Interview:"Er wird nach Schuldigen suchen"

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US-Ökonom Barry Eichengreen über Trumps Wirtschaftspolitik und die Gefahren für die EU.

Interview von Sebastian Jannasch

Donald Trump hat Europas Wirtschaftsführer provoziert. Der US-Präsident verunsichert und verstört. Gibt es im Weißen Haus überhaupt einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs? Nein, sagt Barry Eichengreen, 64. Der Ökonom, der sich auf Währungs- und Außenwirtschaftspolitik spezialisiert hat, lehrt an der University of California in Berkeley. Bei der Hans-Böckler-Stiftung in Brüssel spricht er über Europa, Protektionismus und die Gefahr eines Handelskriegs.

SZ: Herr Eichengreen, Donald Trump ist mit dem Credo "America first" angetreten. Sehen Sie in seiner Wirtschaftspolitik die angekündigte Abschottung von der Welt?

Barry Eichengreen: Nein, das kann ich so nicht erkennen. Trumps Wirtschaftspolitik wird wahrscheinlich weniger radikal sein, als man es von der Wahlkampfrhetorik erwarten könnte. Mittlerweile hat er verstanden, dass ein allgemeiner Einfuhrzoll nicht machbar ist, dass eine Steuer von 45 Prozent auf Importe aus China nicht machbar ist, und dass es nicht machbar ist, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta aufzukündigen. Trump wird auch die Vorteile erkennen, mit Nafta und der Welthandelsorganisation zu arbeiten, anstatt sich von ihnen abzuwenden.

Dann ist also alles gut und die Gefahr des Protektionismus gebannt?

Die Gefahr besteht weiter, aus zwei Gründen. Erstens: Im Weißen Haus dauert der Kampf der Wirtschaftsberater um die Wahrnehmung des Präsidenten an, zwischen Protektionisten wie Peter Navarro und Steve Bannon und Befürwortern traditionell republikanischer Positionen wie Gary Cohn und Steven Mnuchin. Zweitens: Alles, was Trump und der Kongress vorhaben, treibt den Dollar nach oben. Das wird den Präsidenten ärgern.

Welche Folgen hat ein starker Dollar?

Ein starker Dollar führt zu mehr statt weniger Importen. Das durchkreuzt Trumps Plan, Industriejobs zurück in die USA zu holen. Er wird nach Schuldigen suchen. Entweder bei der Federal Reserve mit der Begründung, dass sie Zinsen und den Dollar hochtreibt, oder bei den Regierungen in Europa und Japan, die nach Trumps Sicht ihre Währungen nach unten drücken. Was sich in den 1980ern unter Reagan abgespielt hat, wird sich wiederholen: Hohe Zinssätze lassen Kapital in die USA fließen und drücken den Dollar nach oben. Steuersenkungen führen dazu, dass mehr Geld ausgegeben wird. Da aber nun Vollbeschäftigung in den USA herrscht, gibt es kaum Kapazitäten, mehr zu produzieren, also wird noch mehr importiert.

Wie könnte Trump darauf reagieren?

Es ist absehbar, dass Länder wie Korea aufgefordert werden, den Export von Hyundais in die USA zu begrenzen. Trump wird das nicht von Deutschland verlangen, wenn er versteht, dass BMW in den USA produziert, aber er wird nach weiteren Ländern suchen, auf die er Druck ausüben kann. China lässt sich schwer unter Druck setzen, Kanada dagegen, das vor allem Holz und Milchprodukte in die USA exportiert, ist ein bequemes Ziel. Es ist auch immer noch möglich, eine Steuer von 20 Prozent auf alle Importe einzuführen. Im Kongress gibt es starke Unterstützung dafür.

Das würde im Ausland als Provokation aufgefasst. Sind Handelskriege möglich?

Ja, das Risiko besteht. Ich hatte erwartet, dass es Trump schnell frustrieren würde, die Krankenversicherung und das Steuersystem zu reformieren, und er deshalb etwas Aggressives in der Handelspolitik unternehmen würde. Jetzt sehen wir, dass er selektiver vorgeht. Er hat verstanden, dass er China braucht, zum Beispiel wegen Nordkorea, also stellt er sich gegen Kanada. Er wird nach weiteren Zielen suchen. Dabei gibt es sicher ein Risiko für Deutschland und Europa, ins Visier zu geraten. Trump könnte ein deutsches Exportgut finden, bei dem er Verstöße gegen Dumping-Verbote und Subventionsregeln der Welthandelsorganisation sieht. Auf die Produkte könnte er einen Zoll von 20 Prozent erheben. Ist der Vorwurf ungerechtfertigt, könnte Deutschland zurückschlagen.

Welche Branchen könnte das betreffen?

Das ist schwer spontan zu sagen, aber vorstellbar sind Werkzeugmaschinen. Maschinen und physische Güter interessieren Trump mehr als etwa geistiges Eigentum. Das ist für Deutschland als Exporteur von Maschinen natürlich ein Problem.

Wie kann Europa mit Trumps Sprunghaftigkeit umgehen?

Die Antwort ist: Vervielfältigt Eure Exportmärkte, denn der Zugang zum US-Markt könnte nicht verlässlich gegeben sein. Deutschland hat das auch bereits erfolgreich getan. Ich habe lange geglaubt, dass Deutschlands Handelsüberschüsse Teil des Problems sind, doch für die USA ist das nicht schwerwiegend, eher für den Zusammenhalt innerhalb Europas. Mehr öffentliche Investitionen in Deutschland wären ein sinnvoller Schritt, um den Überschuss zu reduzieren. Würde das bei Trump Glücksgefühle gegenüber Deutschland auslösen? Wahrscheinlich nicht. Aber die Investitionen wären gut für Deutschland, gut für Europa und vielleicht würde Trump Kenntnis davon nehmen.

Erkennen Sie einen roten Faden in Trumps Wirtschaftspolitik oder sind das ganz neue Trumponomics?

Ich glaube nicht, dass es da ein übergreifendes Konzept gibt. Trumps Vorschlag für eine Steuerreform scheint von der Angebotspolitik der 1980er inspiriert zu sein und ist vollkommen unvereinbar mit Protektionismus. Ersteres bedeutet weniger staatliche Eingriffe, weniger Regulierung, weniger Steuern. Protektionismus entspricht der Idee eines Staates, der mit starker Hand den Handel beschränkt. Es zeigt vielmehr, dass es im Weißen Haus widerstreitende Kräfte gibt und noch nicht klar ist, wer sich durchsetzen wird.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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