Iran:Milliarden für die Mullahs

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Hassan Rohani, Präsident des Iran, 2015 im Kernkraftwerk Buschehr. (Foto: Mohammad Berno/Iranian President's Office/AP/dpa, Bearbeitung: SZ)

Die verbotenen Iran-Geschäfte der Standard-Chartered-Bank.

Von Mauritius Much, München

Auf "Project Green" stieß Julian Knight im Intranet. Der Brite sollte für seine Vorgesetzten zusammentragen, welche ökologischen Investitionsprojekte sein Arbeitgeber, die britische Bank Standard Chartered, finanzierte. Deshalb klickte er sich durchs hausinterne Netz - und entdeckte "Project Green". Das klang wie das, wonach er suchte. Doch dann fand Knight heraus, dass dieses "grüne Projekt" in Wahrheit wohl dazu diente, Kunden dabei zu helfen, verbotene Geschäfte zu machen.

Mit Hilfe des "Project Green" habe die Bank, so Knight, Geschäfte mit Firmen und anderen Geldinstituten gemacht, die von den USA mit Sanktionen belegt worden waren. Kunden hätten oft auch nicht ihre eigenen Konten nutzen müssen, um Geld zu transferieren, die Aktionen liefen dann über spezielle Depots der Bank. "Wenn man Sanktionen umgehen wollte, war das der perfekte Mechanismus, um nicht erwischt zu werden", sagte Knight dem Online-Medium Buzzfeed News.

Mitarbeiter der Dubai-Niederlassung haben laut Knight auch falsche Dokumente fabriziert, damit Iraner bei der Eröffnung von Konten ihre Herkunft verschleiern konnten. Den Kunden wurde es angeblich sogar erlaubt, sich in das Computersystem der Bank einzuloggen, um ihre illegalen Transaktionen selbst vorzunehmen. Dieses System habe die Transfers weder aufgezeichnet, noch habe es Geschäfte blockieren können, die gegen Sanktionen verstießen. Zwischen 2009 und 2014 habe Standard Chartered illegale Transaktionen im Wert von 56,75 Milliarden Dollar für Personen und Firmen aus Iran getätigt.

Bereits 2012 musste die Bank, die Fußballfans als Trikotsponsor des FC Liverpool kennen könnten, 667 Millionen Dollar Strafe an US-Behörden zahlen. Der Grund waren unter anderem verschleierte Geldtransfers in und aus Iran. US-Behörden hatten sogar mit dem Entzug der Banklizenz in den USA gedroht. US-Aufseher bezeichneten die Bank öffentlich als "Schurken-Institution". Standard Chartered erklärte indes, seit 2007 keine neuen Geschäfte mehr mit iranischen Kunden gemacht zu haben.

Die FinCEN-Files legen nun allerdings nahe, dass Standard Chartered weit tiefer in Geschäfte mit Iran verstrickt ist als bisher bekannt. Die Dokumente geben Aufschluss darüber, wie Standard Chartered iranischen Kunden half, Geld aus fragwürdigen Quellen zu transferieren und dies vor US-Behörden zu verbergen. Mehrere Bankangestellte warnten vor den schmutzigen Geschäften - und verloren ihren Job.

Allein zwischen 2013 und 2017 winkte Standard Chartered demnach Hunderte Millionen Dollar durch, obwohl die Bank selbst den Verdacht hatte, damit würden US-Sanktionen gegen Iran umgangen. Hinzu kommen Millionentransaktionen für vier Firmen, die 2016 von den USA sanktioniert worden waren, weil sie Iran bei dessen Raketenprogramm geholfen hätten. Zudem half Standard Chartered zwei Banken, welche mutmaßlich die Terrororganisationen al-Qaida und Hamas finanzierten, Transaktionen zu tätigen.

Standard Chartered wickelte den Unterlagen zufolge auch bis Juni 2013 Geldgeschäfte für eine Firma namens Libra Shipping ab, obwohl diese Firma einige Monate zuvor von den USA sanktioniert worden war. Für die japanische Schiffsagentur Ben Line setzte die britische Großbank noch Transaktionen um, als drei Mitarbeiter wegen verbotenen Iran-Geschäften bereits verurteilt worden waren.

Täuschen, tricksen, verschleiern, das sind die Mittel zum Sanktionsbruch - und sie funktionieren, wenn Banken nicht so genau hinschauen. Standard Chartered schaute offenbar besonders engagiert nicht hin. So winkte die Bank zwischen Januar 2011 und Oktober 2016 insgesamt 21 Transaktionen in Höhe von gut zwei Millionen Dollar durch, mit denen angeblich Lieferungen von Gips oder Naturasphalt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten finanziert werden sollten. Doch Berichte des Internationalen Maritimen Büros, das Kriminalität auf See bekämpft, zeigten, dass die Schiffe in Wahrheit in 20 von 21 Fällen von einem iranischen Hafen abgelegt hatten. Offenbar waren die Frachtpapiere gefälscht worden. Das stellte die Bank im November 2016 fest, meldete dies aber erst zwei Monate später - viel zu spät.

Auf Anfrage ging Standard Chartered nicht auf den Vorwurf ein, gegen US-Sanktionen verstoßen zu haben. Die Anschuldigungen von Julian Knight wies die Bankengruppe als "falsch" zurück und erklärte allgemein: "Wir nehmen unsere Verantwortung zur Bekämpfung der Finanzkriminalität äußerst ernst und haben erheblich in unsere Programme zur Einhaltung der Vorschriften investiert."

Dass Sanktionsverstöße von Banken wie Standard Chartered offenbar keine Einzelfälle sind, wundert Sanktionsspezialisten nicht. "Die Gefahr, erwischt zu werden, ist recht gering. Wenn man ertappt wird, zahlt man einen hohen Preis. Aber wenn nicht, kann man ein sehr lukratives Geschäft abschließen, weil andere Banken davor Angst haben", sagt der US-Anti-Geldwäsche-Experte Ross Delston.

Dennoch kommen die neuen Enthüllungen für Standard Chartered ungelegen: Zwar hatte die Bank seit 2012 Besserung versprochen, die Nachrichten von Sanktionsverstößen rissen aber nicht ab. Im April 2019 wurde die Bank wegen verbotener Geschäfte mit Iran, Myanmar, dem Sudan, Kuba, Simbabwe und Syrien mit einer Strafe von 1,1 Milliarden Dollar belegt. "Sie zahlten eine Geldstrafe und änderten ihr Verhalten nicht", sagt der US-amerikanische Sanktionsexperte Tim White. Erst im März 2020 wurde bekannt, dass Standard Chartered erneut gegen Sanktionen verstoßen hat, verhängt von der EU gegen Russland. Schon 2011 hatte Julian Knight vor solchen Sanktionsbrüchen gewarnt. Er hatte gehandelt, wie es Banken selbst gerne propagieren: Nachdem er einen Missstand entdeckt hatte, wandte er sich an seine Vorgesetzten. Er "blies in die Pfeife", wie man im Englischen sagt, und warnte - wurde also zum Whistleblower. Doch statt die Iran-Geschäfte aufzugeben, entließ Standard Chartered Julian Knight. Daraufhin reichte er zwei Klagen gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber ein. Die eine läuft noch, die andere wurde von einem New Yorker Gericht zurückgewiesen. Diese Entscheidung ficht Knight an.

© SZ vom 23.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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