gilt, bedeutet dies einen deutlichen Rückgang - und das, obwohl in beiden Zeiträumen ein Boom in der Informationstechnologie stattgefunden hat.

Beim Branchenverband Bitkom denkt man denn auch mit Wehmut an den Impuls durch die Green Card zurück. "Sie hat ein starkes Signal gesetzt", sagt Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Sie sei für Interessenten viel greifbarer und auch schneller erhältlich gewesen als eine Aufenthaltserlaubnis durch die Nachfolgeregelung.

"Es ist teilweise sogar schwieriger geworden eine Fachkraft nach Deutschland zu holen", sagt Scheer. So müsse heute in der Regel geprüft werden, ob ein deutscher Arbeitnehmer die freie Spezialistenstelle besetzen dürfe, dies sei bei der Green Card nicht der Fall gewesen.

Orientierungslos im Regel-Dschungel

Zudem sei die Green Card international schnell bekannt geworden. "Der Bundeskanzler selbst hatte sich dahintergestellt, das Medieninteresse war groß."

Ähnlich, wenn auch vorsichtiger formuliert es Hans Dietrich von Loeffelholz, der im Bundesamt für Migration die Zahlen analysiert hat. Die Kampagne für die Green Card habe eine spürbare Wirkung entfaltet, die Neufassung im Zuwanderungsgesetz habe "möglicherweise Unsicherheiten ausgelöst", sagt von Loeffelholz.

Holger Kolb, Forscher beim Sachverständigenrat für Migration, erklärt die geringen Zahlen auch damit, dass sich gerade Praktiker aus kleinen und mittelständischen Unternehmen oft schwer täten, den Dschungel der verschiedenen Zuwanderungs-Möglichkeiten zu durchblicken. Hier müsse größere Transparenz geschaffen werden.

IT-Branche fehlen tausende Fachkräfte

Den starken Rückgang bei den zugewanderten Informationstechnologie-Fachleuten im vergangenen Jahr führt Bitkom ebenfalls auf die Wirtschaftskrise zurück. Dennoch benötigen die IT-Unternehmen offenbar nach wie vor Fachkräfte aus dem Ausland, Softwarefirmen und Mikroelektronik-Konzerne klagen seit Jahren über Personalmangel: Nach einer Umfrage im Auftrag von Bitkom fehlten der Branche, die sich von diesem Dienstag an erneut bei der Cebit trifft, im Jahr 2008 etwa 45.000 Fachkräfte, im Krisenjahr 2009 sind es immer noch 20.000 gewesen.

Mehr Zufriedenheit dürfte bei den Unternehmen die Entwicklung bei den Hochqualifizierten auslösen: Von diesen wanderten trotz Krise 2009 deutlich mehr ein, 142 nach 104 im Vorjahr - ein Zuwachs von gut einem Drittel. Dies geht noch auf eine Entscheidung der großen Koalition zurück, die Anfang 2009 ausländischen Angestellten bereits ab einem Jahreseinkommen von 65.000 Euro in Deutschland zugestand, als hochqualifiziert zu gelten.

Zuvor musste man mindestens einen Arbeitsvertrag über gut 86.000 Euro vorweisen. Die Zahlen bewegen sich allerdings seit Jahren auf so niedrigem Niveau, dass Migrationsforscher sie regelmäßig als erschreckend gering einschätzen.

© SZ vom 01.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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