Fast zehn Jahre ist es nun her, dass Matthias Kröner seine erste Bankgründung verließ. 2002, nach einem langen Streit mit dem Hauptaktionär über die Ausrichtung der Direkt Anlage Bank (DAB), musste der damals 36-Jährige seinen Hut nehmen. Die DAB, 1994 als eine der ersten Online-Broker in Deutschland entstanden, hatte im Zuge des Niedergangs der New Economy Verluste eingefahren. Der damalige Haupteigner, die Hypo-Vereinsbank, wollte die Internet-Tochter stärker an die Kandare nehmen. Der eigenwillige Kröner passte der Großbank dabei nicht mehr ins Konzept.
Inzwischen gibt es praktisch kein Geldinstitut in Europa mehr, das ohne Online-Banking auskommt. Viele Kunden wissen gar nicht mehr, wie gedruckte Überweisungsscheine aussehen, geschweige denn, was sie in einer Bankfiliale überhaupt tun sollten. Die DAB Bank mit ihrem repräsentativen Bürowürfel im Münchner Westen gehört längst zum Establishment und bietet wie fast alle Internetbanken die ganze Palette herkömmlicher Bankleistungen - nur eben online.
"Die Bank sind Sie" hatten Kröner und seine Mitstreiter in den Anfängen der DAB getitelt. Per Fax waren die ersten Wertpapieraufträge hereingekommen, und die Online-Pioniere führten sie weit kostengünstiger aus, als es Präsenzbanken mit ihren teuren Filialen je getan hätten. Die Direktbanken revolutionierten die Preise, vor allem die Gebühren für Börsengeschäfte sanken drastisch.
Dem umtriebigen Kröner, der im Hotelfach angefangen hat und erst über den zweiten Bildungsweg zur Betriebswirtschaft und zum Banking kam, war und ist das deutlich zu wenig. Er experimentierte weiter, erst im Privaten, dann immer stärker übers Netz: Facebook, Twitter, Xing, die sozialen und interaktiven Netzwerke wurden für den gebürtigen Münchner zum Schlüssel, seine Idee voranzutreiben.
"Die Fidor-Bank ist die konsequente Weiterentwicklung der DAB Bank mit den Möglichkeiten des Web 2.0", sagt der heute 46-Jährige selbstbewusst. Und er füllt den Slogan gleich mit Leben. Während des Gesprächs surft er zwischen seiner Bankseite und diversen Foren hin und her, beantwortet Fragen von Nutzern, gibt Kommentare ab und spendet von seinem Online-Konto ein wenig Geld für eine Kunstaktion.
Für gute Vorschläge gibt es bis zu 1000 Euro
40.000 feste Kunden und weitere 40.000 registrierte Nutzer gibt es heute bei Fidor. "Die Community ist das Herzstück der Bank", erklärt Kröner stolz. In der Netzgemeinde diskutieren (potentielle) Kunden, ob und wo sie Geld anlegen oder aufnehmen wollen, machen Verbesserungsvorschläge ans Bankmanagement und bewerten Finanzprodukte.
Für ihre Fragen, Anregungen und Antworten erhalten sie Geld auf ihrem Fidor-Konto gutgeschrieben, laut Kröner können es bis zu 1000 Euro sein für einen guten Vorschlag, der auch umgesetzt wird.
"Die Banken haben ihren Kunden in den vergangenen Jahren immer mehr dazu erzogen, nicht mehr mit ihnen zu reden. Das ist falsch", findet Kröner. Deshalb also die Netzgemeinde. Auf der Plattform der Bank können Nutzer Meinungen äußern und Fragen stellen. Antworten bekommen sie von einem der 25 Mitarbeiter bei Fidor, aber auch von anderen Netzwerkern, unter denen Vermögensberater und Geldexperten sind, die die Kunden auf diese Weise unverbindlich ausprobieren können.
"In der Krise haben wir gelernt, dass die meisten Menschen die Nase voll haben von Banken", ist Kröner überzeugt. Das Geld jedoch einfach liegen zu lassen und einen Bogen um die Finanzbranche zu machen, sei aber nicht die Lösung. "Geldthemen sind superwichtig und sollen trotzdem Spaß machen", definiert der Vater von zwei Kindern seine Motivation zur Gründung der Mitmach-Bank.
Er will seine Kunden auch ein bisschen erziehen: "Reden Sie über Geld, nehmen Sie sich 30 Minuten pro Woche, um Ihre Finanzen in den Griff zu bekommen", heißt es in einer Unternehmens-Broschüre. Auch hier haben die Nutzer mitgeschrieben, erzählt Kröner, ganz Marketing-Mann.
Sich selbst kümmern, Zeit investieren, über Geld reden, in Foren diskutieren. Für manche Verbraucher mag es zu viel sein, was der Münchner Mitmach-Banker ihnen damit abverlangen will. Aber die lethargische Klientel will Kröner dann auch nicht unbedingt haben, das verhehlt er nicht: "Wir sind ausgerichtet auf die digitale Kundschaft." Immerhin 40 Millionen Nutzer seien inzwischen bei sozialen Netzwerken wie Facebook aktiv, ein riesiger Markt also, den Fidor sich erschließen könnte.
"Die Bank sind Sie"
Preise für seinen Ansatz hat Kröner schon fleißig eingeheimst. Aber profitabel ist Fidor zweieinhalb Jahre nach Erteilung der Banklizenz noch nicht. Für 2012 hat sich Kröner, der nach Börsengang und Kapitalerhöhung selbst noch mit knapp 14 Prozent an dem Geldhaus beteiligt ist, zumindest "die rote Null" vorgenommen. Und geht für dieses Ziel ein wenig im angestammten Bankgeschäft hausieren. So ist seit kurzem eine Kreditkarte aufs Fidor-Konto möglich. Ein Gehaltskonto soll bald folgen. Das Tagesgeld von Fidor gehört mit 2,55 Prozent Verzinsung bereits zu den attraktiveren Angeboten am Markt.
Aber leuchtende Augen bekommt der Web-Banker bei der Vorstellung dieser Produkte nicht. Die kommen erst wieder, als er über die neue Kooperation mit Smava spricht, einem privaten Kreditportal, bei dem sich Teilnehmer auf privater Basis gegenseitig Geld leihen. Die Zusammenarbeit mit Smava brachte auf einen Schlag 3000 neue Kunden, verrät er - und eine Menge Elan für weitere Innovationen, die den Bankenmarkt möglichst genauso revolutionieren sollen wie einst die Direktbanken.
Eine Idee plaudert Kröner schon aus: Die Kunden sollen mitbestimmen, für welche Projekte Fidor Kredite vergibt. "Die Bank sind Sie" - dem früheren Motto des Online-Bankers käme das schon sehr nahe.