Atomabkommen mit Iran:Auf nach Teheran

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Irans Hauptstadt Teheran: Das Land hat wegen der jahrelangen Sanktionen technisch einiges aufzuholen. Deutsche Firmen sehen viel Potenzial. (Foto: dpa)
  • Die Exporte nach Iran könnten sich nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) innerhalb von zwei Jahren verdoppeln.
  • Iran mit seinen etwa 80 Millionen Einwohnern könnte dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zufolge auch als Absatzmarkt sehr interessant sein.
  • Das Land ist auch wegen der vielen hochqualifizierten Arbeitnehmer für deutsche Unternehmen als Fertigungsstandort interessant. BMW etwa prüft einen Markteintritt.

Von Caspar Busse und Jan Willmroth, München

Einige sind bereits da. Lufthansa etwa fliegt täglich mit dem großen Airbus A340 von Frankfurt nach Teheran. Die Auslastung sei hoch, heißt es. Seit Februar bedient auch die Fluggesellschaft Germania zweimal in der Woche die Strecke von Berlin in die iranische Hauptstadt, neben einem Flug von Düsseldorf. Die Airlines befördern Geschäftsleute, aber immer öfter auch Touristen.

Es ist der große Boom, auf den viele gerade in Deutschland hoffen. An diesem Dienstag gab es nach zehn Jahren den Durchbruch im Atomstreit mit Iran, demnächst könnten die strengen Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufgehoben werde. Besonders für die deutsche Wirtschaft soll es ein gutes Geschäft werden.

"Wir erwarten ein deutliches Wachstum des bilateralen Handels", sagt Michael Tockuss, Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer in Hamburg. Es gebe eine gemeinsame Wellenlänge zwischen den Ländern: "Die Iraner teilen unsere Begeisterung für Technik." Zunächst könnte der Maschinen- und Anlagenbau profitieren, denn das Land muss nach Jahren der Abschottung die Industrieanlagen modernisieren.

Im vergangenen Jahr verkauften deutsche Unternehmen Waren im Wert von 2,4 Milliarden Euro nach Iran - trotz der strengen Sanktionen. Der Import lag bei lediglich 330 Millionen Euro, die Hälfte davon sind landwirtschaftliche Produkte wie Safran, Kaviar oder Trockenfrüchte. Die Exporte könnten sich innerhalb von zwei Jahren verdoppeln, sagt Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Allerdings müsse die Finanzierung sichergestellt sein. Iran sei wegen der vielen hochqualifizierten Arbeitnehmer für deutsche Unternehmen auch als Fertigungsstandort interessant. Bislang investiert die deutsche Wirtschaft kaum in den Aufbau von Fabriken.

Vervierfachung des Handelsvolumens auf zehn Milliarden Euro möglich

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) weist darauf hin, dass Iran mit rund 80 Millionen Einwohnern auch als Absatzmarkt sehr interessant ist. Die großen deutschen Autobauer wie BMW etwa sind noch nicht präsent, prüfen aber einen Markteintritt. Der BDI hält mittelfristig sogar eine Vervierfachung des Handelsvolumens auf zehn Milliarden Euro für möglich. "Der Nachholbedarf bei der Modernisierung der Industrie-Infrastruktur des Landes ist groß", teilte BDI-Präsident Ulrich Grillo mit. Der Automobilbau, die chemische Industrie, die Gesundheitswirtschaft sowie der Ausbau erneuerbarer Energien würden der deutschen Industrie viele Möglichkeiten bieten.

Er weist aber auch darauf hin, das ein verlässlicher Rechtsrahmen besonders wichtig ist. "Einige Unternehmen haben schon neue Kontakte geknüpft und bereiten sich auf Investitionen vor", sagt Vera Jungkind von der Kanzlei Hengeler Mueller, die Konzerne bei Investitionen in Iran berät.

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Hoffnungen auf die Öffnung des Landes setzt auch die Bauindustrie. "Nach und nach wird der Wirtschaftsmotor dort wieder anlaufen, in diesem Zusammenhang wird sicher der ein oder andere Auftrag für die Bauindustrie kommen", sagte ein Sprecher des Branchenverbandes HDB. Dem DIHK zufolge sind derzeit 80 deutsche Unternehmen mit Niederlassungen ansässig, weitere 1000 haben Vertretungen dort, diese Präsenz dürfte sich nun deutlich erhöhen. "Iran ist kein großer Markt, aber ein interessanter mit Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich", sagte eine Sprecherin des Konsumgüterkonzerns Henkel, der dort 500 Mitarbeiter in den Geschäftsbereichen Waschmittel und Klebstoffe zählt.

Teilweise werden alte Verbindungen reaktiviert

Auch BASF und Bayer sind bereits vor Ort. "Wir sehen bei Aufhebung der Einschränkungen durchaus weiteres Geschäftspotenzial", sagt ein Bayer-Sprecher. Noch sei es aber nicht so weit: Die Sanktionen würden nach derzeitigem Stand erst vom ersten Quartal 2016 an aufgehoben. BASF unterhält neben einem Vertriebsbüro in Teheran bereits eine Fertigung unweit der Hauptstadt, die Produktion ist wegen der Sanktionen allerdings sehr eingeschränkt. Derzeit würde die Entwicklung analysiert.

Natürlich haben auch andere Industrienationen, etwa die USA, Frankreich oder Großbritannien, großes Interesse an dem sich öffnenden Land. Deutschland war jedoch schon vor den Sanktionen und der Islamischen Revolution ein wichtiger Wirtschaftspartner des Iran. Manchmal sind Kontakte nicht völlig abgebrochen, teilweise werden alte Verbindungen reaktiviert. Oft laufen die Vorbereitungen schon.

Einige Unternehmen sind aber noch vorsichtig. Der Flugzeugbauer Airbus teilte mit, das Abkommen müsse erst umgesetzt werden. Dann erst werde unter strikter Beachtung der Bestimmungen geprüft, welche Auswirkung das auf das Geschäft haben kann. Iran Air hat unter anderem 18 ältere Airbus-Maschinen im Dienst. Die Flotte muss dringend modernisiert werden. Denn auch der Tourismus macht sich Hoffnungen. Bisher war Iran nur ein Nischenmarkt. Doch könnte das Interesse Reisender aus Deutschland bald deutlich steigen. Flugverbindungen gibt es ja bereits.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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