Internes Papier der Konzernspitze:Siemens verschärft Kontrollen

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Die Konzernzentrale will mehr interne Prüfer einsetzen. Unterdessen kam es zu neuen Durchsuchungen an mehreren Standorten.

Markus Balser und Klaus Ott

Der Siemens-Konzern will die Kontrolle von Finanzströmen erheblich verschärfen. Dies geht aus einem internen Papier hervor, mit dem die Unternehmensspitze auf die Korruptionsaffäre reagiert. Die Ermittler gingen am Mittwoch bei weiteren Durchsuchungen in München, Erlangen und Nürnberg neuen Vorwürfen gegen den Konzern nach.

Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Nürnberg gehe es um den Verdacht, dass es "zu Zahlungen ohne den Nachweis einer konkreten Gegenleistung an einen Vertragspartner gekommen ist", teilte Siemens mit. Zu Details wollte sich der Konzern nicht äußern. Nach SZ-Informationen soll es um einen hochdotierten Beratervertrag mit einem Geschäftspartner aus Deutschland gehen, der im Hebst gekündigt wurde.

Mehr als ein Jahrzehnt sei der Partner für mehrere Sparten von Siemens tätig gewesen. In Zusammenarbeit mit Beamten der Steuerfahndung und der Kriminalpolizei seien Objekte durchsucht worden, teilte Andreas Quentin, Richter am Oberlandesgericht, mit. Bei der Staatsanwaltschaft werde gegen mehrere Beschuldigte ein "umfangreiches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Begehung von Steuerstraftaten" geführt.

Kontrolle statt Vertrauen

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften in München, der Schweiz, Liechtenstein und Italien hatten in den vergangenen Monaten gravierende Schwächen im Kontrollsystem bei Siemens offenbart. Die Ermittler hatten ein System geheimer Konten aufgedeckt, sie waren auf Tarnfirmen in der Karibik und Beraterverträge gestoßen, denen keine Leistung gegenüberstand. Nun will Siemens bis zum Ende des Geschäftsjahres im September die interne Kontrolle verbessern.

So will der Konzern das Finanzwesen zentralisieren, neue Prüfungsabteilungen mit kriminaltechnischen Aufgaben aufbauen und die Compliance-Abteilung, die intern prüft, ob gesetzliche Vorgaben eingehalten werden, mit größeren Kompetenzen ausstatten. Bislang weitgehend eigenständige Bereiche des Unternehmens und Landesgesellschaften dürften hingegen an Einfluss verlieren. Dies geht aus dem Programm vor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Für Siemens, lange von großer Eigenständigkeit seiner Konzernbereiche geprägt, bedeutet dies eine Zäsur. Die Kultur des Vertrauens werde durch eine Kultur der Kontrolle ersetzt, hieß es in Konzernkreisen.

Die Siemens-Spitze will mit dem Sechs-Punkte-Plan möglichen Problemen bei der Abschlussprüfung für 2006/07 vorbeugen. Es gehe um initiale Maßnahmen zur Sanierung von "wesentlichen Schwächen", heißt es in dem Papier. Siemens wolle nun alle Maßnahmen ergreifen, um im laufenden Geschäftsjahr den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk - und damit den Segen - der Wirtschaftsprüfer zu bekommen.

Derzeit ist der Konzern noch damit beschäftigt, das ganze Ausmaß der Affäre aufzudecken - über die Kommunikationssparte hinaus. Bei Beraterverträgen gebe es eine "Bestandsaufnahme in anderen Bereichen", heißt es. Bislang hatte Siemens nur von einem illegalen System im Kommunikationsbereich gesprochen.

"Externe Konten reduzieren"

Als besonders wichtig erachtet der Konzern die ,,Reduzierung externer Bankkonten'', denn über solche Konten wurden auch illegale Zahlungen des Unternehmens abgewickelt. Die Konzernspitze erwartet, dass hierzu bis Ende Februar Vorschläge erarbeitet werden. Zahlungsempfänger sollen zudem zentral registriert werden. Langfristig strebt das Management sogar die "zentrale Abwicklung lokaler Zahlungen" an ausländische Empfänger an.

Die Siemens-Spitze will zudem die zuletzt stark beanspruchte Abteilung der internen Bilanzprüfer in der Zentrale ausbauen. Ein Vergleich mit dem US-Rivalen General Electric zeige, dass der deutsche Konzern hier starken Nachholbedarf habe. Während beim US-Konzern von 520 Prüfern 70 Prozent in der Zentrale arbeiteten, seien es von 572 Siemens-Prüfern nur 25 Prozent. Bis Ende März sollten Maßnahmen folgen, um dies zu ändern. Zusätzlich wird eine kriminaltechnische Abteilung aufgebaut. Solch eine Abteilung hat in Firmen die Aufgabe, Geschäftsabläufe auf mögliche illegale Praktiken zu untersuchen.

Direkteren Zugriff will sich die Zentrale auch auf die zersplitterte Compliance-Abteilung sichern. Soweit nach lokaler Gesetzgebung möglich sollen die Beauftragten weltweit vom Chef der Abteilung, Ex-Staatsanwalt Daniel Noa, geführt werden. Siemens will offenbar verhindern, dass Hinweise auf illegale Praktiken in der Hierarchie hängenbleiben. Auch Geschäftspartner sollen künftig auf Siemens-Regeln verpflichtet werden können. Eine Richtlinie sei in Arbeit.

© SZ vom 15. Februar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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