Irland: Prekäre Finanzlage:"Wir haben nur einen Schuss"

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Ist Irland auf dem Weg, ein zweites Griechenland zu werden? Nein, sagt Vize-Premierministerin Mary Coughlan - und preist den drastischen Reformkurs ihrer Regierung.

Martin Hesse

Die irische Regierung versucht, Befürchtungen zu zerstreuen, das Land könnte in eine ähnlich prekäre Situation geraten wie Griechenland. "Ich glaube nicht, dass Spekulanten Irland attackieren werden", sagte die stellvertretende Premierministerin Mary Coughlan der Süddeutschen Zeitung. Die Regierung habe entschlossen auf die Krise reagiert und die Bevölkerung habe sich sehr flexibel gezeigt und harte Entscheidungen akzeptiert. "Das hilft uns, die öffentlichen Finanzen wieder in Ordnung zu bringen und die Banken zu stabilisieren", sagte Coughlan, Ministerin für Wirtschaft, Handel und Beschäftigung.

Irland zählt zu den von Investoren als PIGS (Portugal, Irland, Griechenland, Spanien) bezeichneten Mitgliedern der Eurozone, die wegen ihrer hohen Haushaltsdefizite als anfällig angesehen werden. Irland leidet besonders schwer unter der Finanzkrise, weil die Bau- und Finanzwirtschaft große Bedeutung für die kleine Volkswirtschaft hatten. Seit Ausbruch der Krise sind die Immobilienpreise um 30 Prozent gefallen, das größte Kreditinstitut Anglo Irish Bank wurde verstaatlicht. Das Haushaltsdefizit schwoll im vergangenen Jahr auf 11,5 Prozent an.

Drastische Sparmaßnahmen

Dennoch gibt sich Coughlan optimistisch. Irland habe in diesem Jahr bereits 40 Prozent des Refinanzierungsbedarfs am Anleihenmarkt gedeckt und dabei deutlich niedrigere Zinsen bezahlt als vergangenes Jahr. An diesem Dienstag soll eine weitere Anleihe über 1,5 Milliarden Euro platziert werden. Irlands Vorteil sei, dass das Land vor der Krise ein niedriges Verschuldungsniveau hatte. "Dadurch haben wir mehr Spielraum als andere EU-Staaten." Dublin schätzt die Schulden per Ende 2009 auf rund 65 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Ratingagentur Standard & Poor's setzt die Quote jedoch deutlich höher an und erwartet in diesem Jahr einen Anstieg auf 113 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Irland hatte vergangenes Jahr mit drastischen Sparmaßnahmen auf die Rezession reagiert. Die Gehälter im öffentlichen Dienst wurden um 15 Prozent gesenkt. Das Defizit soll bis 2014 wieder unter drei Prozent sinken. Coughlan kündigte trotzdem an, die Regierung werde in Wachstumsbranchen, Forschung und Entwicklung sowie in Bildung viel investieren. "Wir müssen alles tun, um das Wachstum wieder in Schwung zu bringen und die Arbeitslosigkeit abzubauen", sagte sie.

Irlands gravierendstes Problem bleibt der Banken- und Immobiliensektor. Vor zwei Wochen hatte die Kommission die Gründung einer staatlichen Abwicklungsgesellschaft (Bad Bank) für faule Kredite genehmigt. Die National Asset Management Agency (Nama) soll den Banken Immobilienkredite mit einem Nennwert von 77 Milliarden Euro abkaufen. Die Nama zahlt dafür 56 Milliarden Euro, also einen Abschlag von 30 Prozent.

Fusion von Großbanken abgelehnt

Kritiker halten den Abschlag jedoch für zu niedrig und fürchten, der Wert der Hypotheken könnte weiter fallen, sodass die Steuerzahler auf hohen Verlusten sitzenbleiben. "Uns ist sehr bewusst, dass die Steuerzahler Nama bezahlen und die Risiken tragen", sagte Coughlan. "Wir wollen sicherstellen, dass sie eine Rendite auf ihre Investition erhalten. Wir haben nur einen Schuss."

Doch mit der Übernahme der Schulden ist es nicht getan. "Der andere Teil des Puzzles ist, die Banken zu rekapitalisieren, das Vertrauen in sie wiederherzustellen und die Kreditvergabe an Unternehmen wieder anzukurbeln", so Coughlan. Die Institute müssten sich künftig darauf ausrichten, kleinere und mittlere Unternehmen zu finanzieren. Frisches Kapital sollten die Banken bei privaten Investoren einsammeln.

Coughlan machte jedoch deutlich, dass die Regierung bereit sei, weitere Anteile zu übernehmen. Dagegen lehnt sie Fusionen der Großbanken ab. "Wir haben nur wenige große Banken und wollen eine Monopolisierung des Marktes nicht unterstützen." Coughlan wies Vorwürfe zurück, die Regierung arbeite die Bankenkrise nicht angemessen auf. "Die Verantwortlichen in den Banken, die falsche Entscheidungen getroffen haben, werden dafür zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Coughlan. "Dort wo Gesetze gebrochen wurden, werden wir alle juristischen Mittel ausschöpfen."

© SZ vom 16.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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